OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 27.05.2020 - 13 ME 151/20, 13 PA 152/20, 13 OA 153/20 - asyl.net: M28554
https://www.asyl.net/rsdb/M28554
Leitsatz:

Spurwechsel aus Aufenthalt zu Studienzwecken nur eingeschränkt möglich:

1. In § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist abschließend geregelt, in welchen Fällen eine Person mit einem Aufenthaltstitel zu Studienzwecken vor erfolgreichem Abschluss des Studiums eine Aufenthaltserlaubnis aus anderen Gründen erhalten kann.

2. Der Wechsel hin zu einer Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration nach § 25b AufenthG ist hiernach grundsätzlich ausgeschlossen.

3. Es handelt es sich auch dann nicht um einen gesetzlichen Anspruch im Sinne von § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG, wenn der Aufenthaltstitel im Inland eingeholt werden kann und das behördliche Ermessen intendiert ist.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Studium, Wechsel des Aufenthaltszwecks, Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, Ermessen,
Normen: AufenthG § 25b, AufenthG § 16b Abs. 4 Satz 1,
Auszüge:

[...]

4 Diese Einwände greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 AufenthG an den Antragsteller schon § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG entgegensteht.

5 Nach § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG in der hier maßgeblichen (vgl. zum grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtslage bei einer Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Aufenthaltstitels: BVerwG, Urt. v. 15.8.2019 - BVerwG 1 C 23.18 -, juris Rn. 12; Senatsurt. v. 3.5.2018 - 13 LB 223/17 -, juris Rn. 27 jeweils m.w.N.) Fassung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1307) darf während eines Aufenthalts zum Zweck des Vollzeitstudiums an einer staatlichen Hochschule, an einer staatlich anerkannten Hochschule oder an einer vergleichbaren Bildungseinrichtung einschließlich studienvorbereitender Maßnahmen und des Absolvierens eines Pflichtpraktikums eine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck nur zum Zweck einer qualifizierten Berufsausbildung, der Ausübung einer Beschäftigung als Fachkraft, der Ausübung einer Beschäftigung mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen nach § 19c Abs. 2 AufenthG oder in Fällen eines gesetzlichen Anspruchs erteilt werden. Diese Regelung betrifft - wie zuvor § 16 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit § 16b Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 AufenthG a.F. (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 26.9.2018 - 13 ME 159/18 -, V.n.b. Umdruck S. 8 ff. m.w.N.) - den Zweckwechsel während eines Aufenthalts nach § 16b Abs. 1 AufenthG, mithin bis zu einem erfolgreichen Abschluss des Studiums und Aushändigung des entsprechenden Abschlusszeugnisses. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers ist es, einen Zweckwechsel vor erfolgreichem Abschluss des Studiums (also bei Abbruch oder erfolgloser Beendigung) nur noch in den Fällen des § 16b Abs. 4 AufenthG zu gestatten und im Übrigen auszuschließen. "Danach darf eine Aufenthaltserlaubnis künftig vor erfolgreichem Abschluss des Studiums zu einem anderen Zweck als dem des Studiums neben den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs zum Zweck der Berufsausbildung nach § 16a, zur Ausübung einer Beschäftigung als Fachkraft (vgl. Regelungen in Abschnitt 4, insb. den §§ 18a und 18b, siehe Artikel 1 Nummer 12) und zur Ausübung einer Beschäftigung mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen nach § 19c Absatz 2 erteilt werden. Dies gilt insbesondere auch für Fälle, in denen das Studium ohne Abschluss beendet wird (Studienabbrecher)." (so ausdrücklich Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, BT-Drs. 19/8285, S. 91).

6 Der vom Antragsteller während eines Aufenthalts zu Studienzwecken erstrebte Wechsel des Aufenthaltszwecks hin zu einem humanitären Aufenthalt bei nachhaltiger Integration ist mithin nach § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG grundsätzlich ausgeschlossen.

7 Der Antragsteller kann sich auch nicht erfolgreich auf eine der in § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG genannten Ausnahmen berufen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der hier allein in Betracht zu ziehenden letzten Alternative "eines gesetzlichen Anspruchs" sind ersichtlich nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers besteht ein gesetzlicher Anspruch nicht schon deshalb, weil ein Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einholen darf. Der gesetzliche Anspruch muss sich vielmehr unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Ein derart strikter Rechtsanspruch setzt voraus, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, weil nur dann der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen hat. Regelansprüche, Ansprüche aufgrund von Sollvorschriften und Ansprüche aufgrund einer Ermessensvorschrift führen hingegen nicht zu einem gesetzlichen Anspruch, und zwar auch dann nicht, wenn das Ermessen im Einzelfall "auf Null" reduziert ist (vgl. Senatsbeschl. v. 5.9.2017 - 13 LA 129/17 -, juris Rn. 11 ff. m.w.N. (zu § 10 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 AufenthG)). Hiernach ist der Anspruch auf Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration kein gesetzlicher Anspruch im Sinne des § 16b Abs. 4 Satz 1 letzte Alternative AufenthG, da die Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG dem Ausländer nur erteilt werden "soll". Es ist auch nicht ersichtlich, dass § 25b Abs. 5 Satz AufenthG, der sich nur auf die Titelerteilungssperre nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bezieht, oder eine andere Vorschrift des Aufenthaltsgesetzes eine weitere Ausnahme von dem grundsätzlichen Zweckwechselverbot des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG für die Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration bestimmt. [...]