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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 11.02.2016 - V ZB 24/14 - asyl.net: M23708
https://www.asyl.net/rsdb/M23708
Leitsatz:

Der Haftantrag muss ausreichende Angaben zu der notwendigen Haftdauer enthalten. Der Hinweis auf eine Dauer der Passersatzpapierbeschaffung von bis zu drei Monaten ist unzureichend. Mängel in der Antragsbegründung können im gerichtlichen Verfahren mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden. Hierzu muss der Betroffene jedoch persönlich angehört werden.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Haftantrag, Haftdauer, Feststellungsantrag, Rechtswidrigkeit, Haftanordnung, Haftanordnungsbeschluss, Haftdauer, Freiheitsentziehung, Begründungserfordernis, Begründung, Haft, Heilung, Anhörung, Mangel.
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 4, FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 5, AufenthG § 62 Abs. 1 S. 2, GG Art. 104 Abs. 1 S. 1, FamFG § 420 Abs. 1 S. 1,
Auszüge:

[...]

1. Das Vorliegen eines zulässigenHaftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs.2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 18. Dezember 2014 - V ZB 192/13, juris Rn. 6 mwN).

Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht, weil er keine ausreichenden Angaben zu der notwendigen Haftdauer enthält. Der Hinweis auf eine Mitteilung der Zentralen Rückführungsstelle der Regierung von Oberbayern, wonach eine Passbeschaffung für Peru innerhalb von drei Monaten möglich sei und der Betroffene einen entsprechenden Antrag bereits ausgefüllt habe, ist unzureichend. Sie lässt insbesondere unberücksichtigt, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist und die Frist von drei Monaten die obere Grenze der möglichen Haft und nicht deren Normaldauer bestimmt (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG; näher Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, FG Prax 2012, 225 Rn. 10; vgl. auch Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 67/13, juris Rn. 9).

2. Mängel in der Antragsbegründung wegen fehlender Angabe zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG) führen zur Rechtswidrigkeit der auf Grund eines solchen Antrages erlassenen Haftanordnung (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 18 ff.). Sie können allerdings in dem gerichtlichen Verfahren mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden. Die Behebung des Mangels kann dadurch erfolgen, dass die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegung ergänzt, dadurch die Lücken des Haftantrags schließt und der Betroffene dazu Stellung nahmen kann. Der Mangel kann aber auch dadurch behoben werden, dass das Gericht das Vorliegen der an sich seitens der Behörde nach § 417 Abs. 2 FamFG vorzutragenden Tatsachen aufgrund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG) in dem Beschluss feststellt (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, aaO, Rn. 21 ff.)

Eine solche Heilung des Mangels ist hier jedoch nicht eingetreten. Das Beschwerdegericht hat zwar die Feststellungen getroffen, dass inzwischen ein Pass für den Betroffenen ausgestellt worden sei und der Heimflug voraussichtlich in der siebten oder achten Kalenderwoche, also spätestens bis zum 23. Februar 2014, stattfinden werde. Zwingende weitere Voraussetzung für eine rechtmäßige Haftanordnung ist in einem solchen Fall aber, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird. Anderenfalls ist - weil der Betroffene zuvor (mangels zulässigen Haftantrags) keine Gelegenheit hatte, zu den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der gegen ihn verhängten Freiheitsentziehung Stellung zun nehmen - die nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zu beachtende Verfahrensvorschrift des § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht gewahrt (Senat, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - V ZB 67/15, juris Rn. 6). Eine Anhörung des Betroffenen in der Beschwerdeinstanz hat jedoch nicht stattgefunden. [...]