OVG Sachsen-Anhalt

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Zitieren als:
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.08.2016 - 2 O 31/16 - asyl.net: M28605
https://www.asyl.net/rsdb/M28605
Leitsatz:

Psychologische Stellungnahme für Glaubhaftmachung psychischer Erkrankungen nicht ausreichend:

"Die Vorlage einer psychologischen Stellungnahme genügt nicht, um anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung in Form einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und eine erhöhte Suizidgefahr im Fall einer Abschiebung glaubhaft zu machen [...]."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: psychische Erkrankung, Reisefähigkeit, Abschiebung, Sachverständigengutachten, Psychologe, Glaubhaftmachung, Posttraumatische Belastungsstörung, Suizidgefahr,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2c S. 2,
Auszüge:

[...]

7 Ist eine die Abschiebung beeinträchtigende Erkrankung nicht durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht und die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit damit nicht widerlegt, kommt eine Aussetzung der Abschiebung in der Regel nicht in Betracht. Eine Ermittlungspflicht der Ausländerbehörde besteht in diesem Fall grundsätzlich nicht (vgl. Beschl. d. Senats v. 21.06.2016 – 2 M 16/16 –). [...]

9 [...] Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den psychologischen Stellungnahmen der Dipl.-Psychologin ... vom Psychosozialen Zentrum für Migrantinnen und Migranten in Sachsen-Anhalt vom ... 2014, ... 2014 und ... 2015, in denen diese bei dem Antragsteller zu 1 eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome sowie eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) diagnostiziere und einschätzte, dass im Fall seiner Rückführung die Gefahr eines Suizids bestehe. Hierbei handelt es sich nicht um qualifizierte ärztliche Bescheinigungen i.S.d. § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG. Sie ist daher zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung der Reisefähigkeit bzw. zur Glaubhaftmachung der Reiseunfähigkeit nicht ausreichend. Mit der Beschränkung der berücksichtigungsfähigen Unterlagen auf qualifizierte ärztliche Bescheinigungen wollte der Gesetzgeber den Schwierigkeiten bei der Bewertung von Bescheinigungen nur schwer diagnostizier- und überprüfbarer Erkrankungen psychischer Art, insbesondere der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), Rechnung tragen (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 19 f.). Atteste von Psychotherapeuten, Psychologen oder psychosozialen "Behandlungszentren für Folteropfer" bleiben danach gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG bei der Beurteilung der Reisefähigkeit grundsätzlich außer Betracht (vgl. Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Nachtrag zur 11. Auflage 2016, § 60a AufenthG RdNr. N3). Allenfalls im Wege einer Gesamtschau können derartige Atteste ergänzend zu anderen Erkenntnissen, die nicht die Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung i.S.d. § 60a Abs. 2 Satz 2 AufenthG erfüllen, zu anderweitigen tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Erkrankung i.S.d. § 60a Abs. 2d Satz 2 AufenthG beitragen (vgl. Beschl. d. Senats v. 21.06.2016 – 2 M 16/16 –). [...]