VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 14.12.2017 - 6 K 791/16 - asyl.net: M25829
https://www.asyl.net/rsdb/M25829
Leitsatz:

In der autonomen Region Kurdistan-Irak droht Christen und Konvertiten keine beachtliche Gefahr, einer religiös motivierten Verfolgung ausgesetzt zu sein.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Irak, Nordirak, Kurdische Autonomiegebiete, Kurden, Christen, Konvertiten, Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz, religiöse Verfolgung, Gruppenverfolgung,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 4
Auszüge:

[...]

Zwar hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass Christen insbesondere in den von der Terrormiliz Islamischer Staat weiterhin kontrollierten Gebieten eine allein an ihren Glauben anknüpfende Verfolgung droht, vor der sie weder hinreichenden Schutz von Seiten des irakischen Staates noch seitens schutzbereiter Organisationen erhalten können. Die Sicherheitslage im Irak hat sich ab Mitte 2014 vor allem durch den Vormarsch des Islamischen Staates im Irak dramatisch verschlechtert. Dabei gerieten die Hauptsiedlungsgebiete der offiziell anerkannten Minderheiten, wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden, im Sommer 2014 unter die Kontrolle der Terrormiliz Islamischer Staat. Es kam zu systematischer Verfolgung, Zwangskonversion, Massenvertreibungen von Angehörigen religiöser Minderheiten sowie Verschleppungen und sexueller Gewalt gegen Frauen und Kinder. Insbesondere Angehörige der Minderheiten wurden und werden in den vom Islamischen Staat beherrschten Gebieten, zu denen noch Teile der nördlich bzw. westlich von Bagdad gelegenen Provinzen Anbar, Ninewa und Salah Al-Din gehören, Opfer von Gräueltaten. Dabei tritt der Islamische Staat durch besondere Grausamkeit gegenüber all denjenigen in Erscheinung, die sich seiner Ideologie nicht unterwerfen (vgl. zu Vorstehendem auch Auswärtiges Amt, Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 07.02.2017 und 18.02.2016, 508-516.18/3 IRQ).

Gleichwohl droht dem Kläger wegen seines Übertritts zum christlichen Glaubens im Irak nicht die beachtliche Gefahr, einer religiös motivierten Verfolgung ausgesetzt zu sein oder ansonsten einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Der Kläger stammt nämlich aus Halabja, einem in der autonomen Region Kurdistan-Irak gelegenen Ort, in der ihm interner Schutz vor Verfolgung im Sinne von § 3e Abs. 1 AsylG oder anderweitigen Gefahren zur Verfügung steht. In der Region Kurdistan-Irak, wie auch in anderen Gebieten, die unter der Kontrolle der kurdischen Regionalregierung stehen, sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung, insbesondere auch durch die Terrormiliz Islamischer Staat, geschützt. Hier haben viele christliche Flüchtlinge aus anderen Landesteilen Zuflucht gefunden. Fälle, in denen Christen wegen ihres Glaubens in der Region Kurdistan-Irak von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren bedroht worden wären, sind nicht bekannt geworden. Vielmehr können Christen sowohl in der autonomen Region Kurdistan-Irak als auch in den von den Kurden kontrollierten umstrittenen Gebieten ihre Religion frei ausüben, ohne Verfolgung oder Diskriminierung befürchten zu müssen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 07.02.2017 und 18.02.2016, a.a.O., sowie Auskunft an BAMF vom 21.07.2017, a.a.O.).

Entsprechendes gilt für Apostaten. Es liegen keine Erkenntnisse über Fälle staatlicher oder nichtstaatlicher Verfolgung von Apostaten in der Region Kurdistan-Irak vor (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an BAMF vom 30.05.2017, 508-516.80/49327). [...]