VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 - asyl.net: M21153
https://www.asyl.net/rsdb/M21153
Leitsatz:

Eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG stellt einen anderweitigen Schutz im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung dar, der gemäß § 73 Abs. 3 zum Widerruf einer entsprechenden Feststellung führt.

Die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2, 3, 5 oder Abs. 7 AufenthG nicht mehr vorliegen, eröffnet nach Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG nicht die Möglichkeit des Widerrufs dieses Aufenthaltstitels. § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG erfasst ausschließlich die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG.

§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK setzt voraus, dass dem Betroffenen im Falle der Abschiebung im Zielgebiet eine erhebliche individuelle Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Eine Verletzung von Art. 3 EMRK kommt infolge im Zielgebiet herrschender allgemeiner/willkürlicher Gewalt (auch im Falle eines bewaffneten Konflikts), wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, nur bei Vorliegen einer außergewöhnlichen Situation dann ausnahmsweise in Betracht, wenn diese durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung ausgesetzt wäre.

Schlechte humanitäre Verhältnisse können dann eine "Behandlung" im Sinne von Art. 3 EMRK sein, wenn diese ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger, nicht staatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will, beruhen. Ganz außerordentliche individuelle Umstände müssen dagegen hinzutreten, um schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet, wenn diese nicht überwiegend auf Handlungen der genannten Akteure zurückzuführen sind, als Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifizieren zu können.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Afghanistan, Kabul, Niederlassungserlaubnis, Widerruf, Abschiebungsverbot, unmenschliche Behandlung, erniedrigende Behandlung, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, allgemeine Gewalt, allgemeine Gefahr, willkürliche Gewalt, humanitäre Bedingungen,
Normen: EMRK Art. 3, AsylVfG § 73 Abs. 3, AufenthG § 26 Abs. 4, AufenthG § 52 Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 5, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 2, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 3,
Auszüge:

[...]

b) Die dargestellten Voraussetzungen für die ursprüngliche Feststellung liegen hier aufgrund einer maßgeblichen Änderung der Sachlage nicht mehr vor. Offen bleiben kann insoweit, ob für den Kläger im Falle seiner Rückkehr mit seiner Familie gegenwärtig in Afghanistan landesweit eine extrem zugespitzte allgemeine Gefahr besteht (vgl. hierzu unten A. II. 2. b). Denn eine einschränkende Auslegung des § 73 Abs. 3 AsylVfG dahingehend, dass grundsätzlich oder beschränkt auf den Widerruf eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung immer - auch - eine beachtliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse im Zielstaat für den Widerruf erforderlich ist, scheidet aus (aa). Dementsprechend liegen die Widerrufsvorausetzungen schon deshalb vor, weil der Kläger in Form der Niederlassungserlaubnis nun - auch unter Berücksichtigung der abgeschwächten Bedeutung der Subsidiarität des Abschiebungsverbots im Rahmen des Widerrufsverfahrens - im Besitz eines anderweitigen gleichwertigen Schutzes ist (bb).

aa) Für eine einschränkende Auslegung des § 73 Abs. 3 AsylVfG dahingehend, dass für den Widerruf grundsätzlich eine beachtliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse im Zielstaat erforderlich und ausreichend (vgl. aber BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 24.10 - NVwZ 2012, S. 451 ff.) ist, lässt sich dem Wortlaut nichts entnehmen. Auch aus der Entstehungsgeschichte ergeben sich für eine solche Auslegung keine Anhaltspunkte. Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26.06.1992 (BGBl. I S. 1126) in das Asylverfahrensgesetz eingefügt. Gleichzeitig wurde in Absatz 1, der im Übrigen § 16 Abs. 1 des damals geltenden AsylVfG entsprach, - wohl im Anschluss an das Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 25.06.1991 (9 C 48.91 - NVwZ 1992, S. 269 ff.) - klargestellt, dass die Widerrufstatbestände auch Anwendung finden, wenn einem Ausländer nach § 26 AsylVfG (Familienasyl) die Rechtsstellung eines Asylberechtigten gewährt wurde (vgl. BT-Drucks. 12/2062, S. 39). Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG a.F. bzw. § 73 Abs. 2b Satz 2 AsylVfG in der heute geltenden Fassung war bzw. ist in diesen Fällen die Anerkennung als Asylberechtigter ferner zu widerrufen, wenn die Anerkennung des Asylberechtigten, von dem die Anerkennung abgeleitet worden ist, erlischt, widerrufen oder zurückgenommen wird und der Ausländer aus anderen Gründen nicht als Asylbewerber anerkannt werden könnte. Diese Ergänzung macht deutlich, dass auch ein Widerruf nach dem Asylverfahrensgesetz nicht schon grundsätzlich - unabhängig von den jeweiligen Erteilungsvoraussetzungen - immer (allein oder kumulativ) Änderungen der Verhältnisse im Zielstaat fordert.

§ 73 Abs. 3 AsylVfG kann auch nicht aus systematischen Gründen eine solche Einschränkung auf zielstaatsbezogene Änderungen entnommen werden. Vielmehr spricht für die grundsätzliche Möglichkeit des Widerrufs der dort genannten Abschiebungsverbote auch wegen einer Verfestigung des Aufenthalts im Aufnahmestaat, dass es für die Feststellungen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG für Fälle, in denen der Schutzsuchende z.B. aufgrund der Erlangung einer anderen Staatsangehörigkeit anderweitigen Schutz erhält, an einer § 72 AsylVfG ähnlichen Erlöschensregelung fehlt (auch eine analoge Anwendung ist nicht zulässig, vgl. Hailbronner, AuslR, § 72 AsylVfG Rn. 5; Renner, AuslR, 9. Aufl., § 73 AsylVfG Rn. 20, § 72 AsylVfG Rn. 2), die dem Flüchtling, die Rechtsstellung entzieht, wenn er ihrer u.a. aus Gründen anderweitigen Schutzes nicht mehr bedarf (vgl. § 72 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG; BT-Drucks. 9/875, S. 18 zu § 10 AsylVfG a.F.). Entsprechendes gilt für das Erlöschen gemäß Art. 16 Richtlinie 2004/83/EG (nunmehr 2011/95/EU, im Folgenden: QRL) im Hinblick auf unionsrechtlich begründeten subsidiären Abschiebungsschutz. Insoweit wird ein bereits bestehender Schutz - ebenfalls anders als bei der Flüchtlingseigenschaft (Art. 12 Abs. 1, zur Aberkennung wegen Ausschlussgründen vgl. Art. 14 Abs. 3 lit. a QRL, zum Erlöschen vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. c QRL) - nicht im Rahmen des Ausschlusses bzw. als spezieller Erlöschensgrund berücksichtigt, weshalb davon auszugehen ist, dass das Fehlen eines nationalen oder internationalen Schutzes im Sinne des Art. 12 QRL bereits Voraussetzung für die Anerkennung als Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 18 QRL hat, ist, mit der Folge, dass eine entsprechende nachträgliche Schutzgewährung zum Erlöschen (Art. 16 Abs. 1 QRL) und damit zur Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 19 Abs. 1 QRL führt. Auch der Fall des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit, die die Anwendung asyl- bzw. ausländerrechtlichen Bestimmungen ausschließt, macht deutlich, dass grundsätzlich nicht nur zielstaatsbezogene Änderungen, sondern auch die Verfestigung des Aufenthalts im Aufnahmestaat für den Wegfall des Schutzstatus im Wege des Widerrufs, durch Erlöschen bzw. durch Erledigung (zur Erledigung der Asylanerkennung vgl. Hailbronner, a.a.O., § 72 AsylVfG Rn. 19) führen kann.

Schließlich ist auch nach Sinn und Zweck der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG keine - der dargelegten Symmetrie der Erteilungs- und Widerrufsvoraussetzungen widersprechende - einschränkende Auslegung dahingehend geboten, dass ein in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG festgestelltes Abschiebungsverbot nur widerrufen werden kann, wenn die der Feststellung zugrunde liegende Gefahr nicht mehr besteht. Vielmehr ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Feststellung eines solchen Abschiebungsverbot auch dann zu widerrufen, wenn inzwischen der gebotene Abschiebungsschutz anderweitig, in einer dem aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG folgenden Mindestschutz gleichwertigen Form, z.B. durch die Einbeziehung in eine spätere ausländerpolitische Entscheidung, gewährleistet ist.

Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht insoweit entschieden, dass die sich daraus, dass ein Abschiebungsverbot in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nur festgestellt werden darf, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine Schutzlücke bestünde, ergebende Subsidiarität dieses Abschiebungsverbots im Falle des Widerrufs nicht das gleiche Gewicht habe. Die Voraussetzungen für die Feststellung dieses Abschiebungsverbots einerseits und den Widerruf andererseits seien deshalb insoweit nicht vollends deckungsgleich (BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 24.10 - NVwZ 2012, S. 451 ff.). So reiche für den Widerruf eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung allein der Umstand nicht aus, dass für den Betroffenen deswegen keine verfassungswidrige Schutzlücke mehr besteht, weil er nunmehr unionsrechtlichen Abschiebungsschutz z.B. gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG beanspruchen kann oder die Abschiebung nachträglich durch Ländererlass gemäß § 60a AufenthG vorübergehend ausgesetzt wird (BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 24.10 - NVwZ 2012, S. 451 ff.).

Hiervon ausgehend würden allerdings vor allgemeinen Gefahren Schutzsuchende, denen ausnahmsweise in Durchbrechung der in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG angeordneten Sperrwirkung zu einem Zeitpunkt, in dem eine Schutzlücke bestand, Abschiebungsschutz gewährt wurde, auf Dauer gegenüber denjenigen besser gestellt, die in der gesetzlich vorgesehenen Weise Schutz auf der Grundlage einer Anordnung gemäß § 60a Abs. 1 AufenthG erhalten. Ihnen könnte der unter Durchbrechung der Sperrwirkung gewährte Schutz nicht mehr entzogen werden, um sie in eine spätere ausländerpolitische Entscheidung einzubeziehen. Ob dies im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung und der Wertung der §§ 72, 73 und § 73a AsylVfG gerechtfertigt ist, kann im vorliegenden Fall offen bleiben.

bb) Der Kläger ist in Form der Niederlassungserlaubnis nun - auch unter Berücksichtigung der abgeschwächten Bedeutung der Subsidiarität des Abschiebungsverbots im Rahmen des Widerrufsverfahrens - im Besitz eines anderweitigen gleichwertigen Schutzes.

Bei der Frage, wann bzw. welcher nachträglich gewährte Schutz den Widerruf rechtfertigt, ist neben der - ggf. modifizierten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 24.10 - NVwZ 2012, S. 451 ff.) - Gleichwertigkeit insbesondere maßgeblich, ob es sich um anderweitigen Schutz handelt. Insbesondere akzessorische Duldungen und Aufenthaltstitel bieten keinen anderweitigen Schutz und lassen dementsprechend die Erteilungsvoraussetzungen nicht entfallen. Ein Widerruf aufgrund nachträglich erteilter Duldungen oder Aufenthaltstitel kommt deshalb nur in Betracht, wenn diese, wie regelmäßig bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung erteilte Duldungen und Aufenthaltstitel, auf einem von der - fortgeltenden - Feststellung des Bestehens eines Abschiebungsverbots unabhängigen Anspruch beruhen. Duldungen und Aufenthaltstitel, die aufgrund der die Ausländerbehörde nach § 42 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG bindenden Entscheidung des Bundesamts zu erteilen waren, dienen dagegen unmittelbar der aufgrund des festgestellten Abschiebungsverbots gebotenen Schutzgewährung. Für die aufgrund eines festgestellten Abschiebungsverbots erteilte Duldung ergibt sich dies daraus, dass sie gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nur solange zu erteilen ist, wie dieses rechtliche Abschiebungshindernis besteht. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG kann im Falle des Widerrufs der Feststellung des Abschiebungsverbots selbst widerrufen (§ 52 Abs. 1 Nr. 5 lit. a AufenthG) oder befristet werden und darf nicht mehr verlängert (§ 26 Abs. 2 AufenthG) werden.

Ein anderweitiger Schutz kann aber aufgrund eines nur noch mittelbar aus der ursprünglichen Feststellung des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung abgeleiteten Aufenthaltstitels dann bestehen, wenn sich das Aufenthaltsrecht in einer zweckunabhängigen Weise verselbständigt und verfestigt hat. Einen solchen Aufenthaltsstatus vermittelt eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG. Diese knüpft mit der erforderlichen Dauer des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis nach dem 5. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes nur noch mittelbar an das Bestehen des Abschiebungsverbots an, während die übrigen Erteilungsvoraussetzungen den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für die Niederlassungserlaubnis entsprechen und keinen Bezug mehr zu einem fortbestehenden Abschiebungsschutz haben.

Die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2, 3, 5 oder Abs. 7 AufenthG nicht oder nicht mehr vorliegen, eröffnet nach Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG auch nicht die Möglichkeit des Widerrufs dieses Aufenthaltstitels. § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG erfasst ausschließlich die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Die Regelung war in § 52 Satz 1 AufenthG ergänzt worden, um bei einem Wegfall des Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG den Aufenthaltstitel entziehen zu können (vgl. BTDrucks. 16/5065, S. 181; vgl. auch unten). Sie bezieht sich auf den Wegfall der Regelerteilungsvoraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG und fordert im Hinblick auf § 25 Abs. 3 AufenthG zunächst eine ausdrückliche nachträgliche Feststellung, dass die Voraussetzungen des Satz 1 nicht - mehr - vorliegen bzw. eine Feststellung des Bundesamts aufgehoben oder unwirksam wird oder dass Ausschlussgründe im Sinne des Satzes 2 a bis d erfüllt wurden. Sie ist damit speziell auf § 25 Abs. 3 AufenthG abgestimmt (vgl. Hailbronner, AuslR, § 52 Rn. 36 ff.; Möller, in HK-AuslR § 52 Rn. 21 ff.) und lässt sich nicht auf andere - nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG - erteilte Aufenthaltstitel anwenden. Dies gilt insbesondere für die Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG, deren Erteilung das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen keiner der in § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG genannten Tatbestände voraussetzt. Auch für die analoge Anwendung von § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG, der den Widerruf der bei Bestehen und Fortbestehen der Anerkennung als Asylberechtigter oder Flüchtling zwingend zu erteilenden Aufenthaltstitel bei Wegfall dieser Voraussetzung regelt und schon vor Ergänzung der Nr. 5 nicht auf den Wegfall von Abschiebungsverboten anwendbar war (vgl. Stiegeler, Widerruf - und dann?) Asylmagazin 9/2006, S. 3 [8]; Schäfer, in GK-AufenthG, Stand: Febr. 2007, § 52 AufenthG Rn. 83; vgl. Hailbronner a.a.O., Rn. 36), ist - nun erst recht - kein Raum.

Hat die Behörde ihr Ermessen zugunsten eines Schutzsuchenden ausgeübt und ihm eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG erteilt, eröffnet der Widerruf dieser Feststellung damit nicht das Ermessen für den Widerruf dieses Aufenthaltstitels. Deshalb kann es auch nicht zu der vom Kläger befürchteten rechtstaatlich in der Tat bedenklichen Konsequenz einer sich perpetuierenden Abfolge des Widerrufs der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach Erteilung eines Aufenthaltstitels, des Widerrufs des Aufenthaltstitels, des Wiederaufgreifens des Verfahrens beim Bundesamt mit erneuter Feststellung des Abschiebungsverbots, die dann erneut widerrufen werden müsste, sobald der hieraus folgende Aufenthaltstitel erteilt wäre, kommen.

Jedenfalls ein solcher selbständiger und unbefristeter Aufenthaltstitel stellt einen anderweitigen Schutz dar, der die Aufrechterhaltung der Feststellung des Abschiebungsverbots nicht mehr erforderlich macht. Nur wenn dieser Aufenthaltstitel - nach den allgemeinen Vorschriften des § 52 AufenthG - jemals widerrufen oder der Ausländer ausgewiesen werden sollte, wird nach Bestandskraft der den rechtmäßigen Aufenthalt beendenden Maßnahme auf Antrag das Vorliegen von Abschiebungsverboten auf der Grundlage der dann maßgeblichen Sach- und Rechtslage erneut zu prüfen sein. [...]