Landesbehörden

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Zitieren als:
Landesbehörden, Entscheidung vom 16.02.2018 - 24a-2301/12/1 - asyl.net: M26106
https://www.asyl.net/rsdb/M26106
Leitsatz:

Innenministerium Sachsen zur Wohnsitzregelung nach § 12a AufenthG:

1. Die Verteilung von Schutzberechtigten innerhalb Sachsens nach § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG ist vor allem für die Versorgung mit angemessenem Wohnraum notwendig. Es ist davon auszugehen, dass die erforderlichen Integrationskriterien in jedem sächsischen Landkreis bzw. in jeder kreisfreien Stadt erfüllt sind.

2. Hinweise zum Verfahren zur Verpflichtung der Wohnsitznahme nach Anerkennung. Zuständig für den Erlass von Wohnsitzzuweisungen sind die unteren Ausländerbehörden. Betroffene sind regelmäßig vorher anzuhören (dies kann schriftlich erfolgen).

3. Die Wohnsitzzuweisung an einen bestimmten Ort innerhalb eines Landkreises steht im Ermessen der Ausländerbehörde.

4. Die Wohnsitzverpflichtung ist als Nebenbestimmung in den elektronischen Aufenthaltstitel (eAT) aufzunehmen.

(Zusammenfassung der Redaktion)

Schlagwörter: Wohnsitzauflage, Wohnsitzregelung, Wohnsitzverpflichtung, Zuweisung, Umverteilung, Verteilung, Erlass, Flüchtlingsanerkennung, subsidiärer Schutz, Abschiebungsverbot, Integration, Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen,
Normen: AufenthG § 12a, AufenthG § 12a Abs. 1, AufenthG § 12a Abs. 2, AufenthG § 12a Abs. 3, AsylG § 50, AsylG § 50 Abs. 1, AsylG § 50 Abs. 4,
Auszüge:

[...]
2. Nach Feststellung von SMGI ist davon auszugehen, dass die in § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG genannten Integrationskriterien im Freistaat Sachsen grundsätzlich kumulativ im Rahmen der auf den jeweiligen Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt entfallenden Quote nach § 6 Abs. 3 Satz 2 Sächsisches Flüchtlingsaufnahmegesetz (SächsFIüAG) erfüllt sind. [...]

2.1 Das Angebot an Sprach- und Integrationskursen weist landesweit grundsätzlich keine regionalen Unterschiede auf. In jedem sächsischen Landkreis bzw. in jeder kreisfreien Stadt werden Integrationskurse des BAMF durchgeführt. [...]

2.2 Auch die Integrationsmöglichkeiten in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sind im Freistaat Sachsen grundsätzlich landesweit erfüllt. [...]

2. Zuständigkeit für den Erlass von Wohnsitzzuweisungen

Sachlich zuständig für den Erlass von Wohnsitzzuweisungen nach § 12a Abs. 2 oder 3 AufenthG sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SächsAuslZuG die unteren Ausländerbehörden.

3. Verfahren der Wohnsitzzuweisung [...]

3.2. Verfahren der Wohnsitzzuweisung bei Anerkennung als Schutzberechtigter nach Verteilung auf die Landkreise und kreisfreien Städte

3.2.1 Wird dem Asylsuchenden vom BAMF der Anerkennungsbescheid nach seiner Verteilung auf einen Landkreis/eine kreisfreie Stadt bekanntgegeben, prüft die örtlich zuständige untere Ausländerbehörde, ob die zu integrierende Person unter den Anwendungsbereich des § 12a Abs. 1 Satz 1 AufenthG fällt. Die zuständige Ausländerbehörde kann davon ausgehen, dass die in § 12a Abs. 2 oder 3 AufenthG abgebildeten Integrationskriterien grundsätzlich für den betreffenden Landkreis/kreisfreie Stadt erfüllt sind. Die zuständige Ausländerbehörde ordnet eine Wohnsitzauflage für den Landkreis/die kreisfreie Stadt an, dem die zu integrierende Person bereits aufgrund der asylrechtlichen Verteilung zugewiesen wurde.

Die Zuweisung nach § 12a Abs. 2 oder 3 AufenthG muss innerhalb von sechs Monaten nach Anerkennung oder erstmaliger Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erfolgen. Nach § 12a Abs. 2 Satz 2 kann eine Zuweisung nach Satz 1 innerhalb von einmalig weiteren sechs Monaten erfolgen, soweit im Einzelfall eine Zuweisung angemessenen Wohnraums innerhalb von sechs Monaten nicht möglich war. Die Verpflichtung zur Wohnsitznahme darf längstens bis zum Ablauf von drei Jahren nach Anerkennung oder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis angeordnet werden.

Die Zuweisungsentscheidung soll unverzüglich nach Anerkennung als Schutzbedürftiger durch das BAMF bzw. erstmaliger Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 AufenthG unter Beachtung der nach § 12a Abs. 2 oder 3 AufenthG maßgeblichen Kriterien erfolgen.

3.2.2 Optional eröffnet § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG für die Landkreise die Möglichkeit, in den Landkreisen die Wohnsitzverpflichtung räumlich weiter einzugrenzen und eine Wohnsitznahme an einem bestimmten Ort innerhalb des Landkreises zu verfügen. Die unteren Ausländerbehörden entscheiden nach eigenem Ermessen, ob bzw. in welchen Fällen sie von dieser Option Gebrauch machen. In diesem Fall ergeht die Entscheidung über die Wohnsitzzuweisung im Benehmen mit der jeweiligen kreisangehörigen Gemeinde. Im Rahmen einer solchen Zuweisung ist auch das ÖPNV-Angebot vor Ort zu berücksichtigen.

Die kreisangehörigen Gemeinden sind verpflichtet, die zu integrierende Person aufzunehmen (vgl. § 12a Abs. 9 Nr. 5, Abs. 2, 3 AufenthG).

3.2.3 Zur Vermeidung von sozialer und gesellschaftlicher Ausgrenzung kann die zu integrierende Person gemäß § 12a Abs. 4 AufenthG verpflichtet werden, seinen Wohnsitz nicht an einem bestimmten Ort zu nehmen. Um einer solchen Entwicklung vorzubeugen, soll eine gleichmäßige Verteilung der anerkannten Schutzberechtigten auf die Landkreise und kreisfreien Städte erfolgen. So kann im Interesse einer gelingenden Integration bereits im Vorfeld der Bildung von integrationshemmenden ethnischen Schwerpunkten entgegengewirkt werden.

Die Ermächtigung der unteren Ausländerbehörde zur Verfügung von sog. negativen Wohnsitzauflagen nach § 12a Abs. 4 AufenthG bleibt von diesem Erlass unberührt. Für die Entscheidung ist die untere Ausländerbehörde zuständig.

3.3 Verfahren der Wohnsitzzuweisung bei Personen, denen nach §§ 22, 23 oder 25 Abs. 3 AufenthG erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist

Hinsichtlich Personen, denen nach den §§ 22, 23 oder 25 Abs. 3 AufenthG (Aufnahme aus dem Ausland, Aufnahme aufgrund humanitärer Aufnahmeanordnungen des Bundes oder des Landes, Resettlement-Flüchtlinge) erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, ordnet die zuständige Ausländerbehörde ebenfalls eine auf den jeweiligen Landkreis bzw. kreisfreie Stadt bezogene Wohnsitzauflage an oder verfügt eine auf einen bestimmten Ort innerhalb des Landkreises bzw. einer kreisfreien Stadt bezogene Wohnsitzauflage.

3.4 Verfahren der Wohnsitzzuweisunq bei Anerkennung als Schutzberechtigter vor Verteilung auf die Landkreise und Kreisfreien Städte

Für den Fall, dass dem Ausländer ausnahmsweise während seines Aufenthalts in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Freistaates Sachsen der Anerkennungsbescheid seitens des BAMF bekanntgegeben wird, ist es der LDS nach § 3 Nr. 2 SächsAuslG verwehrt, eine Wohnsitzauflage nach § 12a Abs. 2 oder 3 AufenthG zu verfügen.

Für diese in der Praxis nur ausnahmsweise auftretenden Fälle ist für die Verfügung einer Wohnsitzauflage nach § 12a Abs. 2 oder 3 AufenthG diejenige Ausländerbehörde zuständig, in deren Zuständigkeitsbereich die jeweilige Erstaufnahmeeinrichtung liegt, in welcher der zu integrierenden Person der Anerkennungsbescheid des BAMF bekanntgegeben wurde.

4. Anhörung

Die Wohnsitzzuweisung nach § 12a Abs. 2 oder 3 AufenthG ergeht durch Verwaltungsakt. Betroffene sind vor einer Zuweisungsentscheidung nach § 12a Abs. 2 oder 3 AufenthG regelmäßig anzuhören (§ 1 Satz 1 SächsVwVfZG i.V.m. 28 Abs. 1 VwVfG). Die Ausübung des Ermessens setzt in aller Regel eine Auseinandersetzung mit den individuellen Rechten des Betroffenen voraus, deren Ermittlung insbesondere die vorherige Anhörung des Betroffenen zu dienen bestimmt ist. Ein Absehen von der Anhörung im öffentlichen Interesse gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG wird regelmäßig nicht in Betracht kommen. Vielmehr hat die Ausländerbehörde nach dem Untersuchungsgrundsatz gemäß § 24 VwVfG von Amts wegen zu ermitteln und alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Insoweit hat sie nicht nur die Tatsachen zu ermitteln, die etwa erforderlich sind, um den Anwendungsbereich der Norm zu prüfen (z.B. das Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses), sondern insbesondere auch diejenigen Tatsachen, die zur Ausübung des von § 12a Abs. 2 oder 3 AufenthG eingeräumten Ermessens erforderlich sind.

Im Rahmen der Anhörung vorgebrachte oder sonst ersichtliche humanitäre Gründe oder integrationsrelevante Umstände sind bei der Zuweisungsentscheidung zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für Gründe, die geeignet wären, eine Aufhebung oder Änderung der Wohnsitzzuweisung nach § 12a Abs. 5 AufenthG zu rechtfertigen. Zu den integrationsrelevanten Umständen zählen auch Fragen der schulischen Integration. Zu diesen soll sich die untere Ausländerbehörde mit dem Landesamt für Schule und Bildung abstimmen. Im Übrigen wird auf Ziffer II.3. des o. g. Schreibens des SMI vom 6. September 2016 hingewiesen.

Die Anhörung kann in schriftlicher Form unter Verwendung eines standardisierten Anhörungsbogens erfolgen, welcher der zu integrierenden Person im Rahmen der Beantragung des entsprechenden Aufenthaltstitels auszuhändigen ist.

5. Nachträgliche Anpassung bzw. Aufhebung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme

5.1 Eine Anpassung bzw. Aufhebung der nach § 12a Abs. 1 bis 3 AufenthG erteilten Verpflichtung zur Wohnsitznahme erfolgt nach Maßgabe von § 12a Abs. 5 AufenthG.

5.2 In Fällen eines länderübergreifenden Wohnortwechsels wird auf die entsprechenden Ausführungen unter Ziffer II des Schreibens des SMI vom 1. November 2016 - Az.: StAs24-1310.10/113 (Anlage 3) hingewiesen.

5.3 In den Fällen eines landkreisübergreifenden Wohnortwechsels wird auf Ziffer 12.2.5.2.4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 (GMBl. 2009 S. 877) verwiesen. Danach bedarf eine Streichung oder Änderung der wohnsitzbeschränkenden Auflage zur Ermöglichung eines den Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde überschreitenden Wohnortwechsels der vorherigen Zustimmung durch die Ausländerbehörde des Zuzugsortes. Bei einer Verweigerung der Zustimmung hat die Ausländerbehörde des Zuzugsortes im Hinblick auf das von der Ausländerbehörde des bisherigen Wohnorts zu tragende Prozessrisiko alle Gründe für ihre Entscheidung mitzuteilen. Die Ausländerbehörde des Zuzugsortes darf die Zustimmung zur Streichung der Auflage nicht allein unter Hinweis darauf, dass der Zweck des Wohnsitzwechsels auch an einem anderen Ort erreicht werden kann, verweigern.

6. Familiennachzug

Nach § 12a Abs. 6 AufenthG werden Familienangehörige zur Wohnsitznahme verpflichtet, die der Verpflichtung zur Wohnsitznahme des Stammberechtigten; zu dem der Nachzug erfolgt, räumlich und zeitlich entspricht.

7. Elektronischer Aufenthaltstitel (eAT)

Die Verpflichtung zur Wohnsitznahme ist als Nebenbestimmung auf dem Zusatzblatt (vgl. Anlage D 11a zur Aufenthaltsverordnung) mit der entsprechenden Dauer aufzunehmen. [...]