LSG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.05.2010 - L 1 BK 1/10 B - asyl.net: M17139
https://www.asyl.net/rsdb/M17139
Leitsatz:

Zum Ausschluss von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG vom Kinderzuschlag (hier: Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG).

Schlagwörter: Kinderzuschlag, Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, SGB II, Schutz von Ehe und Familie, Sozialstaatsprinzip, allgemeiner Gleichheitssatz, Asylbewerberleistungsgesetz
Normen: BKGG § 6a, AufenthG § 25 Abs. 5, AsylbLG § 1 Abs. 1 Nr. 3, SGB II § 9, GG Art. 3 Abs. 1, GG Art. 6 Abs. 1, GG Art. 20 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Der Kläger ist armenischer Staatsangehöriger und nach eigenen Angaben Besitzer einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Damit ist er gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG dem Grunde nach nach diesem Gesetz leistungsberechtigt und gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II von dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Ein Anspruch auf Kinderzuschlag setzt gemäß § 6 a Abs. 1 Nr. 4 BKGG voraus, dass durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird. Grundvoraussetzung dafür, dass Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird ist, dass der Anspruchsteller in das Leistungssystem des SGB II fällt, also Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld sein könnte (Schnell, in: Estelmann, SGB II, § 6 a BKGG Rdnr. 52 m. w. N.). Dies ist beim Kläger nicht der Fall. Auch ohne die Bewilligung von Kinderzuschlag wäre der Kläger unter keinem Gesichtspunkt nach dem SGB II anspruchsberechtigt.

Auf Personen, die bereits dem Grunde nach vom Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen sind, kann § 6 a BKGG - auch wenn Anspruch auf Kindergeld besteht - nicht entsprechend angewandt werden. Der Gesetzgeber wollte Asylbewerber von der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II ausnehmen, weil das AsylbLG für sie eine eigenständige und abschließende Regelung zur Sicherung des Lebensunterhaltes trifft (BT-Drucksache 15/1516 S. 52). Zweck des § 6 a BKGG ist, zu verhindern, dass Eltern nur wegen der Unterhaltsbelastung für ihre mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder Arbeitslosengeld II und Sozialgeld in Anspruch nehmen müssen (BT-Drucksache 15/1516 S. 83). Mithin greift der Zweck des § 6 a BKGG für Asylbewerber von vornherein nicht.

Der Ausschluss der Asylbewerber vom Kinderzuschlag verstößt nicht gegen Verfassungsbestimmungen, insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit den grundrechtlich geschützten Belangen der Familie nach Artikel 6 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG). Es steht im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, für Asylbewerber ein eigenes Konzept zur Sicherung ihres Lebensbedarfes zu entwickeln und dabei eigenständige Regelungen über die Gewährung von Leistungen zu treffen, wie dies durch das AsylbLG geschehen ist. Mit der Schaffung dieses Gesetzes sollte eine Verminderung der Sozialausgaben für Asylbewerber und vergleichbare Gruppen einhergehen. Ist dieses Konzept grundsätzlich hinnehmbar, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, Vergünstigungen, die der Vermeidung der Inanspruchnahme von Sozialleistungen eines anderen Sicherungssystems dienen, auch auf die Asylbewerber, die dem AsylbLG unterfallen, zu erstrecken (so LSG NRW, Urteil vom 02.02.2009 - L 19 AS 52/08 m. w. N. auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung; vgl. auch LSG NRW, Beschluss vom 14.12.2007 - L 19 B 25/07 AL).

Die Rechtslage ist nicht außerhalb des PKH-Verfahrens in einem Hauptsacheverfahren klärungsbedürftig. Allerdings liegt noch keine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage des Ausschlusses von Asylbewerbern vom Kinderzuschlag nach § 6 a BKGG vor. Das BSG (Beschluss vom 28.10.2009 - B 14 KG 1/09 B) hat die Frage ausdrücklich offen gelassen, da es im zu entscheidenden Fall auf deren Beantwortung nicht ankam. Die Zulassung der Revision durch das LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 02.02.2009 - L 19 AS 52/08) und die Anhängigkeit der Rechtsfrage beim Bundessozialgericht (B 14 KG 1/09 R) begründen hinreichende Erfolgsaussichten nicht, weil die Antwort auf die streitige Rechtsfrage sich aus dem Gesetz eindeutig ergibt. Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II kann nur vermieden werden, wenn diese hypothetisch eintreten könnte; ist der Eintritt der Hilfebedürftigkeit im Sinne dieser Vorschrift ausgeschlossen, kann sie nicht durch die Zahlung des Kinderzuschlags vermieden werden (ebenso Schnell, in: Estelmann, SGB II, § 6 a BKGG Rdnr. 52; Kühl, in: Hambüchen, BEEG/EStG/BKGG § 6 a BKGG Rdnr. 25, 26). [...]