OLG Braunschweig

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Zitieren als:
OLG Braunschweig, Beschluss vom 10.11.2010 - 6 W 10/10, 6 W 11/10 - asyl.net: M17875
https://www.asyl.net/rsdb/M17875
Leitsatz:

Ein die Festnahme anordnender Beschluss ist vom Amtsgericht mit Zustellungswillen bekanntzugeben. Eine ordnungsgemäße Bekanntgabe liegt nicht in der Gewährung von Akteneinsicht an den Prozessbevollmächtigten, auch wenn sich in der Akte der Beschluss befindet.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Sicherungshaft, Frist, Heilung, Zustellung, Bekanntgabe, Akteneinsicht, Zuständigkeit, örtliche Zuständigkeit, Erledigung der Hauptsache
Normen: FGG § 22 Abs. 1 S. 1, FGG § 16 Abs. 2 S. 1, ZPO § 189, FEVG § 10
Auszüge:

[...]

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die sofortige Beschwerde nicht verfristet. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass der genannte Beschluss dem Betroffenen weder bei seiner Festnahme am 2. Juli 2009 noch bei seiner Anhörung am 3. Juli 2009 im Sinne der §§ 22 Abs. 1 S. 1, 16 Abs. 2 S. 1 FGG bekannt gegeben worden ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann aber der Beschluss nicht "spätestens am 30. Juli 2009" als zugestellt gelten, weil der Prozessbevollmächtigte aufgrund der ihm gewährten Akteneinsicht den entsprechenden Beschluss im Original eingesehen und die Akte zu dem genannten Datum an das Amtsgericht Braunschweig zurückgesandt hat. Dieser Vorgang stellt keine Heilung einer nicht erfolgten Zustellung im Sinne der §§ 189 ZPO, 22 Abs. 1 S. 1, 16 Abs. 2 S. 1 FGG dar. Denn § 189 ZPO setzt voraus, dass die Zustellung des Dokuments, also des - längst erledigten - Beschlusses vom 2. Juli 2009, vom Veranlasser, also dem Amtsrichter, beabsichtigt, jedenfalls angeordnet und in die Wege geleitet sein muss (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 30. Auflage, § 189 Rn. 7 m.w.N.). Vorliegend ist jedoch die Akte allein auf entsprechenden Akteneinsichtsantrag - und nur zu diesem Zweck - dem Prozessbevollmächtigten routinemäßig übersandt worden, ohne dass hierbei die Zustellung des - längst erledigten, weil längst nicht mehr vollzogenen - Beschlusses, der lediglich die frühere einstweilige Anordnung betraf, irgendeine Rolle spielte, so dass der erforderliche Zustellungswille fehlte. Damit konnte der Prozessbevollmächtigte gegen den ihm gegenüber weder bekanntgemachten noch zugestellten Beschluss auch noch am 14. Oktober 2009 wirksam die sofortige Beschwerde einlegen, da bislang die Rechtsmittelfrist noch nicht in Gang gesetzt worden war. [...]