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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 20.05.2020 - XIII ZB 30/19 - asyl.net: M28612
https://www.asyl.net/rsdb/M28612
Leitsatz:

Kein zulässiger Haftantrag aufgrund unzureichender Darlegung der erforderlichen Haftdauer:

Die Haftanordnung im vorliegenden Verfahren ist rechtswidrig, da es an einem zulässigen Haftantrag fehlte. Im Antrag wurde die die Dauer der beantragten Haft von zwei Monaten nur allgemein durch Textbausteine ohne konkreten Bezug zum Fall des Betroffenen begründet.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Haftantrag, Haftdauer, Abschiebungshaft, Begründungserfordernis,
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 S. 2,
Auszüge:

[...]

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falles wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. März 2019 - V ZB 130/17, juris Rn. 4, vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 6 und vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 26/19, juris Rn. 6).

b) Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht, weil er keine den Anforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG genügenden Angaben zur erforderlichen Dauer der Haft enthält.

aa) Die Dauer der beantragten Haft von zwei Monaten wird in dem Antrag wie folgt begründet: Die beantragte Haftdauer sei angemessen und erforderlich, da für die Ausweisung, die Flugbuchung, die Organisation der Abschiebung und den Transport zum Flughafen der beantragte Haftzeitraum vom 18. Oktober bis zum 17. Dezember 2017 benötigt werde. Im Hinblick auf das geplante Zielland (hier: Nigeria) seien zum Zeitpunkt der Antragstellung keine Durchführungshindernisse bekannt. Eine Abschiebung innerhalb der nächsten vier Wochen sei somit möglich. Der beantragte Haftrahmen sei somit erforderlich, weil die Vorbereitung der Abschiebung, die Flugbuchung, Bereitstellung von Begleitpersonal usw., erfahrungsgemäß eine entsprechende Zeit beanspruche.

bb) Diese Angaben sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, unzureichend (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, näher BGH, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, FGPrax 2012, 225 Rn. 10). Die beteiligte Behörde hat die Dauer der Haft ohne Bezug zum Fall des Betroffenen mit drei allgemein einsetzbaren Textbausteinen begründet. Nach der ersten Passage in der Begründung des Haftantrags soll die Abschiebung des Betroffenen unter Berücksichtigung des Aufwands für Ausweisung, Flugbuchung und Organisation zwei Monate in Anspruch nehmen. Diese Ausführungen lassen den erforderlichen Bezug zum Fall des Betroffenen vermissen. In seinem Fall waren die Ausweisung durch das Bundesamt erfolgt, der Flug bereits gebucht und gültige Papiere vorhanden. Die Aussage steht zudem im Widerspruch zur dritten Passage der Begründung, wonach die Abschiebung des Betroffenen nur vier Wochen in Anspruch nehmen soll. Auch in dieser Passage wird nicht berücksichtigt, dass für den Betroffenen bereits der Flug gebucht war und dieser auch nicht, worauf die Formulierung "Bereitstellung von Begleitpersonal" aber zugeschnitten ist, begleitet abgeschoben werden sollte. In der zweiten Passage der Begründung wird der für die Sicherung der Abschiebung des Betroffenen benötigte Zeitraum von vier Wochen lediglich damit begründet, dass keine Durchführungshindernisse ersichtlich seien. Eine Begründung, die diesen oder den beantragten doppelt so langen Haftzeitraum mit konkretem Bezug zum Fall des Betroffenen (erfolgte Flugbuchung, Vorhandensein gültiger Ausweispapiere, unbegleitete Abschiebung) nachvollziehbar erklärt (etwa Art des Fluges, Buchungslage der in Betracht kommenden Luftverkehrsunternehmen, ansteuerbare Flughäfen im Zielland usw.) fehlt. Sie ergibt sich auch nicht, wenn man die Ausführungen in dem Haftantrag der beteiligten Behörde mit dem Beschwerdegericht dahin versteht, dass wegen Fehlens von Abschiebehindernissen grundsätzlich eine Abschiebung innerhalb von vier Wochen möglich, wegen der Notwendigkeit von Flugbuchung und Bereitstellung von Personal jedoch ein Zeitraum von zwei Monaten erforderlich sei. Auch bei diesem Verständnis fehlt den Ausführungen der konkrete Bezug zum Fall des Betroffenen. Das wird auch daran deutlich, dass der Flug nach den Angaben der beteiligten Behörde bei Antragstellung bereits gebucht und eine begleitete Abschiebung nicht geplant war. In dem Haftantrag werden vielmehr abstrakte Textbausteine verwendet, die beziehungslos zueinander stehen. Das genügt den Anforderungen nicht. [...]