Ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn die Anordnung der Freiheitsentziehung mangels rechtzeitiger sofortiger Beschwerde rechtskräftig wird.
Ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn die Anordnung der Freiheitsentziehung mangels rechtzeitiger sofortiger Beschwerde rechtskräftig wird.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Ohne Erfolg begehrt der Betroffene im Verfahren 1 W 251/08 die Feststellung, dass die Anordnung von Abschiebehaft durch die Beschlüsse des Amtsgerichts Schöneberg vom 13. März 2008 und vom 17. März 2008 rechtswidrig war. [...]
II. Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. [...]
1) Zu Recht hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts Schöneberg vom 24. April 2008 bestätigt und seinerseits den Antrag des Betroffenen, die Rechtswidrigkeit der mit Beschluss vom 13. März 2008 angeordneten einstweiligen Freiheitsentziehung festzustellen, für unzulässig gehalten.
Der Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 13. März 2008 darf mangels rechtzeitiger Anfechtung nicht nachträglich zum Gegenstand eines Feststellungsantrages gemacht werden. Der Betroffene hat gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 13. März 2008, mit dem einstweilige Freiheitsentziehung angeordnet worden war, kein Rechtsmittel eingelegt und die nach §§ 7 Abs. 1 FEVG, 106 Abs. 2 AufenthG gegebene sofortige Beschwerde nicht erhoben. Dieses Rechtsmittel wäre innerhalb der Beschwerdefrist von zwei Wochen ungeachtet der Tatsache zulässig gewesen, dass der Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 13. März 2008 durch den Erlass des weiteren Haftbeschlusses vom 17. März 2008 prozessual überholt war. Denn in einem solchen Fall ist die sofortige Beschwerde auch mit dem Ziel zulässig, nachträglich die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festzustellen (seit BVerfG, NJW 1997, 2163 ständige Rspr.). Es ist zwar mit der grundgesetzlich verbürgten Effektivität des Rechtsschutzes grundsätzlich vereinbar, ein Rechtsschutzinteresse nur so lange als gegeben anzusehen, wie eine gegenwärtige Beschwer ausgeräumt oder einerWiederholungsgefahr begegnet werden kann. Doch gebietet der nach Art. 19 Abs. 4 GG garantierte effektive Rechtschutz die Annahme eines Rechtsschutzinteresses in Fällen tief greifender Grundrechtseingriffe, in denen sich eine direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung vorgegebenen Instanzen kaum erlangen kann (BVerfG, NJW 1998, 2432 ff; BVerfGE 104, 220, 238 ff). Die Verhängung von Abschiebungshaft ist ein solcher Eingriff. Auch hatte im vorliegenden Fall die freiheitsentziehende Maßnahme nur drei Tage bestand, bevor sie durch die endgültige Anordnung der Abschiebungshaft ersetzt worden ist.
Nachdem der Betroffene gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 13. März 2008 aber kein Rechtsmittel eingelegt hat, steht die Rechtskraft dieses Beschlusses der Feststellung entgegen, dass die Anordnung der einstweiligen Freiheitsentziehung rechtswidrig war. Auch wenn bei Verhängung von Abschiebungshaft ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft grundsätzlich zu bejahen ist, erlaubt dies keinen Feststellungsantrag losgelöst vom bestehenden Rechtsschutzsystem (OLG München, OLGR München 2005, 772–774). Es war dem Betroffenen möglich und zumutbar, den von der Verfahrensordnung vorgesehenen Weg der sofortigen Beschwerde zu beschreiten und den ergangenen Haftbeschluss anzufechten. Wird dies – wie hier – unterlassen gebietet es das Grundrecht des Betroffenen auf Gewährung von effektivem und lückenlosem Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) aber nicht, dass jene Beschlüsse, mit denen die Abschiebungshaft angeordnet wurde, nachträglich auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden.
Der Standpunkt des Betroffenen, solche Feststellungsanträge seien nicht fristgebunden, wird nicht geteilt. Zwar rechtfertigt nach der neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts allein das bei Freiheitsentziehungen bestehende Rehabilitierungsinteresse den Feststellungsantrag auch prozessual überholter Maßnahmen (BVerfG, 2. Senat, 3. Kammer, Beschl. vom 31.10.2005 – 2 BvR 2233/04 – m.w.N.) Die genannte Entscheidung des BVerfG befasst sich aber nur mit der Beschwerde gegen einen vollzogenen Haftbefehl nach § 114 StPO, die nicht befristet ist. Das Spannungsverhältnis zwischen der befristeten Anfechtungsmöglichkeit und dem Interesse an einer nachträglichen Überprüfung bei freiheitsentziehenden Maßnahme war nicht Gegenstand der richterlichen Prüfung.
2. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 24. April 2008 auch insoweit zurückgewiesen, als der Beschwerdeführer beantragt hat, die Rechtswidrigkeit des Haftbeschlusses vom 17. März 2008 festzustellen. [...]
Es trifft zwar zu, dass der Betroffene erst nach Ablauf der Frist für die sofortige Beschwerde mit Schriftsatz vom 9. April 2008 einen Antrag nach § 10 FEVG gestellt und beantragt hat, den Haftbeschluss vom 17. März 2008 aufzuheben. Auch wirkt die Aufhebung nur für die Zukunft ("ex nunc"). Die Aufhebung des Haftbeschlusses ist aber das "wesensgleiche" Plus zur Feststellung, dass die Abschiebungshaft rechtswidrig ist; mit der Aufhebung der Haft wird die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit praktisch umgesetzt (BVerfG, Beschl. vom 31.10.2005 – 2 BvR 2233/04 – a.a.O.). Insofern liegt es nahe, eine Entscheidung über die Rechtswidrigkeit einer Haftanordnung jedenfalls für die Zeit nach Stellung eines Aufhebungsantrages als zulässig anzusehen. Ob das Gericht darüber hinaus aber befugt ist, im Rahmen eines Aufhebungsantrags gemäß § 10 Abs. 2 FreihEntzG, den ergangenen Haftbeschluss und die vollzogene Abschiebungshaft für von Anfang an rechtswidrig zu erklären – so aber OLG Düsseldorf (Beschluss vom 24.7.2002, bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang; kritisch hierzu OLG München, OLGR München 2005, 772–774), erscheint angesichts der eingetretenen Rechtskraft des Beschlusses zweifelhaft.
Die Frage, welcher der genannten Rechtsauffassungen zu folgen ist, kann im vorliegenden Fall jedoch auf sich beruhen. Denn dem Landgericht ist darin zu folgen, dass der Beschluss vom 17. März und die aufgrund des Beschlusses vollzogene Haft nicht rechtswidrig war. Der Betroffene war zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels und aufgrund unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig (§§ 58 Abs. 2, 50 Abs. 1, 4 Abs. 1 AufenthG). Dem Betroffenen war der Aufenthalt in der Bundesrepublik auch nicht nach § 55 Abs. 1 AsylVfG gestattet. Sein schriftlicher Antrag auf Gewährung von Asyl ging beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erst am 25. März 2008 ein. Da der Betroffene aber aus einem sicheren Drittstaat (Italien) eingereist war, war ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet nicht schon mit der Stellung eines Asylgesuchs, sondern erst nach Stellung eines förmlichen Antrags nach § 14 AsylVfG gestattet, § 55 Abs. 1 S. 3 AsylVfG (Senat, Beschluss v. 22.1.2008 – 1 W 371/07 – zu Punkt IV am Ende). [...]
Das Landgericht hat im Beschluss vom 2. Juni 2008 auch das Vorliegen des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthaltsG rechtsfehlerfrei bejaht. [...]