1. Beruft sich die Ausländerbehörde gegenüber dem Ausländer oder dem Gericht ausdrücklich darauf, dass eine Abschiebung (derzeit) nicht möglich ist und der Ausländer deshalb nicht damit rechnen muss, ist die Ausländerbehörde zwingend gehalten, auf eine dem Ausländer nicht bekannte Änderung dieser Umstände ausdrücklich rechtzeitig hinzuweisen.
2. Dem Anspruch minderjähriger Kinder aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK können die Straftaten des Vaters nicht entgegen gehalten werden. Sie dürfen nicht gleichsam als "Waffe" missbraucht werden, um den Vater zur Kooperation hinsichtlich seines aufenthaltsrechtlichen Status zu zwingen.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Der Abschiebungsschutzantrag der Antragsteller nach § 123 VwGO hat Erfolg. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt voraus, dass die Antragsteller die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sogenannten Anordnungsgrund, und einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Die Antragsteller haben sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft dargelegt.
1. Der von den Antragstellern gestellte Antrag war nach § 88 VwGO sachgerecht auszulegen, um eine vorläufige Regelung zu treffen; die von der Bevollmächtigten gestellten Anträge beinhalten nämlich die Gefahr, von Dauer zu sein. Deshalb sind die Antragsteller gehalten, ihren ausländerrechtlichen Status durch entsprechende Anträge zu klären; nur bis zu deren endgültigen Verbescheidung waren Abschiebungsmaßnahmen zu untersagen. Um Verzögerungen zu verhindern, war für die Antragstellung eine Frist zu setzen.
2. Ein Anordnungsgrund liegt vor. Die Antragsteller sind vollziehbar ausreisepflichtig, die Abschiebungsandrohung ist rechtswirksam. Zwar war der von der aserbaidschanischen Botschaft ausgestellte Passersatz für die Antragsteller (nur) gültig vom 13.04.2011 bis 13.05.2011, ist also nunmehr abgelaufen, so dass eine Abschiebung bis zur erneuten Ausstellung von Heimreisedokumenten nicht unmittelbar bevorsteht. So führte der Antragsgegner bereits im Eilverfahren 2 E 114/11 Me auch aus, dass ein Anordnungsgrund fehlte, da mangels Heimreisedokumenten weder ein Abschiebungstermin für die Antragsteller feststünde noch dieser in Planung sei, woraufhin die Antragsteller ihren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurücknahmen und das Verfahren durch das Gericht ohne Entscheidung in der Sache eingestellt wurde. Da der Antragsgegner damals aber die Ausstellung neuer Heimreisedokumente beantragte und die Abschiebung sofort einleitete, nachdem diese vorlagen, muss mit der gleichen Vorgehensweise des Antragsgegners gerechnet werden, so dass die Antragsteller jederzeit mit der Abschiebung rechnen müssen, ohne dass sie Gelegenheit haben, zuvor um ausreichenden Rechtsschutz nachzusuchen.
3. Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft dargelegt. Die Abschiebung ist nach § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auszusetzen, da ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit vorliegt.
3.1 Wie der Antragsgegner zu Recht ausführt, ergibt sich kein Anspruch der Antragsteller zu 3) und 4) - und damit auch für die Antragsteller zu 1) und 2) - aus § 33 AufenthG, da der Vater nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist. Die Erteilung einer Duldung lässt die Ausreisepflicht nach § 60 a Abs. 3 AufenthG unberührt; lediglich die Abschiebung ist ausgesetzt.
3.2 Ein Anordnungsanspruch für die Antragsteller ergibt sich aber unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes aus dem Schreiben des Antragsgegners vom 01.03.2011 im Verfahren 2 E 114/11 Me sowie dem nachfolgenden Verhalten des Antragsgegners. Beruft sich die Ausländerbehörde gegenüber dem Ausländer oder dem Gericht ausdrücklich darauf, dass eine Abschiebung (derzeit) nicht möglich ist und der Ausländer deshalb nicht damit rechnen muss, ist die Ausländerbehörde zwingend gehalten, auf eine dem Ausländer nicht bekannte Änderung dieser Umstände ausdrücklich so rechtzeitig hinzuweisen, dass gegen eine nunmehr drohende Abschiebung Rechtsschutz in Anspruch genommen werden kann. Andernfalls erweist sich eine Abschiebungsmaßnahme schon allein unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes als rechtswidrig. So ist es hier.
Nach Ablehnung des Antrags im Härtefallverfahren im Februar 2011 mussten die Antragsteller jederzeit mit ihrer Abschiebung rechnen. Folgerichtig ließen sie beim Verwaltungsgericht Rechtsschutz im einstweiligen Verfahren beantragen. Diesen Antrag nahmen sie nur auf Grund des Schreibens des Antragsgegners vom 01.03.2011 zurück, in dem dieser ausführte, dass für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz ein Anordnungsgrund fehlte, weil das letzte Passersatzdokument der Antragsteller nur bis zum 10.12.2010 gültig gewesen sei. Ein Antrag auf Ausstellung neuer Passersatzdokumente sei am 22.02.2011 gestellt worden. Wann diese ausgestellt würden, sei nicht bekannt. Deshalb stünde ein Abschiebungstermin für die Antragsteller weder fest noch sei er in Planung. Eine Planung bzw. Einleitung der Abschiebung erübrige sich, solange keine Passersatzdokumente vorlägen. Hierdurch gab der Antragsgegner zu erkennen, dass Abschiebungsmaßnahmen für einen längeren, nicht abzusehenden Zeitraum nicht bevorstanden und damit auch weder die Veranlassung bestand, noch die Voraussetzung vorlag, bis zur Vorlage der entsprechenden Dokumente um Rechtsschutz hinsichtlich der (zeitlich ungewissen) Abschiebung nachzusuchen. Konsequenterweise nahmen die Antragsteller ihren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurück ohne aber gleichzeitig auf Rechtsschutzmöglichkeiten verzichten zu wollen. Es lag offenkundig auf der Hand, dass die Antragsteller jedenfalls Rechtsschutz hinsichtlich der zukünftigen Abschiebung beantragen wollten. Die Antragsteller mussten jedoch davon ausgehen, dass ein Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mangels Anordnungsgrund abgelehnt werden würde, solange keine Passersatzdokumente vorliegen. Damit wäre der Antragsgegner gehalten gewesen, die Antragsteller oder ihre Bevollmächtigte über den Eingang der Passersatzdokumente zu informieren. Wäre dies erfolgt, wären die Antragsteller zeitlich in der Lage gewesen, vor Durchführung der Abschiebemaßnahme Rechtsschutz zu beantragen. Warum die Antragsteller oder ihre Bevollmächtigte nicht rechtzeitig informiert wurden, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, da es sich bei den Antragstellern um eine unbescholtene Mutter mit 3 minderjährigen Kindern handelt, die sich erkennbar einer vorherigen Abschiebung nicht durch Untertauchen entzogen haben.
Dass die Antragsteller darauf vertrauen durften, rechtzeitig über den Abschiebungstermin informiert zu werden, ergibt sich auch aus dem Schreiben vom 16.03.2011, mit dem der Antragsgegner den Antrag, die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 1) zu überprüfen, mit dem Argument ablehnte, dass dies ohne Existenz von Passersatzdokumenten nicht in Frage käme. Dies erweckt den Eindruck, dass eine Überprüfung in Betracht kommt, sobald diese Dokumente vorliegen. Auch die Formulierung im Schreiben vom 16.03.2011, nach Vorlage der Dokumente werde in Absprache mit der Zentralen Abschiebestelle der genaue Verfahrensweg abgestimmt, steht dem Vertrauensschutz nicht entgegen. Vielmehr hätte der Antragsgegner auf den weiteren Antrag der Bevollmächtigten mit Schreiben vom 21.03.2011, nach Erhalt der Passersatzdokumente eine erneute ärztliche Untersuchung der Antragstellerin zu 1) durchzuführen, weil sich der Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 1) erheblich verschlechtert habe, reagieren müssen. Gerade weil er nicht reagierte, durften die Antragsteller weiterhin davon ausgehen, rechtzeitig informiert zu werden. Und dennoch leitete der Antragsgegner, nachdem die erforderlichen Heimreisedokumente vorlagen, die Abschiebemaßnahmen im April 2011 ein, ohne die Antragsteller hiervon zu unterrichten und ihnen die Möglichkeit zu geben, nunmehr Rechtsschutz im einstweiligen Verfahren beantragen zu können. Dies stellt einen Verstoß gegen Vertrauensschutzgrundsätze dar, da das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG unterlaufen würde.
3.3 Dessen ungeachtet hat die Antragstellerin zu 1) auch glaubhaft gemacht, dass derzeit auf Grund ihrer Suizidgefährdung die Abschiebung rechtlich unmöglich ist und damit ein Abschiebungshindernis besteht. [...] In derartigen Situationen ist sicher zu stellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Heimatland zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer wie bei der allgemeinen medizinischen Versorgung auch in diesem Zusammenhang regelmäßig auf den allgemein üblichen Standard der Möglichkeiten in seinem Heimatland zu verweisen ist (OVG Münster, B. v. 27.07.2006, a.a.O.).
Diesen Anforderungen ist der Antragsgegner nicht nachgekommen. Er hat einerseits weder das Krankheitsbild (psychische Störung) und die sich mögliche realisierende Gefahr (Suizid) fundiert und genau erfasst, andererseits nicht ausreichend dargestellt, welche konkrete Maßnahme getroffen werden soll, um dieser Gefahr zu begegnen. Der Antragsgegner hat hinsichtlich der Antragstellerin zu 1) eine nicht näher geprüfte Suizidgefahr unterstellt und eine Flugbegleitung bis zur Landung in Baku durch einen Arzt und Sicherheitsbeamte der Bundespolizei angeordnet, ohne zu prüfen, ob diese Vorsorgemaßnahmen geeignet sind, dass die (Suizid-) Gefahr unmittelbar nach Ankunft in Baku nicht realisiert wird. Der Antragsgegner wäre gehalten gewesen, den Sachverhalt umfassend aufzuklären, um die gegebenenfalls erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Zur Beurteilung des Krankheitsbildes der Antragstellerin zu 1), also deren Reisefähigkeit, und der damit verbundenen Suizidgefahr stützt sich der Antragsgegner - wie bereits bei dem Abschiebungsversuch vom 24.11.2010 und 26.11.2010 - jedoch nur auf die ärztliche Bescheinigung vom 11.11.2010. Hierin wird ausgeführt: "Die Frage der Reisefähigkeit, insbesondere im Zusammenhang mit Abschiebeverfahren von Asylsuchenden, ist eine reine politische Fragestellung, die nicht medizinisch gelöst werden kann. Aus medizinischer Sicht ist heute mit entsprechender Ausstattung fast jeder Patient transportfähig. Frau ... (Anmerkung: die Antragstellerin zu 1)) gibt auf Befragen keine gezielten ärztlichen Behandlungen an. Auf den stattgehabten Suizidversuch hin angesprochen spricht sie von allgemeinen Ängsten bzw. Unruhezuständen, die gelegentlich eine Rolle spielen. Eine weiterführende Behandlung wie im Krankenhaus angebahnt, schien ihr nicht erforderlich. Sie würde sich auch gelegentlich mit frei verkäuflichen Tabletten behelfen. Frau ... erschien pünktlich und adäquat gekleidet zur Untersuchung. Sie war aufgeschlossen und schien ausgeglichen, stabil. Verschlechterungen der psychischen Situation sind unter Belastungssituationen wie drohende Abschiebung ärztlicherseits nicht ausschließbar." Aus diesen, weitgehend pauschalen, Feststellungen lassen sich für den konkreten Fall keine Schlussfolgerungen ziehen, die geeignet wären, die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 1) zu beurteilen. Das Gericht folgt insoweit nicht der Ansicht der Amtsärztin, dass die Frage der Reisefähigkeit eine rein politische Frage ist, die medizinisch nicht gelöst werden kann; diese Frage ist (fach-) ärztlich zu beantworten. Ob die Antragstellerin zu 1) reisefähig ist oder nicht, lässt sich aus der Bescheinigung jedenfalls nicht erschließen. Eher spricht der Hinweis auf die Verschlechterung der psychischen Situation im Falle der Abschiebung dafür, dass zumindest Zweifel an der Reisefähigkeit bestehen könnten. Es ist auch nicht ersichtlich, wie die Verständigung zwischen der Amtsärztin und der Antragstellerin zu 1) erfolgte, insbesondere ob ein Dolmetscher zugegen oder die Amtsärztin der russischen Sprache mächtig war, so dass Verständigungsschwierigkeiten und Falschinterpretationen ausgeschlossen werden können. Auch ist in Frage zu stellen, ob eine Amtsärztin zur Beurteilung des hier vorliegenden Krankheitsbildes und der damit verbundenen Gefahr qualifiziert ist; weshalb eine Verweisung an einen Facharzt nicht erfolgte, erschließt sich dem Gericht nicht.
Dessen ungeachtet hat der Antragsgegner bekannte Umstände entweder nicht berücksichtigt oder sich jedenfalls nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, warum eine weitere Sachaufklärung entbehrlich sein sollte:
Die Antragstellerin zu 1) befand sich in der Zeit vom 25.04.2010 bis 30.04.2010 in stationärer Behandlung (Behördenakte, Blatt 891). Die stationäre Einweisung erfolgte auf Grund Intoxikation mit verschiedenen Medikamenten in suizidaler Absicht. Zuvor war sie am 23.04.2010 von Mitarbeitern der Botschaft der Republik Aserbaidschan im Rahmen der Passbeschaffung zur Vorbereitung der Abschiebung angehört worden. So ist auch die Einschätzung im Rahmen der Untersuchung der Antragstellerin zu 1) am 26.11.2010 über die Gewahrsamsfähigkeit (Behördenakte, Bl. 972) zu berücksichtigen, wonach sie im Rahmen der Rückführung als psychisch sehr labil eingeschätzt und ein Suizidversuch an Bord des Flugzeuges nicht ausgeschlossen wurde. Ausweislich der Psychologischen Stellungnahme des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge vom 14.02.2011 leidet die Antragstellerin zu 1) unter "Schwerer Panikstörung (ICD 10: F 41.0), Mittelgradige Depressive Episode (ICD 10: F 32.1) und Haltlose Persönlichkeitsakzentuierung" und ist "unbedingt behandlungswürdig" (Gerichtsakte, Bl. 120). Es wird durch fachlich neutrale und kompetente Stellen abzuklären sein, ob und gegebenenfalls mit welcher Ausprägung eine Suizidgefahr vorliegt, so dass derzeit der Schutzbereich des Art. 2 GG bzw. des Art. 8 EMRK eröffnet ist.
Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Antragstellerin zu 1) nach ihrem Krankenhausaufenthalt die ihr ermöglichte Therapie im Mai 2010 nicht wahrnahm und im Rahmen der Klinikaufenthalte am 23.11.2010 und 04.03.2011 eine Selbst- oder Fremdgefährdung nicht festgestellt wurde, die Antragstellerin zu 1) sich dabei sogar von Suizidgedanken distanzierte (Behördenakte, Bl. 912, 914, Gerichtsakte Bl. 126). Dem Antragsgegner - wie auch dem Gericht - mangelt es nämlich an der fachlichen Qualifikation zu beurteilen, warum die Antragstellerin zu 1) sich so verhielt und entsprechende Angaben machte. Dies, wie auch die Tatsache, dass sich die Antragstellerin zu 1) derzeit - nach dem Abschiebungsversuch am 12.05.2011 - wieder in stationärer psychiatrischer Behandlung befindet, begründen weitere Veranlassung, den Sachverhalt aufzuklären, um eine hinreichend abgesicherte Prognose hinsichtlich der Suizidgefahr im Rahmen der Abschiebung treffen zu können.
Die weitere Aufklärung des Krankheitsbildes und die damit verbundenen Suizidgefahr ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Abschiebung der Antragsteller bis zur Landung in Baku durch einen Arzt medizinisch überwacht und durch Beamte der Bundespolizei sicherheitsbegleitet werden soll (Behördenakte, Bl. 1273). Das Gericht verkennt nicht, dass eine medizinische "Überwachung" auch eine Reaktion des Arztes oder der Beamten auf mögliche Suizidhandlungen der Antragstellerin zu 1) beinhaltet oder zumindest beinhalten kann. Allerdings stellt sich die Frage, mit welchen Handlungen überhaupt zu rechnen ist. Dessen ungeachtet wird die medizinische Versorgung jedenfalls nur bis zur Landung in Baku sichergestellt. Da bereits die Suizidgefahr bzw. deren Ausprägung bei der Antragstellerin zu 1) zu klären ist und es auf Grund des bisherigen Geschehens nicht auszuschließen ist, dass die Antragstellerin zu 1) unmittelbar nach der Abschiebung, also nach der Landung in Baku, nicht unerhebliche gesundheitsbeeinträchtigende suizidale Handlungen vornimmt, genügt allein die medizinische (Flug-) Begleitung nicht; gegebenenfalls sind vorbeugende konkrete Maßnahmen zu treffen und sicher zu stellen, dass diese im Zielstaat auch verwirklicht werden (beispielsweise durch Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik), um der Suizidgefahr wirksam begegnen zu können.
Mithin liegt auch unter diesen Gesichtspunkten derzeit ein Abschiebungshindernis und damit ein Anordnungsanspruch vor, auf den sich auch die minderjährigen Antragsteller zu 2) bis 4) berufen können, da sie sonst von ihrer Mutter getrennt würden (Art. 6 GG; Art. 8 EMRK).
3.4 Die Antragsteller zu 3) und 4) haben ebenfalls einen Anordnungsanspruch nach § 60 a Abs. 2 AufenthG glaubhaft gemacht. Sie haben mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit dargetan, dass ihre Abschiebung im Sinne des § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf den Schutz der Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG rechtlich unmöglich ist.
Rechtlich unmöglich im Sinne von § 60 a Abs. 2 AufenthG ist eine Abschiebung unter anderem dann, wenn Art. 6 Abs. 1 oder Abs. 2 GG oder Art. 8 EMRK der Entfernung des Ausländers aus dem Bundesgebiet entgegenstehen. Ein verfassungs- und konventionsrechtlicher Schutz ist grundsätzlich dann geboten, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine familiären Bindungen durch Ausreise auch nur kurzfristig zu unterbrechen. Dies ist insbesondere im Verhältnis von Eltern oder Elternteilen und kleinen Kindern der Fall. Kann die Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück; in diesen Fällen hat die zwangsweise Rückführung des betroffenen Ausländers regelmäßig zu unterbleiben (BayVGH, B. v. 22.10.2008 - Az.: 19 CE 08.2354, juris; BayVGH, B. v. 22.07.2008, 19 CE 08.781, InfAuslR 2009, 158;). Zwar gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG U. v. 18.07.1979, BVerfGE 51, 386, juris, Rdnr. 32; BVerfG, B.v. 12.05.1987, BVerfGE 76, 1, juris, Rdnr. 96 f; BVerfG, B. v. 18.04.1989, BVerfGE 80, 81, juris, Rdnr. 47). Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebenden Personen angemessen berücksichtigen (BVerfG, B. v. 09.01.2009, NVwZ 2009, S. 387, m.w.N., juris, Rdnr.14). Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Es ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu den Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient und das Kind beide Eltern braucht (BVerfG, B. v. 08.12.2005, InfAuslR 2006, S. 122, juris, Rdnr. 25 f). Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. Liegt eine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen Elternteil und Kind vor, widerspricht die Abschiebung des Elternteils grundsätzlich dem Kindeswohl (BVerfG, B. v. 09.01.2009, a.a.O., juris Rdnr. 16).
Diese für den Fall eines ausreisepflichtigen Elternteils und seinem im Bundesgebiet verbleibenden minderjährigen Kind aufgestellten Grundsätze gelten selbstredend auch für den Fall eines ausreisepflichtigen minderjährigen Kindes und seinem im Bundesgebiet verbleibenden Elternteil.
Hier steht der Abschiebung der Antragsteller zu 3) und 4) Art. 6 GG und der insoweit inhaltsgleiche Art. 8 EMRK entgegen, da eine zu schützende Lebens- und Erziehungsgemeinschaft mit ihrem Vater besteht und das Wohl der Antragsteller zu 3) und 4) ihrer Abschiebung zurzeit entgegensteht.
Der Vater der Antragsteller zu 3) und 4) hat die Vaterschaft anerkannt und übt zusammen mit der Kindesmutter das Sorgerecht aus. Er lebt zusammen mit den Antragstellern. Da dies dem sonst üblichen Umgang entspricht, liegt eine familiäre Lebensgemeinschaft vor. Entgegenstehende Anhaltspunkte liegen nicht vor. Der Umstand, dass die Kindesmutter im Jahre 2007 wegen körperlicher Übergriffe vorübergehend Unterkunft in einem Frauenhaus nahem, steht dem ebenso nicht (mehr) entgegen. Bei den Antragstellern zu 3) und 4) handelt es sich um 7- und 8-jährige Kinder. Gerade bei kleinen Kindern schreitet die Entwicklung sehr schnell voran, sodass selbst eine verhältnismäßig kurze Zeit der Trennung mit Blick auf Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schon unzumutbar lang sein kann (vgl. BayVGH, Beschl. v. 22.10.2008, a.a.O., Rn. 20 m.w.N.) und damit dem Wohl des Kindes nicht zuträglich ist. Bei einer Vater-Kind-Beziehung ist zusätzlich auch zu berücksichtigen, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes besitzt und sich hieraus entsprechende aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen ableiten (BayVGH, B. v. 22.10.2008, a.a.O., Rn. 20 m.w.N.). Im Falle der Abschiebung der Antragsteller zu 3) und 4) würden diese für nicht unerhebliche Zeit, möglicherweise sogar dauerhaft, vom Vater getrennt. Hier ist nicht ansatzweise absehbar, wann der Vater seinen Kindern nach Aserbaidschan folgen kann, da er weder Pass noch Passersatzpapiere besitzt und seine Identität nicht geklärt ist, damit ihm die erforderlichen Dokumente ausgestellt werden könnten. Der Antragsgegner selbst trägt vor, dass noch versucht werde, die Identität des Antragstellers über die armenische Botschaft klären zu wollen.
Der Antragsgegner kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, dass der Vater der Antragsteller zu 3) und 4) keinen Aufenthaltstitel, sondern nur eine Duldung besitzt. Das Wohl des minderjährigen Kindes ist ein verfassungsmäßig geschütztes Gut; solange nicht feststeht, ob und wann der Vater der Antragsteller zu 3) und 4) ebenfalls nach Aserbaidschan reisen kann, ist das Wohl der Kinder und ihr Anspruch auf väterlichem Umgang vorrangig und eine offenkundig nicht nur kurzzeitige Trennung nicht hinnehmbar. Dies gilt sogar für den Fall, dass der Vater an der Klärung seiner Identität nicht mitwirkt und möglicherweise falsche Personalien angegeben hat oder angibt. Dies allein ändert nämlich nichts an der familiären Lebensgemeinschaft, schadet nicht dem Wohl der Antragsteller zu 3) und 4) und kann damit dem Anspruch der Antragsteller zu 3) und 4) auf familiären Kontakt zum Vater nicht entgegen gehalten werden. Mag die möglicherweise mangelnde Bereitschaft des Vaters an der Klärung seiner Identität aufenthaltsrechtliche Folgen haben (beispielsweise kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG), so ist aber die Abschiebung der minderjährigen Kinder jedenfalls kein legales Mittel, den Vater zur Klärung seiner Identität zu "motivieren".
Ebenso kann der Antragsgegner sich nicht darauf berufen, dass der Vater eine Vielzahl von Straftaten begangen hat. Insoweit bleibt der Antragsgegner nachprüfbare Angaben schuldig. Dessen ungeachtet, ist die Abschiebung der Antragsteller zu 3) und 4) hier ebenfalls kein geeignetes und legales Mittel den Vater zu disziplinieren oder zu strafen. Einfach ausgedrückt: dem Anspruch der Kinder aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK können die Straftaten des Vaters nicht entgegen gehalten werden. Sie dürfen nicht gleichsam als "Waffe" missbraucht werden, um den Vater zur Kooperation zu zwingen.
Da den Antragstellern zu 3) und 4) ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zusteht, steht auch der Antragstellerin zu 1) ein Anspruch auf Beibehaltung der familiären Lebensgemeinschaft mit den Antragstellern zu 3) und 4) zu. Die Antragstellerin zu 2) kann sich ebenfalls hierauf in Bezug auf ihre Mutter, der Antragstellerin zu 1), beziehen.
Ungeachtet des Umstandes, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine dauerhafte Aussetzung der Abschiebung nicht möglich ist, ist für das Gericht der Vortrag des Antragsgegners nicht nachvollziehbar, dass es ihm, dem Antragsgegner, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, nicht zugemutet werden könne, bis zur Ausstellung der Reisepapiere für den Vater von einer Abschiebung der Antragsteller abzusehen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsteller auch nur ansatzweise strafrechtlich auffällig geworden sind. Die Antragsteller kamen jeder behördlichen Aufforderung nach. Auch tauchten die Antragsteller nicht unter. Das Gericht sieht keine schützenswerten Belange des Antragsgegners, des Landkreises ..., die vorrangig gegenüber den Interessen der Antragsteller, nämlich Schutz der Gesundheit, Schutz der Lebensgemeinschaft und das Wohl der Kinder, wären. [...]