OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 23.09.2016 - 1 Bs 100/16 - asyl.net: M24322
https://www.asyl.net/rsdb/M24322
Leitsatz:

Nach erfolglosem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs (gegen die Ablehnung eines die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG auslösenden Antrags auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis) kann auch nach Ergehen des Widerspruchsbescheids und Erhebung der Klage die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nur im Wege des Abänderungsverfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO erreicht werden. Ein erneuter Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht zulässig.

(Leitsätze der Redaktion, vgl auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.3.2012, OVG 10 S 17.11 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 2.5.2011, 2 M 34/11 - juris).

Schlagwörter: Abänderungsantrag, aufschiebende Wirkung, Suspensiveffekt, Verlängerungsantrag, Fiktionswirkung,
Normen: VwGO § 80 Abs. 7, VwGO § 80 Abs. 5, AufenthG § 81,
Auszüge:

[...]

1.1. Das Verwaltungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass im Hinblick auf die bereits ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 22. März 2016, mit welcher der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 7. Dezember 2015 abgelehnt wurde, das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO nur auf eine Abänderung der bereits ergangenen Entscheidung gerichtet sein kann. Der Umstand, dass nach der rechtskräftigen Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin dieser Widerspruch zurückgewiesen worden ist und die Antragstellerin Klage erhoben hat, führt nicht dazu, dass nunmehr für die gerichtliche Prüfung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage erneut ein Antragsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eröffnet wäre.

Gegenstand des ersten Rechtsschutzverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO war die Frage der Vollziehbarkeit des Bescheids vom 7. Dezember 2015, der die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht begründete (vgl. § 58 Abs. 2 AufenthG; allgemein: OVG Hamburg, Beschl. v. 30.6.2008, 5 Bs 86/08, juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 12, 120). Sollte der Bescheid vom 7. Dezember 2015 im Klagverfahren aufgehoben werden, so würde die durch den Verlängerungsantrag nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eingetretene Fiktionswirkung erneut eintreten (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.2.2000, 1 C 14/99, InfAuslR 2000, 274, juris Rn. 10; vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

In zeitlicher Hinsicht war Gegenstand des ersten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes die sofortige Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht bis zur Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts bzw. bei Abweisung der Klage im ersten Rechtszug bis zum Ablauf von drei Monaten nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels (vgl. § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar bezieht sich die gesetzliche Anordnung in § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO ausdrücklich nur auf Anfechtungs-, nicht aber auf Verpflichtungsklagen. Im Hinblick auf den möglichen Entfall der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht beim Erfolg der Verpflichtungsklage auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ist die Regelung analog auf die vorstehende Konstellation der Beendigung der Fiktionswirkung des Verlängerungsantrages und damit den Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht durch die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde anzuwenden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80b Rn. 5, 6).

Mit der Ablehnung des Antrags des Verwaltungsgerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO durch Beschluss vom 22. März 2016 ist über diesen Streitgegenstand abschließend entschieden worden. Damit steht zwischen den Beteiligten bindend fest, dass die Ausreisepflicht der Antragstellerin bis zur Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, bis drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung vollziehbar ist. Der nach Erlass des Beschlusses vom 22. März 2016 ergangene Widerspruchsbescheid und die Erhebung der Verpflichtungsklage änderten an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids vom 7. Dezember 2015 nichts. Da der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO keinen Erfolg hatte, bleibt es grundsätzlich während des gesamten "Schwebezustands" bei der Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes und damit einer Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht der Antragstellerin, so dass eine Korrektur nur nach Maßgabe des § 80 Abs. 7 VwGO möglich ist (so auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.3.2012, OVG 10 S 17.11; OVG Magdeburg, Beschl. v. 2.5.2011, 2 M 34/11, juris Rn. 5). [...]