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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 04.12.2014 - V ZB 87/14 (= ASYLMAGAZIN 3/2015, S. 99 f.) - asyl.net: M22611
https://www.asyl.net/rsdb/M22611
Leitsatz:

Die in dem Verfahren der Abschiebungshaft erforderliche Dokumentation der Belehrung eines anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen über die Folgen eines Rechtsmittelverzichts kann nur bis zum Abschluss der Instanz erfolgen; eine auf Anforderung des Rechtsmittelgerichts gefertigte dienstliche Stellungnahme des die Haft anordnenden Richters ist nicht ausreichend (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 1. Dezember 2011 -V ZB 73/11, NVwZ 2012, 319 f.).

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Rechtsmittelverzicht, dienstliche Stellungnahme, Rechtsmittelbelehrung,
Normen: FamFG § 67 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Zu Unrecht sieht das Beschwerdegericht die Beschwerde als unzulässig an, weil der Betroffene einen wirksamen Rechtsmittelverzicht erklärt habe.

1. Nach der Rechtsprechung des Senats muss das Gericht in dem Verfahren der Abschiebungshaft einem anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen, der von sich aus einen Rechtsmittelverzicht im Sinne von § 67 Abs. 1 FamFG abgeben will, eine von der Rechtsmittelbelehrung unabhängige Belehrung über die Folgen des Verzichts erteilen und diese für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbar dokumentieren (Beschluss vom 1. Dezember 2011 - V ZB 73/11, NVwZ 2012, 319 f.). Die Dokumentation kann in dem Vermerk über die Anhörung enthalten sein oder im Anschluss gefertigt werden, da die Formstrenge des Verfahrens nach der Zivilprozessordnung in § 28 Abs. 4 FamFG nicht übernommen worden ist. Nach Abschluss der Instanz kann sie jedoch nicht mehr nachgeholt werden. Andernfalls verfehlte sie ihren Zweck, den tatsächlichen Geschehensablauf zeitnah in den Akten festzuhalten.

2. Daran gemessen ist der Rechtsmittelverzicht unwirksam. Der Anwalt des Betroffenen war in der Anhörung nicht anwesend. Dass die aus diesem Grund erforderliche Belehrung erfolgt ist, lässt sich nicht feststellen, weil es an der Dokumentation fehlt. Die erst auf Anforderung des Rechtsmittelgerichts gefertigte dienstliche Stellungnahme des die Haft anordnenden Richters ist nicht ausreichend.

3. Dieser Fehler hat sich auch ausgewirkt. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats führt eine Verletzung von Verteidigungsrechten (insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör) zwar nicht automatisch, sondern nur dann zur Beendigung der Haft, wenn das Verfahren auch zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (näher Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 11, im Anschluss an EuGH, BayVBl. 2014, 140 ff.). Davon ist hier aber schon deshalb auszugehen, weil die ordnungsmäßige Belehrung die Entschließung des Betroffenen, einen Rechtsmittelverzicht abzugeben oder hiervon abzusehen, unmittelbar beeinflusst. [...]