OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.07.2010 - 8 A 1581/09.A - asyl.net: M17301
https://www.asyl.net/rsdb/M17301
Leitsatz:

Berufungszulassung wegen Verletzung rechtlichen Gehörs durch Überraschungsentscheidung: Die Klägerin musste nicht damit rechnen, dass in der Vorinstanz (VG Minden) ihre exilpolitischen Aktivitäten dahingehend bewertet würden, dass eine hinreichende Verfolgungsgefahr fehlt, weil "zumindest theoretisch" die Möglichkeit bestehe, dass sie als Spitzel mit dem äthiopischen Sicherheitsdienst zusammenarbeite und nur zum Schein exilpolitisch tätig geworden sei. Hierfür sind keine Anhaltspunkte erkennbar.

Schlagwörter: Berufungszulassung, rechtliches Gehör, Überraschungsentscheidung, Äthiopien, Exilpolitik, Spitzel
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3, VwGO § 138 Nr. 3
Auszüge:

[...]

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat Erfolg.

Die Berufung ist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO wegen Versagung rechtlichen Gehörs zuzulassen. Das angegriffene Urteil stellt für die Klägerin eine Überraschungsentscheidung dar. [...]

Das ist hier der Fall. Mit der Würdigung, dass ihre exilpolitischen Aktivitäten nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer politischen Verfolgung begründen, weil "zumindest theoretisch" die Möglichkeit bestehe, dass sie mit einem äthiopischen Sicherheitsdienst zusammenarbeite und nur zum Schein exilpolitisch tätig geworden sei, musste die Klägerin nach dem gesamten Prozessverlauf nicht rechnen. Weder hatte das Bundesamt diesbezügliche Zweifel geäußert, noch waren im gerichtlichen Verfahren Anhaltspunkte zutage getreten, die bei objektiver Betrachtung auf eine Spitzeltätigkeit der Klägerin hindeuteten. Dass die Klägerin nicht über äthiopische Ausweispapiere verfügt und vage Angaben zu ihrem bisherigen Wohnsitzen gemacht hat, ist in diesem Zusammenhang ersichtlich unerheblich. Mit seiner Bewertung des klägerischen Vorbringens hat das Verwaltungsgericht dem Verfahren eine Wendung gegeben, mit der die Klägerin nicht rechnen musste. [...]