OVG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10.02.2003 - 4 L 169/02 - asyl.net: M3729
https://www.asyl.net/rsdb/M3729
Leitsatz:

Bei einer Rückkehr in die DR Kongo drohen Minderjährigen im gegenwärtigen Zeitpunkt keine extreme Gefahr für Leben und körperliche Unversehrtheit. (Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Demokratische Republik Kongo, Minderjährige, Kinder, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Semi-Immunität, Malaria, Infektionsrisiko, Extreme Gefahrenlage, Medizinische Versorgung, Hilfsorganisationen
Normen: AuslG § 53 Abs. 6
Auszüge:

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, im Hinblick auf den minderjährigen Kläger zu 2) das Vorliegen der Voraussetzungen von § 53 Abs. 6 AuslG festzustellen, weil eine extreme Gefahr für Leben und körperliche Unversehrtheit des Klägers zu 2) als allein geltend gemachte Tatsachengrundlage des im Berufungsverfahren streitigen Anspruchs aus § 53 Abs. 6S. 1 AuslG im Falle einer Rückkehr des Klägers zu 2) in die DR Kongo im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht besteht.

Eine extreme Gefährdungslage zu Lasten des Klägers im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vermag der Senat in Anlehnung an die bereits vom Verwaltungsgericht in das Verfahren eingeführte Entscheidung des OVG Münster vom 18. April 2002 - 4 A 3113/95.A - und die in jener Entscheidung herangezogenen und verwerteten Auskünfte und Stellungnahmen - insbesondere auch die Gutachten von Prof Dr. Dietrich, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Hamburg, vom 7. April 2002 und von Dr. Junghanss vom 9. Februar 2001 und 15. Oktober 2001 - nicht anzuerkennen. In diesem Zusammenhang teilt der Senat insbesondere auch die Einschätzung des OVG Münster, dass es sich bei der Malaria um eine in der Demokratischen Republik Kongo besonders häufig auftretende, der Bevölkerung in ihrem Erscheinungsbild "vertraute" Infektionskrankheit handelt, für die in der Bevölkerung ein allgemeines Risikobewusstsein vorhanden ist, welches bei hinreichend verantwortungsbewusstem Handeln ein rechtzeitiges Erkennen und eine Behandlung der Krankheit mit den im Raum Kinshasa in ausreichender Menge vorhandenen und erhältlichen Medikamenten sicherstellt. Dabei ist auch von Bedeutung, dass nach den nachvollziehbaren Feststellungen des OVG Münster in der bereits genannten Entscheidung selbst bei eigener völliger Mittellosigkeit noch eine ausreichende Versorgung mit Malaria-Medikamenten gewährleistet ist, weil insoweit die Tätigkeit von in der Demokratischen Republik Kongo tätigen Hilfsorganisationen in Anspruch genommen werden kann. Die auch im Raum Kinshasa bestehende Möglichkeit der erfolgreichen Behandlung einer "rechtzeitig" erkannten Malariaerkrankung mit den notwendigen Medikamenten, deren Vorhandensein vor Ort auch das Gutachten des Dr. Junghanss vom 15. Oktober 2001 nicht in Frage stellt (vgl. dort Ziffer 7 b), trägt zur Überzeugung des Senats die rechtliche Bewertung, dass eine extreme Gefährdungslage im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als Grundlage der Zuerkennung eines individuellen Anspruchs aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in der Demokratischen Republik Kongo jedenfalls zurzeit nicht vorliegt. Sie lässt sich insbesondere - ohne weiteres nachvollziehbar - auf die gutachtliche Aussage in der Stellungnahme des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin -Klinische Abteilung (Leiter: Prof.Dr. M. Dietrich) - vom 02. April 2002 stützen, "dass bei rechtzeitigem Erkennen und alsbaldiger Behandlung - für die der erkrankungsgefährdete Rückkehrer eigenverantwortlich Sorge zu tragen hat - "die Sterblichkeitsrate der Malaria tropica gegen Null" strebt.