VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 08.12.2009 - 3 B 2830/09 - asyl.net: M17115
https://www.asyl.net/rsdb/M17115
Leitsatz:

Auch daueraufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige (§38a AufenthG) unterliegen der Arbeitsmarktprüfung (§ 39 AufenthG, §§ 17 ff. BeschV).

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Daueraufenthaltsberechtigte, Drittstaatsangehörige, Arbeitserlaubnis, Arbeitsgenehmigung, Vorrangprüfung, Spanien, Ghana, Abschiebungsandrohung, Zielstaatsbezeichnung
Normen: AufenthG § 38a, AufenthG § 18 Abs. 3, AufenthG § 18 Abs. 2, RL 2003/109/EG Art. 14, RL 2003/109/EG Art. 15, AufenthG § 39
Auszüge:

[...]

Soweit die Bevollmächtigte des Antragstellers im Weiteren meint, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei rechtsfehlerhaft, weil es den Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG ausschließlich unter Verweis auf § 18 Abs. 3 AufenthG ohne Durchführung einer individuellen Arbeitsmarktprüfung und ohne Einschaltung der Bundesagentur für Arbeit verneint habe, obgleich § 38a Abs. 3 AufenthG nur auf § 18 Abs. 2 AufenthG verweise und obgleich der Antragsteller drei Stellenangebote im Reinigungsgewerbe vorgelegt habe, rechtfertigt dies im Ergebnis keine andere Entscheidung in der Sache.

Zwar ist der Bevollmächtigten des Antragstellers darin zu folgen, dass die Verweisung in § 38a Abs. 3 AufenthG auf § 18 Abs. 2 AufenthG die Schlussfolgerung nahelegt, die weiteren Absätze des § 18 AufenthG sollten für daueraufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige, deren Aufenthaltsstatus durch § 38a AufenthG erfasst wird, keine Anwendung finden. Im Ergebnis kann die Beantwortung dieser Frage jedoch dahin stehen, da auch durch die in § 18 Abs. 2 AufenthG in Bezug genommenen Normen die arbeitsmarktpolitischen Restriktionen, die sich aus § 18 Abs. 3 AufenthG in Verbindung mit den Regelungen der Verordnung über die Zulassung von neu einreisenden Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung (Beschäftigungsverordnung - BeschV) vom 22. November 2004 (BGBI. 1 S. 2937) ergeben, zur Anwendung kommen.

Durch die Einführung des § 38a AufenthG werden die Art. 14 und 15 der Richtlinie 2003/1 09/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABI. Nr. L 16/44 vom 23.1.2004) umgesetzt. Gemäß Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2003/109/EG kann sich ein langfristig Aufenthaltsberechtigter aus folgenden Gründen in einem zweiten Mitgliedsstaat aufhalten:

a) Ausübung einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit,

b) Absolvierung eines Studiums oder einer Berufsausbildung

c) für sonstige Zwecke

Gemäß Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2003/109/EG können in Fällen der Ausübung einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit nach Abs. 2 Buchst. a) die Mitgliedsstaaten eine Arbeitsmarktprüfung durchführen und hinsichtlich der Anforderungen für die Besetzung einer freien Stelle bzw. hinsichtlich der Ausübung einer solchen Tätigkeit ihre nationalen Verfahren anwenden.

Dabei ist der Bevollmächtigten des Antragstellers zwar beizupflichten, dass § 38a Abs. 3 lediglich § 18 Abs. 2 AufenthG in Bezug nimmt, jedoch erfolgt auch nach § 18 Abs. 2 AufenthG eine Arbeitsmarktprüfung nicht losgelöst von den sonstigen für die Bundesagentur für Arbeit erlassenen Vorschriften und Beschränkungen. Dabei kann gemäß § 18 Abs. 2 AufenthG einem Ausländer ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung nach § 42 oder zwischenstaatliche Vereinbarungen bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist, wobei Beschränkungen bei der Erteilung der Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit in den Aufenthaltstitel zu übernehmen ist. Durch die Verweisung auf § 39 AufenthG wird, unabhängig von einer Anwendbarkeit des § 18 Abs. 3 AufenthG, der Weg geöffnet zu den im Übrigen für die Bundesagentur für Arbeit erlassenen Regelungen hinsichtlich einer Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung. Gemäß § 39 Abs. 1 AufenthG kann ein Aufenthaltstitel, der einem Ausländer die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt, nur mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erteilt werden, soweit durch Rechtsverordnung nicht etwas anderes bestimmt ist. Die Rechtsverordnung, auf die in § 39 Abs. 1 AufenthG abgestellt wird, ist die aufgrund von § 42 AufenthG erlassene Beschäftigungsverordnung. In dem hier einschlägigen zweiten Abschnitt der Beschäftigungsverordnung ist die Zustimmung zu Beschäftigungen, die keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzen - der Antragsteller möchte als Hotelreinigungskraft arbeiten - geregelt. Gemäß § 17 Abs. 1 BeschV kann die Bundesagentur für Arbeit der Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zwecke der Beschäftigung, die keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, nur nach den Vorschriften dieses Abschnitts gemäß § 39 des Aufenthaltsgesetzes zustimmen. In den §§ 18 bis 24 BeschV sind sodann einzelne Beschäftigungstatbestände erfasst, zu denen die Bundesagentur für Arbeit eine Zustimmung erteilen kann. Da die angestrebte Tätigkeit des Antragstellers nicht zu den Beschäftigungen zählt, für die die Bundesagentur für Arbeit nach der Systematik der Beschäftigungsverordnung überhaupt eine Zustimmung erteilen darf, sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG bereits aus diesem Grund ausgeschlossen. Insoweit gelten mithin für daueraufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige hinsichtlich der Arbeitsmarktprüfung keine anderen Regelungen, als dies für nicht daueraufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige der Fall ist, wobei es sich bei den Regelungen der Beschäftigungsverordnung hinsichtlich der Zustimmung zu einer Beschäftigung ohne qualifizierte Berufsausbildung (§§ 17 ff. BeschV) um abstrakt generalisierende Arbeitsmarktprüfkriterien handelt.

Dies steht auch im Einklang mit der Richtlinie 2003/109/EG, da es nach deren Art. 14 Abs. 3 den Mitgliedsstaaten unbenommen ist, eine Arbeitsmarktprüfung durchzuführen. Aus dem Richtlinientext kann auch nicht zwingend entnommen werden, die Arbeitsmarktprüfung müsse in jedem Fall individuell, mithin nicht nach im Vorhinein festgelegter, antizipierter und abstrakter Vorgaben erfolgen. Die Regelungen der Beschäftigungsverordnung stellen in dem hier interessierenden Bereich eine derartige abstrakte Arbeitsmarktprüfung dar, die mit Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2003/109/EG in Einklang stehen.

Die von der Antragsgegnerin erlassene Abschiebungsandrohung ist entgegen den Ausführungen der Bevollmächtigten des Antragstellers insbesondere nicht hinsichtlich des dort bezeichneten Abschiebezielstaates Ghana zu beanstanden. Zwar bestimmt Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2003/109/EG, dass, soweit der erste Mitgliedsstaat dem Drittstaatsangehörigen den Aufenthaltstitel entzieht oder versagt, der erste Mitgliedsstaat den langfristig Aufenthaltsberechtigten und seine Familienangehörigen unverzüglich und ohne Formalitäten zurücknimmt, wobei der zweite Mitgliedsstaat dem ersten Mitgliedsstaat seine Entscheidung mitteilt. Dies besagt jedoch nichts darüber, ob nicht - auch - eine Abschiebung in das Herkunftsland des Drittstaatsangehörigen zulässig ist. Wird von dem zweiten Mitgliedstaat eine Abschiebung in das Herkunftsland des Drittstaatsangehörigen betrieben, ist es Sache des Drittstaatsangehörigen gegebenenfalls seine Rückübernahme in den ersten Mitgliedstaat (hier: Spanien) zu betreiben, und damit eine Abschiebung in den Herkunftsstaat (hier: Ghana) obsolet zu machen. [...]