VG Hamburg

Merkliste
Zitieren als:
VG Hamburg, Urteil vom 07.11.2008 - 17 K 2863/07 - asyl.net: M14745
https://www.asyl.net/rsdb/M14745
Leitsatz:

Der Ausländer hat die Nichtvollziehbarkeit der Abschiebung nicht schon deshalb i.S.d. § 11 Beschäftigungsverfahrensverordnung zu vertreten, weil er an der Beschaffung eines Passes oder Passersatzpapieres nicht mitwirkt. Die fehlende Mitwirkung kann aber bei der Ermessensentscheidung über die Erteilung der Arbeitserlaubnis berücksichtigt werden.

 

Schlagwörter: D (A), Duldung, Erwerbstätigkeit, Abschiebungshindernis, Vertretenmüssen, Mitwirkungspflichten, Passbeschaffung
Normen: BeschVerfV § 11; BeschVerfV § 10
Auszüge:

Der Ausländer hat die Nichtvollziehbarkeit der Abschiebung nicht schon deshalb i.S.d. § 11 Beschäftigungsverfahrensverordnung zu vertreten, weil er an der Beschaffung eines Passes oder Passersatzpapieres nicht mitwirkt. Die fehlende Mitwirkung kann aber bei der Ermessensentscheidung über die Erteilung der Arbeitserlaubnis berücksichtigt werden.

(Amtlicher Leitsatz)

 

[...]

Die Klage ist zulässig und im Sinne eines Bescheidungsausspruchs auch begründet.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung müsse den Klägern aufgrund von § 11 Satz 1 Alt. 2 Beschäftigungsverfahrensverordnung versagt werden. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen könnten nicht vollzogen werden, weil die Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Besitz von Pässen verschwiegen und die Ausstellung von Pässen torpediert hätten. Jedenfalls wirkten die Kläger bei der Beschaffung von Identitätspapieren nicht mit.

Diese Begründung trifft nicht zu.

Gemäß § 10 Satz 1 Beschäftigungsverfahrensverordnung kann geduldeten Ausländern mit Zustimmung der Beigeladenen die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn sie sich seit einem Jahr erlaubt oder geduldet im Bundesgebiet aufgehalten haben. Die Kläger haben sich seit mehr als einem Jahr geduldet im Bundesgebiet aufgehalten.

§ 11 Beschäftigungsverfahrensverordnung lautet:

"Geduldeten Ausländern darf die Ausübung einer Beschäftigung nicht erlaubt werden, wenn sie sich in das Inland begeben haben, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, oder wenn bei diesen Ausländern aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch Täuschung über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit oder durch falsche Angaben herbeiführt."

§ 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG lautet:

"Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt."

Die weitgehende Übereinstimmung beider, am 1. Januar 2005 in kraft getretener Vorschriften ist augenfällig. Und nicht zu übersehen ist auch, dass das letzte Kriterium des § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG, die Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse, bei § 11 Beschäftigungsverfahrensverordnung fehlt. Das Fehlen dieses Kriteriums lässt sich überzeugend nur damit erklären, dass entsprechendes Verhalten für den Versagungsgrund des § 11 Satz 1 Alt. 2 Beschäftigungsverfahrensverordnung nicht ausreichen soll.

Dem kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, da die unzureichende Mitwirkung bei der Passbeschaffung unter der Geltung des Ausländergesetzes 1990 als Grund für die Versagung der Beschäftigungserlaubnis herangezogen werden durfte und in der Praxis auch häufig herangezogen wurde, wäre zu erwarten gewesen, dass der Verordnungsgeber es ausdrücklich geregelt hätte, wenn gerade dieses Verhalten nun keine Berücksichtigung mehr finden dürfte (so: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.01.2006 - InfAuslR 2006 S. 222, 225 = NVwZ-RR 2007, S. 60, 61). Reicht die unzureichende Mitwirkung bei der Passbeschaffung für den Versagungsgrund des § 11 Satz 1 Alt. 2 Beschäftigungsverfahrensverordnung nicht aus, hindert das nicht, dieses Verhalten bei der dann möglichen Ermessensentscheidung über die Erteilung der Erlaubnis nach § 10 Satz 1 Beschäftigungsverfahrensverordnung zu berücksichtigen (vgl. Zühlcke, ZAR 2005, S. 317, 321). Auch nach dem Ausländergesetz 1990 musste bei unzureichender Mitwirkung bei der Passbeschaffung nicht die Aufnahme einer Beschäftigung verboten werden (§ 14 Abs. 2 Satz 1 und 2). [...]