BVerwG

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Zitieren als:
BVerwG, Entscheidung vom 20.11.2018 - 1 C 23.17 - asyl.net: M27281
https://www.asyl.net/rsdb/M27281
Leitsatz:

Kein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens trotz Änderung des Bundesvertriebenengesetzes:

"Ein Aufnahmebewerber, dessen Aufnahmeantrag nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) bestandskräftig abgelehnt worden ist, hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, wenn sich zwar bestimmte rechtliche Voraussetzungen für die Erteilung des begehrten Aufnahmebescheides nachträglich geändert haben, der bestandskräftige Ablehnungsbescheid jedoch auch auf einen Ablehnungsgrund gestützt worden ist, zu dem der Betroffene keinen durchgreifenden Wiederaufnahmegrund geltend gemacht hat."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Aufnahmebescheid, Bundesvertriebenengesetz, Änderung der Rechtslage, Wiederaufnahmegründe, Entscheidungserheblichkeit, Prüfungsumfang, Streitgegenstand,
Normen: VwVfG § 51 Abs. 1, VwVfG § 51 Abs. 5, VwVfG § 48, VwVfG § 49, BVFG § 6 Abs. 2, BVFG § 27 Abs. 3 S.1, VwGO § 79 Abs. 1 Nr. 1
Auszüge:

[...]

18 d) Mit Bundesrecht unvereinbar ist hingegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass sich allein aus der Änderung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Sprachanforderungen bereits ein Anspruch der Klägerin auf Wiederaufgreifen des Verfahrens ergibt, ohne dass auch hinsichtlich des zweiten, selbstständig tragenden Ablehnungsgrundes - der fehlenden Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen - ein durchgreifender Wiederaufnahmegrund vorgebracht sein müsste. Denn eine Änderung der Sach- und/oder Rechtslage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist nicht entscheidungserheblich, wenn sie sich nur auf einen von mehreren Ablehnungsgründen bezieht, die für den unanfechtbaren Ablehnungsbescheid je für sich ausschlaggebend waren. Eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- bzw. Rechtslage liegt bei mehreren selbstständig tragenden Ablehnungsgründen nur vor, wenn sie sich auf alle Ablehnungsgründe auswirkt. Denn hinsichtlich eines nicht von Wiederaufnahmegründen betroffenen Ablehnungsgrundes bleibt die Bestandskraft des ablehnenden Bescheides bestehen und steht einer neuen Sachentscheidung auf der Grundlage der aktuellen (möglicherweise gewandelten) Rechtsauffassung entgegen (soweit die Behörde das Verfahren nicht nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG wiederaufgreift, dazu unten 2.).

19 aa) Die Behörde darf einen bestandskräftigen Verwaltungsakt nach § 51 Abs. 1 VwVfG nicht beliebig aufheben oder ändern. Die Befugnis zu einer neuen Sachentscheidung reicht bei § 51 Abs. 1 VwVfG vielmehr nur so weit, wie der festgestellte Wiederaufnahmegrund dies rechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 2016 - 1 C 20.15 - juris Rn. 22; Beschlüsse vom 5. August 1987 - 9 B 318.86 - Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG Nr. 6 S. 2 f. und vom 15. September 1992 - 9 B 18.92 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 69 S. 67 f.). Für den Fall mehrerer selbstständig tragender Ablehnungsgründe folgt hieraus, dass es für einen erfolgreichen Wiederaufnahmeantrag nach § 51 Abs. 1 VwVfG nicht ausreicht, wenn nur hinsichtlich eines Ablehnungsgrundes ein durchgreifender Wiederaufnahmegrund geltend gemacht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1987 - 9 C 285.86 - BVerwGE 78, 332 <336 f.>). [...]