OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 05.04.2019 - 13 ME 25/19 - asyl.net: M27226
https://www.asyl.net/rsdb/M27226
Leitsatz:

Spezielle europarechtliche Erteilungsvoraussetzungen für Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG:

"Im Rahmen der Entscheidung über die Versagung eines Aufenthaltstitels nach § 38a AufenthG wird die Regel­erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch Art. 17 der Richtlinie 2003/109/EG europa­rechtlich überformt. Erforderlich sind gewichtige Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit. Zudem sind Art und Schwere des Verstoßes oder die von dem Ausländer ausgehende Gefährdung und das Interesse des Ausländers an der Verwirklichung seines Rechts auf Aufenthalt gegeneinander abzuwägen."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Daueraufenthalt, Daueraufenthaltsberechtigte, Drittstaatsangehörige, Gesetzesverstoß, Straftat, Ordnungswidrigkeit, Suspensiveffekt, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, öffentliche Sicherheit und Ordnung, gewichtige Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Daueraufenthaltsrichtlinie,
Normen: AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, AufenthG § 38a , 2003/109/EG Art. 17, AufenthG § 53 Abs. 3, AufenthG § 54,
Auszüge:

[...]

9 Der danach gegebene Verstoß gegen Rechtsvorschriften reicht jedoch für eine Versagung eines Aufenthaltstitels nach § 38a AufenthG nicht aus. Nach Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109/EG können die Mitgliedstaaten einem langfristig Aufenthaltsberechtigten oder seinen Familienangehörigen den Aufenthalt versagen, wenn die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt. Trifft der Mitgliedstaat eine entsprechende Entscheidung, so berücksichtigt er die Schwere oder die Art des von dem langfristig Aufenthaltsberechtigten oder seinem bzw. seinen Familienangehörigen begangenen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit bzw. die von der betreffenden Person ausgehende Gefahr. Diese unionsrechtliche Regelung überformt die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Wortlaut und Entstehungsgeschichte sprechen dafür, dass für die Auslegung des Art. 6 Abs. 2 (Versagung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten) und Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie die gleichen Grundsätze gelten. Die in beiden Vorschriften errichtete Gefahrenschwelle ist zwar niedriger als die für die Ausweisung langfristig Aufenthaltsberechtigter geltende Schwelle des Art. 12 der Richtlinie. Eine Versagung kann danach im Sinne des Art. 17 der Richtlinie gerechtfertigt sein, wenn der Ausländer auf Grund der von ihm begangenen Straftaten eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung darstellt. Ein Versagungsgrund ist aber nicht schon immer dann gegeben, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 (Abs. 2 Nr. 9) AufenthG besteht. Bei der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG sind vielmehr gewichtige Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, um die Versagung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 38a AufenthG rechtfertigen zu können. Weitere Voraussetzung ist zudem, dass im Hinblick auf Art und Schwere des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit oder die von dem Ausländer ausgehende Gefährdung das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das Interesse des Ausländers an der Verwirklichung seines Rechts auf Aufenthalt überwiegt (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 11.2.2013 - 19 AS 12.2476 -, juris Rn. 18 ff.; Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Aufl. 2018, § 38a AufenthG Rn. 54 ff.; Hailbronner, AuslR, Loseblatt, Stand November 2018, § 38a AufenthG Rn. 22). Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 AufenthG kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. [...]