AG Laufen

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Zitieren als:
AG Laufen, Urteil vom 04.02.2016 - 2 C 565/15 WEG - asyl.net: M23674
https://www.asyl.net/rsdb/M23674
Leitsatz:

1. Die Überlassung von Wohnungseigentum an Asylbewerber stellt eine zulässige Wohnnutzung dar.

2. Der Wohnungseigentümergemeinschaft fehlt es für die Untersagung der Vermietung und Überlassung von Wohneigentum an Asylbewerber an der Beschlusskompetenz.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Wohnungseigentum, Vermietung, Wohnnutzung, Asylbewerber, Zweckentfremdung, Asylsuchende,
Normen: WEG § 1, WEG § 14, WEG § 15
Auszüge:

[...]

a) Das Gericht ist der Ansicht, dass die Unterbringung von Asylbewerbern eine zulässige Wohnnutzung darstellt. Wie der BGH in seinem Urteil vom 15.01.2010 ausgeführt hat (BGH ZWE 2010, 130), ist maßgeblich für die Frage, was eine zulässige Wohnnutzung darstellt, § 1 WEG in Verbindung mit der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung heranzuziehen. Nach § 1 Abs. 2 WEG kann Wohnungseigentum nur an einer Wohnung begründet werden, so dass das Sondereigentum zum Wohnen geeignet und das Wohnungseigentum zum Wohnen auch bestimmt sein muss und sich seine ordnungsgemäße Nutzung nach diesem Zweck richtet. Der BGH führt insoweit aus (BGH ZWE 2010, 130, 131): "Zu dieser ordnungsgemäßen Nutzung gehört sicher in erster Linie die Nutzung der Wohnung als Lebensmittelpunkt. Darauf beschränkt sich der Wohnzweck (...) nicht. Ähnlich wie der Begriff der Wohnung in Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz (...) ist auch der hier in der Teilungserklärung verwendete Begriff der Wohnung in § 1 Abs. 2 WEG weit auszulegen und am Ziel der Vorschrift auszurichten. Ziel der Vorschrift ist es zwar auch, die Wohnungsnutzung von der sonstigen Nutzung abzugrenzen, für die mit § 1 Abs. 3 WEG das Teileigentum vorgesehen ist. Entscheidend ist aber, dass dem Wohnungseigentümer Eigentum zugewiesen wird, das vollen Eigentumsschutz genießt (...). Der Wohnungseigentümer ist auch nicht darauf beschränkt, seine Wohnung ausschließlich zu Wohnzwecken zu nutzen."

b) In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Zulässigkeit der Unterbringung von Feriengästen. Dies erachtete der BGH unter Berücksichtigung obiger Ausführungen für zulässig, insbesondere spreche gegen eine zulässige Nutzung auch nicht die nur verhältnismäßig kurze Dauer des Aufenthalts, der häufige Wechsel der Bewohner und damit einhergehend ein gegebenenfalls gesteigerte Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der übrigen Bewohner. Der BGH hat insoweit ausgeführt, dass der häufige Wechsel des Mieters als solcher nicht zu Beeinträchtigungen führt, die sich signifikant von den anderen Formen der Wohnnutzung abheben. Soweit darüber hinaus noch in dem vom BGH entschiedenen Fall damit argumentiert wurde, dass durch die Vermietung an Feriengäste das Gemeinschaftseigentum einer Wohnungseigentumsanlage stärker beansprucht oder gar in Mitleidenschaft gezogen werde als bei einer Nutzung durch die Eigentümer selbst oder durch Dauermieter kam der BGH zu dem Ergebnis, dass dieses Argument zwar im Einzelfall zutreffen kann, aber eine Regel hieraus nicht abgeleitet werden könne. Vielmehr sei die entscheidende Frage, ob ein solches Fehlerhalten bei Feriengästen typischerweise eher erwartet werden könne als bei Dauerbewohnern. Gerade insoweit fehle es aber an jedweden Anhaltspunkt. Auch der Charakter der Wohnanlage werde schließlich durch die Vermietung von Feriengästen nicht nachteilig verändert. Letztlich kam damit der BGH zu dem Ergebnis, dass der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Beschlusskompetenz nach § 15 WEG oder nach § 1004 BGB nicht zustehe.

c) Die Wertungen die der BGH für Feriengäste aufgestellt hat, sind nach Ansicht des Gerichts auch auf die Unterbringung von Asylbewerbern zu übertragen. Auch bei Asylbewerbern lässt sich aus etwaigen Einzelfällen keine allgemeine Regelung dahingehend ableiten, dass die Nutzung zur Unterbringung von Asylbewerbern eine erheblich größere Belastung und Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums darstellt, als die Vermietung an andere Personengruppen. Zwar mögen sich im Einzelfall durchaus Beeinträchtigungen ergeben, solche Beeinträchtigungen können sich aber auch bei der Vermietung an andere Personengruppen ergeben. Eine spezifisch höhere Beeinträchtigung oder Belastung durch die Unterbringung von Asylbewerbern vermag das Gericht nicht zu erkennen. Dementsprechend ist auch die Untersagung der Nutzung zur Überlassung zur Unterbringung von Asylbewerbern als generelle Beschlussfassung unzulässig.

d) Etwas anderes lässt sich zur Überzeugung des Gerichts auch nicht aus der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLGZ 1991, 409) ableiten, da darin das Bayerische Oberste Landesgericht ausgesprochen hat, dass die Regelung in einer Gemeinschaftsordnung, wonach die Eigentümer einer Wohnanlage verpflichtet sind, die Eigenart des Bauwerks als gutes Wohnhaus zu wahren und zu schützen, es nicht schlechthin ausschließt, eine Wohnung in dieser Anlage zum dauernden Bewohnen durch eine von der Verwaltungsbehörde eingewiesene asylberechtigte Familie zu überlassen. Soweit das BayObLG darin weiter noch darauf abstellen wollte, ob im Einzelfall Beeinträchtigungen vorliegen oder aufgrund bestimmter Tatsachen für die Zukunft zu befürchten sind, die mehr stören als bei einer normalen Vermietung oder die mit dem Charakter eines Haus als gutes Wohnhaus nicht vereinbar erscheinen lassen, ist gerade eine solche Einzelbetrachtung durch den hier angefochtenen Beschluss nicht vorgenommen worden. Im hier angefochtenen Beschluss werden generell alle Vermietungen zur Unterbringung an Asylbewerbern ohne konkreten Bezug zu einem Einzelfall ausgeschlossen.

e) Eine Überbelegung der Wohneinheit Nr. 27 ergab sich zudem aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der einvernommenen Zeugen zur Überzeugung des Gerichts nicht. Eine Belegung mit max. 8 erwachsenen Personen bei 92 qm stellt noch keine Überbelegung und damit eine Überanspruchung des Gemeinschaftseigentums und damit eine Beeinträchtigung nach § 14 WEG nicht dar: Soweit die Teileigentumseinheit Nr. 104 betroffen ist, ergab die durchgeführte Beweisaufnahme gerade nicht, dass hier Asylbewerber untergebracht werden. Aufgrund des vorgelegten Mietvertrages mit dem Freistaat ... und der Aussage des zuständigen Sachbearbeiters vom Landratsamt steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass nur die Wohneinheit Nr. 27 zu Wohnzwecken vermietet wurde, nicht aber die Teileinheit Nr. 104. Soweit nun die Beklagten vortragen lassen, dass zum Teil und unregelmäßig diese Teileinheit von den Bewohnern der Wohneinheit Nr. 27 auch dazu genutzt wird, dass sie sich dort aufhalten, duschen und vereinzelt auch dort unten übernachtet, so stellt dies allein für sich betrachtet noch keine unzulässige Wohnnutzung dar. Diese Kellereinheit ist als Hobby - und Aufenthaltsraum konzipiert, in dem sich, wie auch die einvernommenen Zeugen bestätigt haben, auch Fitnessgeräte befinden. Insoweit stellt daher auch die von den Beklagten behauptete Nutzung der Kellereinheit noch keine unzulässige Wohnnutzung dar.

f) Soweit darüber hinaus noch konkrete Beeinträchtigungen von den Beklagten vorgebracht werden, so kommt es hierauf zur Überzeugung des Gerichts zur Beurteilung der hier streitigen Frage, ob der gefasste Beschluss ungültig ist oder nicht, nicht an. Die von den Beklagten behaupteten Beeinträchtigungen können von den einzelnen Wohnungseigentümern nach § 15 Abs. 3 WEG als Unterlassungsansprüche in Verbindung mit § 1004 BGB geltend gemacht werden. Eine Beschlusskompetenz dahingehend, dass die Vermietung und Unterbringung von Asylbewerbern aber untersagt wird, kann hieraus zur Überzeugung des Gerichts nicht abgeleitet werden. Hinzu kommt, dass wie bereits oben ausgeführt, ein kausaler Zusammenhang von den geschilderten Beeinträchtigungen und der Tatsache, dass es sich um Asylbewerber handelt, zur Überzeugung des Gerichts nicht gemacht werden kann. Es ist für das Gericht nicht ersichtlich, weshalb gerade diese spezifische Personengruppe eine spezifisch höhere Belastung und Beeinträchtigung darstellen würde als eine andere Personengruppe. Auch bei anderen Mietern kann es zu Lärmbeeinträchtigungen durch spätes Kochen, Unterhaltungen und Streitigkeiten bis hin zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen. Insoweit besteht für eine Differenzierung zwischen der Vermietung an Asylbewerbern einerseits und der Vermietung an andere Personen andererseits kein zwingender Grund. [...]