OVG Nordrhein-Westfalen

Merkliste
Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.06.2004 - 18 B 876/04 - asyl.net: M5348
https://www.asyl.net/rsdb/M5348
Leitsatz:

Für die Verwirklichung des Straftatbestandes nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG und damit für die Erfüllung eines Ausweisungsgrundes ist es unerheblich, ob die Aufenthaltsgenehmigung aufgrund der unrichtigen Angaben tatsächlich erteilt worden ist oder ob aus weiteren Gründen ohnehin eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen gewesen wäre, da es sich bei der Vorschrift um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt. (Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Ausweisung, Straftäter, Erschleichen einer Aufenthaltsgenehmigung, Falschangaben, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerung, Ehe, Unbefristete Aufenthaltserlaubnis, Eigenständiges Aufenthaltsrecht, Ermessen
Normen: VwGO § 146 Abs. 4 S. 6; AuslG § 45; AuslG § 46 Nr. 2; AuslG § 92 Abs. 2 Nr. 2; AuslG § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
Auszüge:

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller den Ausweisungsgrund gemäß §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG iVm § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG verwirklicht hat, indem er zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung unrichtige Angaben beim Antragsgegner machte.

Der Antragsteller hat mit seinen Anträgen auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis vom 08. Dezember 2003 und 23. Januar 2004 wahrheitswidrig den Aufenthaltszweck mit Familien - und Ehegattenzusammenführung angegeben. Dies wird von ihm selbst eingeräumt und ist damit unbestritten.

Entgegen der Annahme des Antragstellers ist es für die Verwirklichung des Straftatbestandes nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG und damit für die Erfüllung eines Ausweisungsgrundes. unerheblich, ob die Aufenthaltsgenehmigung aufgrund der unrichtigen Angaben tatsächlich erteilt worden ist oder ob - wie es bei ihm der Fall sei - aus weiteren Gründen ohnehin eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen gewesen wäre. Bei der Vorschrift handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Der Straftatbestand stellt allein auf die tatsächliche Abgabe oder Benutzung unrichtiger Angaben zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung ab, ohne dass es zur Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung infolge der unrichtigen Angaben gekommen sein muss (vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Juni 1998 -17 A 266/96 -, NWVBl.. 1999, 97 = InfAuslR 1999, 75 = EZAR 017 Nr. 14; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht, § 92 AuslG Rn. 56).

Die Angaben müssen nicht einmal dazu geeignet sein, dem Ausländer tatsächlich eine Aufenthaltsgenehmigung zu verschaffen (vgl. BayObLG München, Beschluss vom 5. September 2003 - 4 St RR 112/03 -; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. Januar 1998 - 3 Ss 1/98 -, NVwZ-RR 1999, 73; VG Neustadt a.d. Weinstraße, Urteil vom 11. Oktober 2002 - 8 K 940/02.NW -, InfAuslR 2003, 99; Hailbronner, Ausländerrecht, § 92 Rn. 53 m.w.N.; a. A. VG Berlin, Urteil vom 24. Oktober 2004 - VG 21 A 499.01 -, InfAuslR 2003, 96; Renner, Ausländerrecht, 7. Auflage § 92 AuslG Rn. 18; Franke in: GK-AuslR, § 92 AuslG Rn. 31; offen gelassen vom BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1998 - 1 C 27.96 -, InfAuslR 1998, 424).

Wenn es somit für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG unerheblich ist, ob einem Ausländer aus anderen Gründen die beantragte Aufenthaltsgenehmigung zusteht, dann wird der Tatbestand erst recht erfüllt, wenn der Ausländer mit unrichtigen Angaben eine

qualifiziertere Art der Aufenthaltsgenehmigung beantragt als er sie beanspruchen kann.

So ist es hier. Geltend gemacht worden war vom Antragsteller ein Anspruch auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis, für den zum damaligen Zeitpunkt allein § 25 Abs. 3 Satz 1 AuslG in Betracht kam, der ein Fortbestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft voraussetzt. Dem entgegen konnte der Antragsteller angesichts der im April 2003 vollzogenen Trennung von seiner Ehefrau günstigstenfalls - worauf er sich jetzt beruft - die befristete Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 AuslG erlangen.

Der Antragsteller verfügt entgegen seiner weiter geäußerten Ansicht nicht über einen besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG. Einen solchen hat das Verwaltungsgerichtzu Recht unter Hinweis auf das Fehlen einer familiären Lebensgemeinschaft verneint. Daran änderte sich selbst dann nichts, wenn der Antragsteller sich - wie von ihm vorgetragen - nach seiner Inhaftierung mit seiner Ehefrau ausgesöhnt haben sollte, diese ihn fast täglich besucht und inzwischen seine Ummeldung "zum Wohnort" der Ehefrau nach Löhne vorgenommen worden ist. Angesichts der spätestens in April 2003 erfolgten Trennung der Eheleute handelte es sich insofern allenfalls um die Neubegründung einer familiären Lebensgemeinschaft. Das ist unzureichend. Denn bei einem Inhaftierten - wie dem Ausländer - erfordert der hier in Frage stehende Ausweisungsschutz, dass eine Lebensgemeinschaft im Sinne von Zusammenleben bereits vor der Inhaftierung bestanden hat (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 12. Februar 1991 - 18 B 84/91 -, InfAuslR1991, 187 = 1 NWVBl. 1991, 275 = EZAR 032 Nr. 2 und vom 9. August 2002 - 18 B 864/01-).

Bei dem Verstoß des Antragstellers handelt es sich nicht um einen unbeachtlichen, nur vereinzelten oder geringfügigen (vgl. § 46 Nr. 2 AuslG). Es besteht ein erhebliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Einhaltung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen über die Einreise und den weiteren Aufenthalt. Will sich ein Ausländer durch Vorspiegelung falscher Tatsachen die Ausstellung einer Aufenthaltsgenehmigung erschleichen, kann darin regelmäßig - wie auch hier - kein geringfügiger Verstoß gesehen werden (vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 10. Juni 1998 - 17 A 266/96-, a.a.O.). Dementsprechend sehen die das Ermessen des Antragsgegners bindenden Verwaltungsvorschriften in Fällen der vorliegenden Art vor, dass regelmäßig die privaten Interessen des Ausländers auf Aufrechterhaltung der beruflichen und sozialen Existenz verdrängt werden (vgl. Nr. 46.2.9 AuslG-VwV).

In diesem Zusammenhang - also im Rahmen der Ermessensentscheidung - erlangt ferner Gewicht, dass der Antragsteller bereits bei seiner Asylantragstellung im Jahre 1994 durch die Angabe falscher Personalien die deutschen Behörden über seine Identität getäuscht und diese Täuschung solange aufrecht erhalten hat, bis er zur Eheschließung im Oktober 2000 seine wahre Identität selbst meinte aufdecken zu müssen. Dieses Verhalten konnte zwar nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für sich genommen nicht mehr zur Versagung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis führen, weil es insoweit (zunächst) "verbraucht" war. Es erlangte aber durch die weiteren Täuschungshandlungen eine erneute Aktualität und ist deshalb nun wieder verwertbar (vgl. zu dem insoweit angesprochenen Vertrauensschutz BVerwG, Urteil vom 16. November 1999 - 1 C 11/99 -, NVwZ-RR 2000, 320 und Senatsbeschluss vom 12. Juni 2001 - 18 A 4647/99 - m.w.N). In gleicher Weise berücksichtigungsfähig ist schließlich noch der Versuch des Antragstellers, sich durch das Verstecken seines Reisepasses einer möglichen Abschiebung zu entziehen und der damit im Zusammenhang stehende weitere Täuschungsversuch gegenüber dem Antragsgegner über den Verbleib des Passes. Das diesbezügliche Verhalten zeigt, dass der Antragsteller - ungeläutert - weiterhin bemüht ist, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet durch unrichtige Angaben zu verlängern.