OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 14.12.2015 - 8 LA 151/15 - asyl.net: M23444
https://www.asyl.net/rsdb/M23444
Leitsatz:

Die Heranziehung des Ausländers zu Kosten für seinen Transport aus einer Abschiebungshafteinrichtung hin zu dem Beförderungsmittel, mit dem die Abschiebung vollzogen werden soll, ist nicht allein deshalb rechtswidrig, weil die Abschiebungshaft rechtswidrig angeordnet worden war.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Abschiebungskosten, Rechtswidrigkeit, Abschiebungshaft, Abschiebung, Kosten, Haftfähigkeit, Haftfähigkeitsprüfung, Untersuchung, Arztkosten,
Normen: AufenthG § 66 Abs. 1, AufenthG § 67 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Der Kläger weist zwar zu Recht daraufhin, dass in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte teilweise die - nicht näher begründete - Auffassung vertreten wird, dass ein Ausländer zu den Kosten eines durch eine rechtswidrige Abschiebungshaft kausal verursachten Transports nicht nach §§ 66 Abs. 1, 67 Abs. 1 AufenthG herangezogen werden dürfe (vgl. Hessischer VGH, Beschl. v. 25.3.2015 - 5 A 45/14.Z -, juris Rn. 5). Der Senat teilt diese Auffassung indes nicht. Er schließt sich vielmehr der Auffassung des 11. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts an, die dieser im Beschluss vom 23. März 2009 (- 11 LA 490/07 -, juris Rn. 11) vertreten hat:

"Der begleitete Transport zum Flughafen ist als Teil der Abschiebung gemäß § 58 AufenthG eine Vollstreckungshandlung der Ausländerbehörde zur Durchsetzung einer vollziehbaren Ausreiseverpflichtung. Diese Maßnahme setzt weder voraus, dass sich der Ausreisepflichtige gemäß § 62 AufenthG in Abschiebungshaft befindet, noch baut sie in rechtlicher Hinsicht darauf auf. Vielmehr ist sie - wie auch die Abschiebungshaft - eine selbständige, der Sicherstellung einer tatsächlichen Ausreise des Ausreisepflichtigen dienende Vollstreckungsmaßnahme. Eine für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit bedeutsame rechtliche Wechselwirkung zu weiteren Vollstreckungsmaßnahmen - wie z.B. die Abschiebungshaft - ist grundsätzlich nicht gegeben. Insoweit bildet allein die gemeinsame Zielrichtung der Umsetzung einer vollziehbaren Ausreisepflicht eine verbindende Klammer. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Vollstreckungsmaßnahme beurteilt sich regelmäßig nach den jeweiligen dem Charakter der Vollstreckungshandlung entsprechenden rechtlichen Anforderungen, ohne dass es dabei auf die rechtliche Beurteilung anderer Vollstreckungshandlungen ankommt, die ihrerseits - wie z. B. die Abschiebungshaft gemäß § 62 AufenthG - möglicherweise spezielleren Anforderungen genügen müssen. So ist es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des zwangsweisen Verbringens des vollziehbar ausreisepflichtigen Klägers zum Flughafen grundsätzlich ohne Bedeutung, an welchem Aufenthaltsort man seiner tatsächlich habhaft geworden ist und aus welchen Gründen er sich hier aufgehalten hat. Dass dies im Fall einer Abschiebungshaft ein - rechtswidrig - erzwungener Aufenthaltsort gewesen sein mag, begründet nicht die Annahme, sein Verbringen von diesem Ort sei ebenfalls rechtswidrig. Mit dem Transport wird ein rechtswidrig erzwungener Haftaufenthalt beendet, nicht aber perpetuiert. Allein der Umstand, dass es dem Kläger infolge der Haft tatsächlich nicht möglich war, sich seinerseits durch rechtswidriges Verhalten - wie z.B. unangekündigtem Wohnsitzwechsel oder Untertauchen - dem tatsächlichen Zugriff der Beklagten unter Verletzung seiner Ausreisepflicht zu entziehen, macht die erfolgte Verbringung zum Flughafen nicht rechtswidrig."

Hiernach ist die Heranziehung des Ausländers zu Kosten für seinen Transport aus einer Abschiebungshafteinrichtung hin zu dem Beförderungsmittel, mit dem die Abschiebung vollzogen werden soll, nicht allein deshalb rechtswidrig, weil die Abschiebungshaft rechtswidrig angeordnet worden war (so auch Sächsisches OVG, Beschl. v. 1.3.2012 - 3 A 530/11 -, juris Rn. 7; GK-AufenthG, § 67 Rn. 14 (Stand: März 2015)).

Der Kläger wendet gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung weiter ein, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Festsetzung der Kosten für eine ärztliche Überprüfung der Haftfähigkeit/Reisefähigkeit/Flugtauglichkeit für rechtmäßig erachtet. Für diese Kosten liege bereits keine Rechnung vor. Zudem sei auch die Haftfähigkeit überprüft worden. Da die Abschiebungshaft rechtswidrig gewesen sei, dürften auch die Kosten einer Haftfähigkeitsprüfung nicht festgesetzt werden.

Auch diese Einwände greifen nicht durch.

Ausweislich der Gründe der angefochtenen Entscheidung hat das Verwaltungsgericht nach Würdigung des Sachverhalts und unter Berücksichtigung des Fehlens eines Rechnungsbelegs in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten die Überzeugung gewonnen, dass die Kosten in Höhe von 40,22 EUR durch eine ärztliche Untersuchung des Klägers auf seine Reisefähigkeit entstanden und der Beklagten von der Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige in H. auch tatsächlich in Rechnung gestellt worden sind (Urt. v. 1.7.2015, Umdruck, S. 8). Hiernach stehen die Kosten in keinem Bezug zur rechtswidrigen Abschiebungshaft und sind auch tatsächlich entstanden.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zwar auch dann anzunehmen, wenn erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NdsVBl. 2000, 244, 245). Bezieht sich, wie hier, das diesbezügliche Vorbringen aber auf die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhaltswürdigung, kommt eine Zulassung der Berufung nicht schon dann in Betracht, wenn der erkennende Senat die vom Verwaltungsgericht nach zutreffenden Maßstäben gewürdigte Sachlage nach einer etwaigen eigenen Beweisaufnahme möglicherweise anders beurteilen könnte als das Verwaltungsgericht selbst. Denn sonst wäre die Berufung gegen Urteile, die auf Grund einer Beweisaufnahme ergangen sind, regelmäßig nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, was mit Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung nicht vereinbar wäre (vgl. Senatsbeschl. v. 4.7.2011 - 8 LA 288/10 -, GewArch 2011, 494, 496; Sächsisches OVG, Beschl. v. 8.1.2010 - 3 B 197/07 -, juris Rn. 2; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 18.1.2001 - 4 L 2401/00 -, juris Rn. 4). Eine Sachverhalts- oder auch Beweiswürdigung kann deshalb nur mit Erfolg angegriffen werden bei Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder wenn sie offensichtlich sachwidrig und damit willkürlich ist (vgl. Senatsbeschl. v. 16.11.2010 - 8 LA 224/10 -, juris Rn. 6; Bayerischer VGH, Beschl. v. 29.7.2009 - 11 ZB 07.1043 -, juris Rn. 9). Derartige Mängel der Sachverhalts - würdigung ergeben sich aus dem klägerischen Zulassungsvorbringen indes nicht; sie sind für den Senat auch sonst nicht ersichtlich. [...]