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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 10.11.2009 - 1 C 24.08 - asyl.net: M16643
https://www.asyl.net/rsdb/M16643
Leitsatz:

1. Der für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG erforderliche Besitz einer Aufenthaltserlaubnis seit sieben Jahren setzt grundsätzlich voraus, dass die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen ebenso wie die nach § 102 Abs. 2 AufenthG anrechenbaren Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis oder Duldung nahtlos ineinander übergehen.

2. Die Vorschrift des § 85 AufenthG, nach der Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bis zu einem Jahr außer Betracht bleiben können, ist auch auf Unterbrechungen in Zeiten des Besitzes eines Aufenthaltstitels anwendbar.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Niederlassungserlaubnis, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, verspätet, Unterbrechung, rechtmäßiger Aufenthalt, Aufenthaltsverfestigung, Kindernachzug
Normen: AufenthG § 9 Abs. 2, AufenthG § 25 Abs. 4, AufenthG § 35 Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1, AufenthG § 26 Abs. 4, AufenthG § 85, AufenthG § 102 Abs. 2, AufenthG § 104 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der seit sieben Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt (Abschnitt 5: Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen) besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 9 AufenthG bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Gemäß § 102 Abs. 2 AufenthG wird auf die Frist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG die Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung vor dem 1. Januar 2005 angerechnet. Ferner wird gemäß § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG abweichend von § 55 Abs. 3 AsylVfG die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens auf die Frist angerechnet. Nach § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG kann für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, § 35 AufenthG entsprechend angewandt werden. [...]

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verfügte der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt auch über die nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderlichen vorangegangenen Zeiten eines solchen Titelbesitzes "seit sieben Jahren".

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings zunächst davon ausgegangen, dass mit der Voraussetzung des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis "seit sieben Jahren" grundsätzlich ein ununterbrochener Titelbesitz während dieses Zeitraums verlangt wird. Dies entspricht der bisherigen Auslegung vergleichbarer Formulierungen im Ausländergesetz 1990 (etwa in § 24 Abs. 1 AuslG; vgl. Urteile vom 24. Mai 1995 a.a.O. S. 320 und vom 22. Januar 2002 a.a.O. S. 355). Dass der Gesetzgeber mit dem Aufenthaltsgesetz trotz Verwendung der gleichen Formulierung insoweit etwas Abweichendes regeln wollte, ist nicht ersichtlich. An dem Erfordernis eines grundsätzlich durchgehenden Titelbesitzes ist deshalb - entgegen der Ansicht der Revision - auch im Rahmen von § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG festzuhalten (vgl. jetzt auch die neue Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009, GMBl. 2009, S. 878 zu 26.4.8 Abs. 2). Allerdings stehen dabei Zeiten, in denen der Ausländer zwar keinen Aufenthaltstitel besessen hat, er aber nach der vom Gericht inzident vorzunehmenden Prüfung einen Rechtsanspruch auf den Aufenthaltstitel gehabt hat, den Zeiten des Titelbesitzes gleich (vgl. Urteil vom 22. Januar 2002 a.a.O. S. 356).

Das Erfordernis eines grundsätzlich durchgehenden Titelbesitzes gilt auch im Rahmen der Anrechnung der Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung vor dem 1. Januar 2005 gemäß § 102 Abs. 2 AufenthG. Diese Anrechnungsvorschrift ist, auch wenn ihr Wortlaut nicht eindeutig erscheint, im Lichte der von § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG geforderten qualifizierten Aufenthaltszeit - in Gestalt eines ununterbrochen legalen Aufenthalts, dokumentiert durch den Besitz eines Aufenthaltstitels - und deren Sinn und Zweck auszulegen. Setzt schon die maßgebliche Anspruchsnorm einen ununterbrochenen Titelbesitz voraus, so spricht viel dafür, dass dieser Grundgedanke auch der Übergangsvorschrift für die Anrechnung von Zeiten des Titelbesitzes nach altemRecht zugrunde liegt (vgl. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 19. Mai 2008 - 11 S 942/08 - InfAuslR 2008, 300). Auch aus der Begründung des Gesetzentwurfs und dem dort angeführten Sinn und Zweck der Übergangsregelung ergibt sich, dass eine Anrechnung grundsätzlich nur bei ununterbrochenem Besitz der genannten Titel stattfinden soll. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs des Zuwanderungsgesetzes (BTDrucks 15/420 S. 100, zu § 102) ging es dem Gesetzgeber mit der Übergangsregelung darum, "die Ausländer nicht zu benachteiligen, die nach dem Aufenthaltsgesetz nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, jedoch nach dem Ausländergesetz - zum Teil seit vielen Jahren - lediglich eine Duldung erhielten“. Der Gesetzgeber wollte also sowohl die Duldungs- als auch die Aufenthaltsbefugniszeiten den Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis nach neuem Recht gleichstellen. Dass er darüber hinaus die Altfälle auch noch dadurch begünstigen wollte, dass er auf einen durchgehenden legalen - oder hier ausnahmsweise auch einen geduldeten - Aufenthalt, dokumentiert durch den Besitz eines entsprechenden Titels, verzichten wollte, lässt sich daraus nicht herleiten. Auch nach bisherigem Recht konnten grundsätzlich nur ununterbrochene Besitzzeiten der Aufenthaltsbefugnis zu einem unbefristeten Daueraufenthalt nach § 35 AuslG führen. Dass von diesem Erfordernis, das letztlich auch als Indiz für eine stabile Integration gilt, in den Übergangsfällen des § 102 Abs. 2 AufenthG abgesehen werden sollte, ist nicht ersichtlich. Für eine unterschiedliche Behandlung von Aufenthaltsbefugnis- und Duldungszeiten gibt die Vorschrift ebenfalls keinen Anhalt.

b) Ist danach erforderlich, dass die Zeiten des Besitzes einer Duldung oder Aufenthaltsbefugnis nach § 102 Abs. 2 AufenthG ebenso wie die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nahtlos ineinander übergehen, so liegt im Falle des Klägers in dem Zeitraum vom 18. bis 22. Dezember 2003 eine Unterbrechung dieser Zeiten vor, weil er vom Ablauf der befristeten Aufenthaltsbefugnis am 17. Dezember 2003 an bis zur Stellung seines Verlängerungsantrags am 22. Dezember 2003 weder einen Aufenthaltstitel noch eine Duldung besaß und auch nicht über eine gleichwertige Rechtsposition verfügte. Dies führt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts allerdings nicht zu einem Verfall der vorangegangenen Aufenthaltsbefugnis- oder Duldungszeiten, weil die Unterbrechung durch eine entsprechende Anwendung von § 85 AufenthG geheilt werden kann.

aa) Nach § 85 AufenthG können Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bis zu einem Jahr außer Betracht bleiben. Diese Vorschrift, die wörtlich der Vorgängervorschrift des § 97 AuslG 1990 entspricht, ist vorliegend für die Beurteilung der Unterbrechung maßgeblich, weil insoweit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 AufenthG nach der im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung geltenden Rechtslage zu beurteilen ist. Die Vorschrift erfasst zwar ihrem Wortlaut nach nur Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, ist aber nach Systematik, Sinn und Zweck der Regelung entsprechend auch auf Unterbrechungen in Zeiten des Titelbesitzes anwendbar. Dabei kann dahinstehen, ob bereits die Vorgängervorschrift in diesem erweiternden Sinne auszulegen war. Die Frage war, wie das Berufungsgericht im Einzelnen dargestellt hat, schon seinerzeit umstritten, ohne dass das Bundesverwaltungsgericht sich hierzu ausdrücklich geäußert hätte. Jedenfalls die Vorschrift des § 85 AufenthG ist dahingehend zu verstehen, dass sie auch Unterbrechungen in Zeiten des Titelbesitzes erfasst. Auch wenn die Vorschrift in ihrem Wortlaut nicht verändert worden ist, ist doch beachtlich, dass sie systematisch nicht mehr wie die Vorgängerregelung bei den Übergangsvorschriften, sondern bei den Vorschriften über das Verwaltungsverfahren in Kapitel 7 Abschnitt 3 des Aufenthaltsgesetzes eingeordnet worden ist. Zudem hat sie eine neue Überschrift erhalten; anstelle von "Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts" ist sie nunmehr mit "Berechnung von Aufenthaltszeiten" überschrieben. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber der Vorschrift eine allgemeine Wirkung beigemessen hat, was eher auf einen weiten Anwendungsbereich hindeutet. Für eine Erstreckung auf Unterbrechungen in Zeiten des Titelbesitzes spricht auch der Umstand, dass der Gesetzgeber selbst als einen von zwei Beispielsfällen für die Anwendung der Vorschrift den verspäteten Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung angeführt hat (BTDrucks 15/420 S. 97). Wenn er die Vorschrift in dem vergleichsweise häufiger vorkommenden Fall des Erfordernisses von Besitzzeiten des Aufenthaltstitels nicht für einschlägig gehalten hätte, hätte es nahegelegen, auf eine derart eingeschränkte Wirkung der Vorschrift bei verspäteter Antragstellung hinzuweisen.

Entscheidend spricht schließlich der Sinn und Zweck der Bestimmung für eine solche Auslegung. Sie soll es der Ausländerbehörde ermöglichen, im Rahmen ihres Ermessens Unterbrechungszeiten bis zu einem Jahr außer Betracht zu lassen und damit flexibel etwa auf unverschuldete oder auch nur geringfügige Unterbrechungen - auch im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - zu reagieren. Warum diese Flexibilität, insbesondere bei geringfügigen Bagatellunterbrechungen, nur der Berechnung von Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalts vorbehalten bleiben sollte, nicht aber die Berechnung von Besitzzeiten des Aufenthaltstitels ergreifen sollte, leuchtet nicht ein. Im Übrigen geht der Gesetzgeber auch sonst von einem grundsätzlichen Gleichklang der Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalts und des Besitzes eines Aufenthaltstitels aus, wenn er gerade in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 26 Abs. 4 AufenthG (BTDrucks 15/420 S. 80) darauf hinweist, dass die Wartezeit "von acht Jahren auf sieben Jahre verkürzt" wird, "um den unter dem Ausländergesetz bestehenden Wertungswiderspruch zu den Einbürgerungsvorschriften zu vermeiden: Nach § 35 Abs. 1 AuslG kann dem Ausländer, der seit acht Jahren eine Aufenthaltsbefugnis besitzt, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden; als Inhaber einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis hat er dann - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - unmittelbar einen Einbürgerungsanspruch nach § 85 Abs. 1 AuslG." Wenn der Gesetzgeber die Besitzzeiten des § 26 Abs. 4 AufenthG auf die Zeit des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Inland, wie sie für den Einbürgerungsanspruch - jetzt nach § 10 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) - erforderlich ist, in dieser Weise bezogen hat, spricht viel dafür, dass er auch die Frage der Unterbrechungszeiten gleichartig behandelt wissen wollte. Für den Achtjahreszeitraum nach § 10 StAG gilt aber gemäß § 12b Abs. 3 StAG, dass Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts außer Betracht bleiben, wenn sie darauf beruhen, dass der Ausländer nicht rechtzeitig die erstmals erforderliche Erteilung oder die Verlängerung des Aufenthaltstitels beantragt hat. Ein Gleichklang mit dieser Regelung ist nur gewahrt, wenn im Aufenthaltsgesetz die Vorschrift des § 85 AufenthG auch auf die erforderlichen Besitzzeiten eines Aufenthaltstitels nach § 26 Abs. 4 AufenthG angewandt und der Behörde damit im Rahmen ihres Ermessens eine Möglichkeit eröffnet wird, insbesondere geringfügige Unterbrechungen zu heilen. Dies entspricht im Übrigen auch der Auffassung, die der neuen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 zugrunde liegt (GMBl. 2009, S. 878 zu 26.4.8 Abs. 2 letzter Satz; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 24. Juli 2009 - 18 B 1661/08 - juris Rn. 31 ff., VGH Kassel, Beschluss vom 16. Juli 2007 - 11 TP 1155/07 - ZAR 2007, 332; Maaßen, in: Kluth u.a., Zuwanderungsrecht, § 4 Rn. 770; Hailbronner, AufenthG, Rn. 8 zu § 9, Rn. 22 zu § 26, Rn. 19 zu § 35).

bb) Ist danach § 85 AufenthG auch auf Unterbrechungen in Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG anwendbar, gilt dies entsprechend auch für Unterbrechungen in Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder einer Duldung nach § 102 Abs. 2 AufenthG. Auch wenn eine Duldung keinen rechtmäßigen Aufenthalt begründet, ist die Regelung des § 85 AufenthG nach ihrem Sinn und Zweck im Rahmen der Übergangsregelung des § 102 Abs. 2 AufenthG ausnahmsweise auch auf die Fälle anzuwenden, in denen Lücken zwischen Zeiten des Besitzes von Duldungen oder zwischen Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis und Duldungszeiten entstanden sind. Der Gesetzgeber des Aufenthaltsgesetzes hat nach der Verbesserung des Aufenthaltsrechts aus humanitären Gründen - etwa in Fällen eines zielstaatbezogenen Abschiebungsverbots nach § 25 Abs. 3 AufenthG - mit der Übergangsregelung in § 102 Abs. 2 AufenthG die vor dem 1. Januar 2005 erteilten Duldungen der Sache nach einer Aufenthaltsbefugnis gleichgestellt, um die früher auf eine Duldung angewiesenen Ausländer nicht zu benachteiligen (BTDrucks 15/420 S. 100). Es entspricht daher dem Sinn und Zweck der Regelung, in dieser besonderen Übergangssituation auch bei Anwendung von § 85 AufenthG Duldungszeiten nachträglich ausnahmsweise wie Aufenthaltsbefugniszeiten und damit wie Titelbesitzzeiten zu behandeln.

cc) Die hier streitige Unterbrechungszeit im Dezember 2003 bleibt danach in entsprechender Anwendung von § 85 AufenthG bei der Berechnung der anrechenbaren Zeiten einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung vor dem 1. Januar 2005 außer Betracht. Das der Behörde in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen ist angesichts des geringfügigen Zeitraums von nur vier Tagen zwischen dem Ablauf der Aufenthaltsbefugnis am Mittwoch, dem 17. Dezember 2003, und der Stellung des Verlängerungsantrags am Montag, dem 22. Dezember 2003, auf Null reduziert.

c) Dies hat zur Folge, dass zugunsten des Klägers auch die vor der Unterbrechung liegenden durchgehenden Duldungs- und Aufenthaltsbefugniszeiten, über die er jedenfalls seit der Feststellung eines Abschiebungsverbots durch das Bundesamt am 3. März 2003 verfügte, nach § 102 Abs. 2 AufenthG anzurechnen sind. Bei Berücksichtigung dieser Zeiten und der ebenfalls anzurechnenden Zeit des vorangegangenen Asylverfahrens nach § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG war der Kläger im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung am 16. September 2008 bereits seit sieben Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Denn zu den Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, die dem Kläger vom 1. Januar 2005 bis zur Berufungsentscheidung zustand, kommen die Zeiten des Besitzes einer Duldung und einer Aufenthaltsbefugnis oder einer gleichwertigen Rechtsposition vom 4. März 2003 bis zum 31. Dezember 2004 hinzu, abzüglich der Unterbrechungszeit von vier Tagen im Dezember 2003. Dabei kann dahinstehen, ob dem Kläger von der Stellung des Verlängerungsantrags am 22. Dezember 2003 an bis zum 31. Dezember 2004 ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach der damaligen landesrechtlichen Erlasslage zustand, da diese Zeit wegen der ihm von der Beklagten erteilten Bescheinigung über den Wegfall der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht jedenfalls der Zeit des Besitzes einer Duldung gleichsteht und schon deshalb nach § 102 Abs. 2 AufenthG anzurechnen ist. Ferner ist nach § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG die Zeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens auf die Frist anzurechnen. Darunter fällt auch das Asylverfahren, das - wie hier - der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung vorangegangen ist, die nach § 102 Abs. 2 AufenthG anzurechnen ist. Im Fall des Klägers, der zwei Verfahren vor dem Bundesamt durchgeführt hat, kann dahinstehen, welches dieser Verfahren anzurechnen ist. Denn auch bei Berücksichtigung nur des zweiten, kürzeren Verfahrens, das vom 11. September 2001 bis zur Zuerkennung von Abschiebungsschutz durch das Bundesamt nach § 53 Abs. 6 AuslG mit Bescheid vom 3. März 2003 gedauert hat, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung insgesamt ein anrechenbarer Zeitraum von sieben Jahren erreicht (durchgehende anrechnungsfähige Zeiten oder Titelbesitzzeiten ab 11. September 2001 bis 16. September 2008 abzüglich der 4-tägigen Unterbrechungszeit). Der Umstand, dass es sich bei dem zweiten Verfahren vor dem Bundesamt nicht um ein auf Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung gerichtetes Verfahren handelte, sondern nur um ein Wiederaufgreifensverfahren zu Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG (jetzt § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG), steht nach Auffassung des Senats einer Anrechnung der Zeit im Rahmen von § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG nicht entgegen. Denn nach Sinn und Zweck der Vorschrift spricht auch angesichts der Aufwertung des subsidiären Schutzes durch das Aufenthaltsgesetz und die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (Qualifikationsrichtlinie) viel dafür, sämtliche Verfahren vor dem Bundesamt, in denen um Schutz nach Art. 16a Abs. 1 GG oder § 60 AufenthG nachgesucht wird, als Asylverfahren im Sinne dieser Bestimmung anzusehen und grundsätzlich jeweils das letzte Verfahren vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen anzurechnen. Gerade im Fall des Klägers wäre es nur schwer verständlich, warum das unmittelbar zum humanitären Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 3 AufenthG führende Verfahren vor dem Bundesamt nicht auf die Frist nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG angerechnet werden sollte.

2. Erfüllt der Kläger danach entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die zeitlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG, ist das Verfahren zur Prüfung der weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts kann der Senat hierüber nicht selbst abschließend entscheiden.

a) Allerdings wird das Berufungsgericht dabei nicht auf die erleichterten Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 35 AufenthG abstellen können. Nach § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG kann für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres eingereist sind, § 35 AufenthG entsprechend angewandt werden. Damit sollte Kindern mit einem humanitären Aufenthaltsrecht unter den gleichen Voraussetzungen die Aufenthaltsverfestigung ermöglicht werden, wie sie bei Kindern gelten, die einen zum Zweck der Familienzusammenführung erteilten Aufenthaltstitel besitzen (BTDrucks 15/420 S. 80). Dies bedeutet, dass die Kinder mit humanitärer Aufenthaltserlaubnis die entsprechenden Voraussetzungen für eine Aufenthaltverfestigung erfüllen müssen, wie sie für Kinder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen in § 35 AufenthG gefordert werden. Das ist bei dem Kläger indes nicht der Fall. Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfüllt der im Alter von 12 Jahren eingereiste Kläger nicht, weil er nicht - wie erforderlich - im Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen war. Aber auch die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG liegen bei ihm nicht vor. Diese Bestimmung setzt u.a. voraus, dass der Ausländer volljährig und seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist (Nr. 1). Sie sieht damit die privilegierte Erteilung einer Niederlassungserlaubnis auch an volljährig gewordene Kinder vor, erfasst aber, wie sich aus einer Zusammenschau mit Satz 1 und der Gesamtregelung des Kindernachzugs in diesem Abschnitt ergibt, nach ihrem Sinn und Zweck nur die Fälle, in denen eine schon während der Minderjährigkeit erteilte Aufenthaltserlaubnis wegen Ablaufs des Fünfjahreszeitraums erst nach Eintritt der Volljährigkeit zu einem Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis führt. Die Aufenthaltserlaubnis, die die Grundlage für die spätere Verfestigung des Aufenthalts bildet, muss also dem minderjährigen Kind erteilt worden sein, allenfalls der Ablauf des Fünfjahreszeitraums kann nach Eintritt der Volljährigkeit liegen (vgl. Marx, in: GK AufenthG, Stand Juni 2008, § 35 Rn. 68, 72). Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der privilegierten Aufenthaltsverfestigung für Kinder. Verlangt aber § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, dass die Aufenthaltserlaubnis zum Kindernachzug dem Minderjährigen erteilt worden ist, so muss dies - übertragen auf die humanitäre Aufenthaltserlaubnis - auch bei entsprechender Anwendung der Vorschrift nach § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG gelten. Selbst wenn man hierbei nicht auf die erste Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz ab Januar 2005 abstellen, sondern zugunsten des Klägers den Beginn der Duldungs- und Aufenthaltsbefugniszeiten im Sinne von § 102 Abs. 2 AufenthG als maßgeblich ansehen würde (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 29. Mai 2007 - 11 S 2093/06 - AuAS 2007, 179 Rn. 13; Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz a.a.O. zu 35.1.1.3.7), läge dieser erst nach Eintritt seiner Volljährigkeit im August 1998.

b) Das Berufungsgericht wird deshalb prüfen müssen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 9 Abs. 2 AufenthG vorliegen. Hinsichtlich der Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG könnte es darauf ankommen, ob der Kläger sich auf die Übergangsregelung des § 104 Abs. 2 Satz 2 AufenthG berufen kann. Danach gilt dieses Erfordernis nicht, wenn der Kläger vor dem 1. Januar 2005 im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis war. Hierbei wäre gegebenenfalls zu klären, ob der Kläger vor dem 1. Januar 2005 - also bis zum 31. Dezember 2004 - einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach altem Recht hatte, der nach der Rechtsprechung des Senats dem Besitz einer Aufenthaltsbefugnis gleichstehen würde. Ebenso wird zu klären sein, ob die inzwischen erfolgte rechtskräftige Verurteilung des Klägers zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen im April 2009 der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis mit Blick auf § 9 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG entgegensteht. [...]