OLG Celle

Merkliste
Zitieren als:
OLG Celle, Beschluss vom 18.12.2008 - 22 W 50/08 - asyl.net: M15159
https://www.asyl.net/rsdb/M15159
Leitsatz:

Die Anordnung der Vorführung zur Anhörung gem. § 5 Abs. 1 S. 2 FEVG setzt stets eine vorherige, erfolglos gebliebende Ladung voraus; das gilt auch dann, wenn die Gefahr besteht, dass sich ein Ausländer durch Untertauchen dem Verfahren entzieht.

 

Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Abschiebungshaft, Ingewahrsamnahme, Vorführung, Anhörung, Ladung, Untertauchen, einstweilige Anordnung
Normen: FEVG § 5 Abs. 1 S. 2; FEVG § 11
Auszüge:

Die Anordnung der Vorführung zur Anhörung gem. § 5 Abs. 1 S. 2 FEVG setzt stets eine vorherige, erfolglos gebliebende Ladung voraus; das gilt auch dann, wenn die Gefahr besteht, dass sich ein Ausländer durch Untertauchen dem Verfahren entzieht.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 Abs. 1 FGG) und hat auch in der Sache Erfolg. [...]

2. Die lngewahrsamnahme des Betroffenen am 1. September 2006 war rechtswidrig. Die gerichtlich angeordnete Vorführung des Betroffenen stand nicht im Einklang mit dem geltenden Gesetz.

a. Soweit die Kammer als Rechtsgrundlage für die amtsgerichtliche Anordnung § 5 Abs. 1 Satz 2 FreihEntzG benennt, lagen dessen Voraussetzungen nicht vor. Zwar bedurfte es entgegen dem Beschwerdevorbringen insoweit keines vorherigen Antrags des Beteiligten, weil die Vorführung keine Freiheitsentziehung im Sinne des § 3 Satz 1 FreihEntzG darstellt, sondern eine solche erst ermöglichen soll und zudem im Ermessen des Gerichts steht. Auch bedurfte es für die Wirksamkeit der Entscheidung nicht der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nach § 8 Abs. 1 Satz 2 FreihEntzG, da der Vorführungsbefehl nur mit der einfachen Beschwerde angefochten werden kann (vgl. Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, § 7 FreihEntzG Rn. 2), der formellen Rechtskraft deshalb nicht fähig ist und daher auch § 8 FreihEntzG, der an den Eintritt der formellen Rechtskraft anknüpft, nicht zur Anwendung gelangen kann. Es fehlte aber an einer erfolglos gebliebenen Ladung des Betroffenen, die nach § 5 Abs. 1 Satz 2 FreihEntzG der Vorführung vorzugehen hat. Soweit die Kammer der Ansicht ist, dass eine Vorladung dann ausnahmsweise entbehrlich ist, wenn davon auszugehen ist, dass gerade die Ladung zu einem Termin über die Anhörung zu einer beantragten Abschiebungshaft den Betroffenen veranlassen wird, sich dem Verfahren durch Untertauchen zu entziehen, kann dem nicht gefolgt werden. Eine solche Gefahr besteht allgemein, wenn ein Ausländer wegen einer beabsichtigten Freiheitsentziehung zur persönlichen Anhörung geladen wird. Gleichwohl hat der Gesetzgeber die vorherige Vorladung zum Termin über die mündliche Anhörung festgelegt, bevor das Gericht auf eine Vorführung des Betroffenen zurückgreifen kann (vgl. KG, BeckRS 2008 08822; Beschluss vom 30. September 2008, 1 W 225/07, bei juris; Beschluss vom 18. November 2008, 1 W 275/08, bei juris). Insbesondere auch der systematische Vergleich zu den strafprozessualen Vorschriften zeigt, dass der Gesetzgeber die mit einer Ladung zum Termin verbundenen Entziehungsgefahren auch gesehen hat. Eine dem § 134 StPO entsprechende Vorschrift findet sich aber im gesamten Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder des subsidiär geltenden Zivilprozessrechts nicht. Hierfür besteht auch kein echtes Bedürfnis, weil das Gericht bei Gefahr im Verzug die durch § 11 FreihEntzG eingeräumte Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung treffen kann. Ein weiterer Mangel des Vorführungsbefehls liegt darin, dass das Amtsgericht nicht zu erkennen gegeben hat, ob es sich seiner Pflicht zur Ermessensausübung bewusst gewesen ist. Nur so kann aber eine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darüber, ob dem Tatrichter bei der Ermessensausübung Mängel unterlaufen sind, ermöglicht werden.

b. Der Beschluss des Amtsgerichts war auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer einstweiligen Anordnung nach § 11 FreihEntzG rechtmäßig. Zwar wäre wegen der sich aus dem den Abschiebehaftbefehl vom 1. September 2006 betreffenden Verfahren (22 W 70/06, 22 W 17/07) ergebenden Erkenntnisse eine einstweilige Anordnung wegen des Vorliegens dringender Gründe für die Annahme der Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 5 AufenthG möglich gewesen. Hierfür wäre aber die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nach § 11 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 2 FreihEntzG erforderlich gewesen, die das Amtsgericht - aus seiner Sicht konsequent - unterlassen hat. [...]