BlueSky

VG Berlin

Merkliste
Zitieren als:
VG Berlin, Urteil vom 01.11.2016 - 36 K 328.15 A - asyl.net: M26025
https://www.asyl.net/rsdb/m26025
Leitsatz:

Abschiebungsverbot für einen ehemaligen Mitarbeiter der Botschaft Kambodschas und seine an Hepatitis B erkrankte Frau. Auf Grund der allgemeinen menschenrechtlichen Situation in Kambodscha kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Antragsteller gegen die Bedrohungen eines einflussreichen kambodschanischen Botschafters zur Wehr setzen kann. Eine Behandlung von Hepatitis B zu vertretbaren Kosten ist in Kambodscha nicht sichergestellt.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Kambodscha, medizinische Versorgung, Hepatitis B, Abschiebungsverbot, Botschaft, Behandlung, Menschenrechte, Kosten, Rache, Korruption
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Nach Überzeugung der Einzelrichterin droht den Klägern zu 1. und 2. jedoch bei einer Rückkehr nach Kambodscha eine sonstige erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).

Dem Kläger zu 1. drohen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei einer Rückkehr nach Kambodscha Racheaktionen seitens des ehemaligen Botschafters und seiner Verbündeten. [...] Der Kläger hatte sich zuvor selbst mit einem Beschwerdeschreiben an das dortige Außenministerium gewandt, in dem er auch Korruptionsvorwürfe erhoben hat. Wie nicht nur der Kläger, sondern auch der Zeuge bestätigt hat, ist der Kläger durch diese Vorfälle in die Gefahr gekommen, private Racheakte des damaligen Botschafters zu erleiden, da es sich bei diesem um eine äußerst einflussreiche und zugleich rachsüchtige Person handelt. Der Zeuge sprach konkret von der Gefahr, dass man den Kläger verschwinden lassen könnte. Dies erscheint nach den vorliegenden Informationen nicht unwahrscheinlich zu sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zur Menschenrechtslage in Kambodscha ohnehin nur wenige Informationen vorliegen. Die Beklagte selbst hat eine Auskunft unter anderem darüber eingeholt, ob dem Kläger bei einer Rückkehr nach Kambodscha Gefahren drohen könnten, unter anderem wegen der Asylantragstellung. Das Auswärtige Amt hat in seiner Antwort vom 14. April 2015 mitgeteilt, eine individuelle Gefährdungsprognose könne nicht abgegeben werden. Gleichzeitig werden in dem Bericht von amnesty international 2015 über Kambodscha zahlreiche schwere Menschenrechtsverletzungen aufgeführt. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass sich der Kläger gegen Racheaktionen des ehemaligen Botschafters wirksam zur Wehr setzen kann.

Bei der Klägerin zu 2) liegt ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor, da bei ihr eine lebensbedrohliche Verschlechterung ihrer Hepatitis B-Erkrankung bei einer Abschiebung nach Kambodscha droht. Wie durch mehrere ärztliche Atteste belegt ist, leidet die Klägerin unter einer chronischen Hepatitis B-Infektion. Diese wird gegenwärtig mit dem Medikament Viread 245 mg/d behandelt. Dieses Medikament kostet in Deutschland schon pro Monat 529,37 Euro. Nach der Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Phnom Penh vom 7. März 2012, auf die sich die Beklagte berufen hat, findet eine Therapie einer chronischen Hepatitis (dort Typ C) in Kambodscha nur mit Interferon und Ribavirin statt. Die Behandlung in Privatkliniken sei mit Kosten von ca. 2.462,50 US-$ pro Monat verbunden. Kostenangaben aus öffentlichen Krankenhäusern seien trotz wiederholter Anfragen nicht zu erhalten gewesen. Danach kann eine Weiterbehandlung der Klägerin zu vertretbaren Kosten in Kambodscha nicht sichergestellt werden, wenn man in Rechnung stellt, dass der Durchschnittslohn in Kambodscha etwa 100,- US-$ pro Monat beträgt (vgl. dazu die Angaben des Auswärtigen Amtes zur Wirtschaft in Kambodscha - www.auswaertiges-amt.de - Länderinformationen Kambodscha) und die Kläger eine fünfköpfige Familie zu ernähren haben. [...]