EuGH

Merkliste
Zitieren als:
EuGH, Urteil vom 17.04.2018 - C-316/16 B. gg. Deutschland; C-424/16 Großbritannien gg. Vomero - Asylmagazin 7-8/2018, s. 273 ff. - asyl.net: M26169
https://www.asyl.net/rsdb/M26169
Leitsatz:

Zur Ausweisung von straffälligen EU-Staatsangehörigen:

1. EU-Staatsangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat ein Daueraufenthaltsrecht nach Art. 16 FreizügRL haben, genießen verstärkten Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 2 FreizügRL. Der nach 10 Jahren Aufenthalt darüber hinaus noch erheblich verstärkte Schutz vor Ausweisung aus Art. 28 Abs. 3 Bst. a FreizügRL setzt entgegen dem Wortlaut auch voraus, dass die betroffene Person daueraufenthaltsberechtigt ist.

2. Der 10-jährige Aufenthalt, der nach Art. 28 Abs. 3 Bst. a FreizügRL Voraussetzung für den besonders verstärkten Ausweisungsschutz ist, ist vom Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung zurückzurechnen. Der Aufenthalt von 10 Jahren muss ununterbrochen gewesen sein.

3. Zeiten, in denen die betroffene Person eine Freiheitsstrafe verbüßt, unterbrechen den erforderlichen 10-jährigen Aufenthalt nicht notwendigerweise. Im Einzelfall muss beurteilt werden, ob die Integrationsbande zum Aufnahmemitgliedstaat durch die Haft abgerissen sind oder nicht. Dabei ist die Art der begangenen Straftat und die Umstände ihrer Begehung sowie das Verhalten der betroffenen Person während der Haft zu berücksichtigen.

(Leitsätze der Redaktion)

Anmerkung:

Schlagwörter: Unionsbürger, Ausweisung, Integration, Aufenthaltsdauer, besonderer Ausweisungsschutz, Daueraufenthalt, Haft, schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, zwingende Ausweisung, Strafhaft, Freiheitsstrafe, Unionsbürgerrichtlinie,
Normen: AEUV Art. 267, RL 2004/38/EG Art. 28 Abs. 3 Bst. a, RL 2004/38/EG Art. 16, RL 2004/38/EG Art. 33, FreizügG/EU § 6, FreizügG/EU § 6 Abs. 5, RL 2004/38/EG Art. 28 Abs. 1, RL 2004/38/EG Art. 28 Abs. 2, RL 2004/38/EG Art. 16 Abs. 1, RL 2004/38/EG Art. 7 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage in der Rechtssache C-424/16

40 Mit seiner ersten Frage möchte der Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs) im Wesentlichen wissen, ob Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass der darin vorgesehene Schutz vor Ausweisung an die Voraussetzung geknüpft ist, dass der Betroffene über ein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne von Art. 16 und Art. 28 Abs. 2 dieser Richtlinie verfügt. [...]

44 Aus diesem Grund wird mit der Richtlinie 2004/38, wie aus ihrem 24. Erwägungsgrund hervorgeht, eine auf das Maß der Integration der betroffenen Personen im Aufnahmemitgliedstaat gestützte Regelung zum Schutz vor Ausweisungsmaßnahmen geschaffen, so dass der Schutz der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen vor Ausweisung umso stärker ist, je besser sie in den Aufnahmemitgliedstaat integriert sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 25, und vom 8. Dezember 2011, Ziebell, C-371/08, EU:C:2011:809, Rn. 70). [...]

48 Somit ergibt sich aus dem Wortlaut und aus der Systematik des Art. 28 der Richtlinie 2004/38, dass der darin vorgesehene Schutz vor Ausweisung anknüpfend an den Grad der Integration des betroffenen Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat stufenweise zunimmt.

49 Unter diesen Umständen kann ein Unionsbürger, auch wenn sich diese Klarstellung nicht im Wortlaut der betreffenden Bestimmungen findet, nur dann in den Genuss des verstärkten Schutzniveaus kommen, das durch Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 verbürgt ist, wenn er im Vorfeld die Voraussetzung für die Gewährung des Schutzes nach Art. 28 Abs. 2 dieser Richtlinie erfüllt, also über ein Recht auf Daueraufenthalt kraft Art. 16 der Richtlinie verfügt.

50 Bestätigung findet diese Auslegung des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 auch in seinem systematischen Zusammenhang.

51 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2004/38 hinsichtlich des Aufenthaltsrechts im Aufnahmemitgliedstaat ein abgestuftes System vorgesehen hat, das unter Übernahme im Wesentlichen der Stufen und Bedingungen, die in den vor dem Erlass dieser Richtlinie bestehenden einzelnen Instrumenten des Unionsrechts vorgesehen waren, sowie der zuvor ergangenen Rechtsprechung im Recht auf Daueraufenthalt mündet (Urteil vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C-424/10 und C-425/10, EU:C:2011:866, Rn. 38).

52 Erstens nämlich beschränkt Art. 6 der Richtlinie 2004/38 für Aufenthalte bis zu drei Monaten die für das Aufenthaltsrecht geltenden Bedingungen oder Formalitäten auf das Erfordernis des Besitzes eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses und erhält Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie das Aufenthaltsrecht für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen aufrecht, solange sie die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen (Urteil vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C-424/10 und C-425/10, EU:C:2011:866, Rn. 39).

53 Zweitens ist bei einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten die Ausübung des Aufenthaltsrechts von den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 abhängig und steht nach Art. 14 Abs. 2 dieser Richtlinie Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen dieses Recht nur so lange zu, wie sie diese Voraussetzungen erfüllen. Insbesondere ist dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie zu entnehmen, dass diese Voraussetzungen u. a. verhindern sollen, dass die betreffenden Personen die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nehmen (Urteil vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C-424/10 und C-425/10, EU:C:2011:866, Rn. 40).

54 Drittens geht aus Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 hervor, dass jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht hat, sich dort auf Dauer aufzuhalten, und dass dieses Recht nicht an die in der vorstehenden Randnummer genannten Voraussetzungen geknüpft ist. Wie im 18. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ausgeführt, soll das einmal erlangte Recht auf Daueraufenthalt, um ein wirksames Instrument für die Integration in die Gesellschaft dieses Staates darzustellen, keinen Bedingungen unterworfen sein (Urteil vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C-424/10 und C-425/10, EU:C:2011:866, Rn. 41).

55 Aus dem Vorstehenden ergibt sich somit, dass im Unterschied zum Unionsbürger, der das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat und aus dem Aufnahmemitgliedstaat nur aus den in Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 genannten Gründen ausgewiesen werden kann, ein Bürger, der kein Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, gegebenenfalls, wie sich aus Kapitel III dieser Richtlinie ergibt, aus dem Aufnahmemitgliedstaat ausgewiesen werden kann, wenn er dessen Sozialhilfeleistungen unangemessen in Anspruch nimmt.

56 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 57 und 58 seiner Schlussanträge festgestellt hat, kann aber ein Unionsbürger, der in Ermangelung des Rechts auf Daueraufenthalt möglicherweise ausgewiesen werden kann, wenn er Sozialhilfeleistungen unangemessen in Anspruch nimmt, nicht zugleich den erheblich verstärkten Schutz des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 genießen, der seine Ausweisung nur aus "zwingenden Gründen" der öffentlichen Sicherheit zulassen würde, womit, wie im 24. Erwägungsgrund dieser Richtlinie erläutert, auf "außergewöhnliche Umstände" verwiesen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 40).

57 Als Zweites ist auch in Erinnerung zu rufen, dass, wie im 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38 hervorgehoben wird, das Recht auf Daueraufenthalt entscheidend zum sozialen Zusammenhalt beiträgt und  mit dieser Richtlinie vorgesehen wurde, um das Gefühl der Unionsbürgerschaft zu verstärken, weshalb der Unionsgesetzgeber die Erlangung eines Daueraufenthaltsrechts nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 von der Integration des Unionsbürgers in den Aufnahmemitgliedstaat abhängig gemacht hat (Urteil vom 16. Januar 2014, Onuekwere, C-378/12, EU:C:2014:13, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58 Wie vom Gerichtshof bereits befunden, beruht die Integration, von der der Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 geleitet ist, nicht nur auf territorialen und zeitlichen Umständen, sondern auch auf qualitativen Elementen im Zusammenhang mit dem Grad der Integration im Aufnahmemitgliedstaat (Urteil vom 16. Januar 2014, Onuekwere, C-378/12, EU:C:2014:13, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59 Was den Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts anbelangt, den die Wendung "der sich rechtmäßig … aufgehalten hat" in Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 impliziert, so ist darunter ein Aufenthalt zu verstehen, der im Einklang mit den in dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen, insbesondere denjenigen, die in deren Art. 7 Abs. 1 angeführt sind, steht (Urteil vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C-424/10 und C-425/10, EU:C:2011:866, Rn. 46).

60 Ein Unionsbürger, der, weil er diese Voraussetzungen nicht erfüllt, nicht das Recht auf Daueraufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erworben hat und sich darum nicht auf das durch Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 verbürgte Ausweisungsschutzniveau berufen kann, kann aber erst recht nicht in den Genuss des erheblich verstärkten Ausweisungsschutzniveaus kommen, das Art. 28 Abs. 3 Buchst. a dieser Richtlinie vorsieht.

61 Nach alledem ist auf die erste Frage in der Rechtssache C-424/16 zu antworten, dass Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass der darin vorgesehene Schutz vor Ausweisung an die Voraussetzung geknüpft ist, dass der Betroffene über ein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne von Art. 16 und von Art. 28 Abs. 2 dieser Richtlinie verfügt. [...]

Zu den Fragen 1 bis 3 in der Rechtssache C-316/16

63 Mit seinen zusammen zu prüfenden ersten drei Fragen möchte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Wesentlichen wissen, ob die in Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 gestellte Anforderung, den "Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat" gehabt zu haben, dahin auszulegen ist, dass – und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen – sie von einem Unionsbürger erfüllt werden kann, der in jungem Alter in einen anderen Mitgliedstaat als denjenigen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, gekommen ist und dort 20 Jahre lang gelebt hat, bevor er dort zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die zu dem Zeitpunkt, in dem eine Ausweisungsverfügung gegen ihn ergeht, im Vollzug begriffen ist. [...]

65 Daraus folgt insbesondere, dass der für die Gewährung des verstärkten Schutzes gemäß Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 erforderliche Aufenthalt von zehn Jahren vom Zeitpunkt der Verfügung der Ausweisung der betreffenden Person an zurückzurechnen ist (Urteil vom 16. Januar 2014, G., C-400/12, EU:C:2014:9, Rn. 24).

66 Zweitens ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass dieser Aufenthaltszeitraum von zehn Jahren grundsätzlich ununterbrochen gewesen sein muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Januar 2014, G., C-400/12, EU:C:2014:9, Rn. 27). [...]

70 Was die Frage betrifft, ob gegebenenfalls Zeiträume der Verbüßung einer Haftstrafe als solche und unabhängig von Zeiten der Abwesenheit vom Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats ebenfalls zu einem Abreißen des Bandes zu diesem Staat und zu einer Diskontinuität des Aufenthalts dort führen können, hat der Gerichtshof entschieden, dass zwar solche Zeiträume grundsätzlich die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 unterbrechen. Für die Zwecke der Feststellung, ob sie damit zu einem Abreißen des zuvor geknüpften Bandes der Integration zum Aufnahmemitgliedstaat dergestalt geführt haben, dass der Betroffene nicht mehr in den Genuss des durch diese Bestimmung verbürgten verstärkten Schutzes kommen kann, ist aber gleichwohl eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt. Im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung sind die Zeiträume der Verbüßung einer Haftstrafe zusammen mit allen anderen Anhaltspunkten zu berücksichtigen, die die Gesamtheit der im Einzelfall relevanten Gesichtspunkte ausmachen, wozu gegebenenfalls der Umstand zählt, dass der Betroffene in den letzten zehn Jahren vor seiner Inhaftierung seinen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Januar 2014, G., C-400/12, EU:C:2014:9, Rn. 33 bis 38). [...]

72 Im Rahmen der oben in Rn. 70 angesprochenen umfassenden Beurteilung, die hier vom vorlegenden Gericht vorzunehmen sein wird, wird dieses, was die Integrationsbande betrifft, die B. in der Zeit des Aufenthalts vor seiner Inhaftierung zum Aufnahmemitgliedstaat geknüpft hat, zu berücksichtigen haben, dass, je fester diese Integrationsbande zu dem besagten Staat insbesondere in gesellschaftlicher, kultureller und familiärer Hinsicht sind – in einem Maße beispielsweise, dass sie zu einer echten Verwurzelung in der Gesellschaft dieses Staates geführt haben, wie sie vom vorlegenden Gericht im Ausgangsverfahren festgestellt worden ist –, umso geringer die Wahrscheinlichkeit sein wird, dass eine Verbüßung einer Freiheitsstrafe zu einem Abreißen der Integrationsbande und damit zu einer Diskontinuität des Aufenthalts von zehn Jahren im Sinne des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 geführt haben kann. [...]

75 In letzterer Hinsicht ist auch zu berücksichtigen, dass, wie vom Gerichtshof bereits festgestellt, die Resozialisierung des Unionsbürgers in dem Staat, in den er vollständig integriert ist, nicht nur im Interesse dieses Staates, sondern auch im Interesse der Europäischen Union insgesamt liegt (Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 50). [...]

83 Nach alledem ist auf die ersten drei Fragen in der Rechtssache C-316/16 zu antworten, dass Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass im Fall eines Unionsbürgers, der eine Freiheitsstrafe verbüßt und gegen den eine Ausweisungsverfügung ergeht, die Voraussetzung dieser Bestimmung, den "Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat" gehabt zu haben, erfüllt sein kann, sofern eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte zu dem Schluss führt, dass die Integrationsbande, die ihn mit dem Aufnahmemitgliedstaat verbinden, trotz der Haft nicht abgerissen sind. Zu diesen Gesichtspunkten gehören insbesondere die Stärke der vor der Inhaftierung des Betroffenen zum Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsbande, die Art der die verhängte Haft begründenden Straftat und die Umstände ihrer Begehung sowie das Verhalten des Betroffenen während des Vollzugs.

Zur vierten Frage in der Rechtssache C-316/16

84 Mit seiner vierten Frage möchte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Wesentlichen wissen, zu welchem Zeitpunkt zu beurteilen ist, ob die Voraussetzung des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38, den "Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat" gehabt zu haben, erfüllt ist. [...]

86 Aus diesem Wortlaut ergibt sich, dass unter "den letzten zehn Jahren" die zehn Jahre vor der Ausweisungsverfügung zu verstehen sind, so dass die Voraussetzung des ununterbrochenen zehnjährigen Aufenthalts zum Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung zu prüfen ist. [...]

95 Nach alledem ist auf die vierte Frage in der Rechtssache C-316/16 zu antworten, dass Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass die Frage, ob eine Person die Voraussetzung dieser Bestimmung, den "Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat" gehabt zu haben, erfüllt, zu dem Zeitpunkt zu beurteilen ist, zu dem die ursprüngliche Ausweisungsverfügung ergeht. [...]