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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 12.05.2011 - V ZB 135/10 - asyl.net: M18845
https://www.asyl.net/rsdb/M18845
Leitsatz:

Wendet sich der Betroffene gegen die vorläufige Ingewahrsamnahme durch die Behörde nach § 428 FamFG i.V.m. § 62 Abs. 4 AufenthG, ist die Rechtsbeschwerde nicht statthaft (§ 70 Abs. 4 FamFG).

(Amtlicher Leitsatz

Schlagwörter: Ingewahrsamnahme, effektiver Rechtsschutz, Rechtsbeschwerde, Richter, Vorführung
Normen: FamFG § 428 Abs. 2, AufenthG § 62 Abs. 4, FamFG § 70 Abs. 4, FamFG § 428 Abs. 1, FamFG § 427, FamFG § 70 Abs. 4, StPO § 127 Abs. 2, StPO § 310 Abs. 2, GG Art. 99
Auszüge:

[...]

Das Rechtsmittel ist nicht statthaft.

1. § 428 Abs. 2 FamFG ordnet an, dass über die Anfechtung behördlich angeordneter Freiheitsentziehungen im Sinne von § 428 Abs. 1 Satz 1 FamFG "auch nach den Vorschriften dieses Buches" zu entscheiden ist, und macht damit deutlich, dass der gerichtliche Rechtsschutz gegen solche Maßnahmen den Regelungen folgen soll, die für die Anfechtung gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehungen gelten. Zu diesen Normen gehört u.a. die Vorschrift des § 427 FamFG, die in untrennbarem Zusammenhang mit der Vorschrift des § 70 Abs. 4 FamFG zu sehen ist, wonach die Rechtsbeschwerde ausgeschlossen ist in Verfahren, in denen über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung befunden worden ist (vgl. auch BT-Drucks. 16/6308, S. 209). Dass hierzu - verfassungsrechtlich unbedenklich - auch Entscheidungen über vorläufige Haftanordnungen gehören, die von einem Richter nach § 427 FamFG i.V.m. § 62 Abs. 1 bis 3 AufenthG angeordnet worden sind, hat der Senat bereits entschieden (Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, juris Rn. 6; vgl. auch Beschluss vom 11. November 2010 - V ZB 123/10, juris Rn. 3 f.). Jedenfalls für die der richterlichen Beschlussfassung vorgelagerte Möglichkeit der Behörde, einen Ausländer unter strengen Voraussetzungen für einen kurzen Zeitraum vorläufig in Gewahrsam zu nehmen, um diesen unverzüglich dem Richter vorzuführen (§ 428 FamFG i.V.m. § 62 Abs. 4 AufenthG), gilt nichts anderes (aA Bahrenfuss/Grotkopp, FamFG, § 428 Rn. 6: Rechtsbeschwerde statthaft bei Zulassung durch das Beschwerdegericht; zur Beschränkung der Rechtskontrolle auf zwei Instanzen nach § 310 Abs. 2 StPO, wenn ein nach § 127 Abs. 2 StPO vorläufig Festgenommener ohne Vorführung vor den Richter wieder freigelassen wird, vgl. OLG Frankfurt, NStZ-RR 2010, 22). Dass es den Ländern nach Art. 99 GG freisteht, bei in ihren Kompetenzbereich fallenden (vorläufigen) freiheitsentziehenden Maßnahmen ein Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof zu eröffnen, steht dem nicht entgegen. Der von einer vorläufigen Anordnung nach der bundesrechtlichen Regelung des § 62 Abs. 4 AufenthG Betroffene kann die Maßnahme in zwei Instanzen zur richterlichen Überprüfung stellen. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu stellen sind, ist damit genügt.

2. Die Erledigung der Haftanordnung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Möglichkeit, die durch die Behörde nach § 428 Abs. 2 FamFG angeordnete vorläufige Freiheitsentziehung mit einem Antrag nach § 62 FamFG zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen, eröffnet nicht ein gesetzlich nicht vorgesehenes Rechtsmittel, sondern besteht nur innerhalb des für die jeweilige Verfahrensart vorgesehenen Instanzenzuges. Dieser ist mit der Beschwerdeentscheidung erschöpft (vgl. Senat, Beschluss vom 11. November 2010 - V ZB 123/10, juris Rn. 4). [...]