VG Neustadt a.d.W.

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Zitieren als:
VG Neustadt a.d.W., Urteil vom 03.02.2005 - 2 K 1764/04.NW - asyl.net: M6419
https://www.asyl.net/rsdb/M6419
Leitsatz:

Keine erhebliche Gefährdung wegen exilpolitischer Betätigung für Frente pura a Libertacao do Enclave de Cabinda (F.L.E.C.); keine erhebliche Gefahr der Strafe wegen Wehrdienstentziehung für jungen Mann, der vor Eintritt der Wehrpflicht Angola verlassen hat, allein wegen Auslandsaufenthalts; keine extreme Gefährdungslage i.S.d. verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG wegen Gefahr der Malariainfektion.

 

Schlagwörter: Angola, Folgeantrag, Exilpolitische Betätigung, F.L.E.C. e.V., Funktionäre, Wehrdienstentziehung, Strafverfolgung, Politmalus, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Malaria, Infektionsrisiko, Semi-Immunität, Allgemeine Gefahr, Extreme Gefahrenlage, Krankheit, Bandscheibenerkrankung, medizinische Versorgung
Normen: GG Art. 16a; AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 71 Abs. 1; VwVfG § 51; AufenthG § 60 Abs. 2 - 7
Auszüge:

Keine erhebliche Gefährdung wegen exilpolitischer Betätigung für Frente pura a Libertacao do Enclave de Cabinda (F.L.E.C.); keine erhebliche Gefahr der Strafe wegen Wehrdienstentziehung für jungen Mann, der vor Eintritt der Wehrpflicht Angola verlassen hat, allein wegen Auslandsaufenthalts; keine extreme Gefährdungslage i.S.d. verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG wegen Gefahr der Malariainfektion.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Beklagte hat den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 6. April 1998 bezüglich der Feststellung zu § 53 des Ausländergesetzes (jetzt: § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) zu Recht abgelehnt.

Dem Vorbringen des Klägers im Folgeverfahren ist nicht zu entnehmen, in welcher Weise der Verein F.L.E. Cabinda e.V. und insbesondere der Kläger selbst öffentlichkeitswirksam exilpolitisch in Erscheinung getreten sind und so in das Blickfeld der angolanischen Behörden geraten sein könnten. Auch nach Ergehen des Eilbeschlusses vom 2. August 2004 hat der Kläger hierzu nichts weiter vorgetragen. Unabhängig davon bestünde für ihn - wie das Gericht bereits in dem genannten Beschluss ausgeführt hat - selbst in diesem Fall keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, Opfer staatlicher Repressalien zu werden. Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle der Verfolgung von Menschen in Angola wegen exilpolitischer Aktivitäten für die F.L.E.C. bekannt geworden (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 8. Juli 2003 an das VG Kassel). Daher kann erst recht nicht von einer hinreichenden Verfolgungswahrscheinlichkeit bei Personen ausgegangen werden, die sich lediglich für eine F.L.E.C.-nahe Organisation engagieren.

Auch das Vorbringen des Klägers, ihm drohe eine Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung aufgrund des Nichtantritts des Wehrdienstes, ist nicht geeignet, zu einem für ihn günstigeren Ergebnis zu führen. Aus seinem Vorbringen ergibt sich schon nicht, dass er zur Ableistung des zweijährigen Wehrdienstes herangezogen worden wäre, der für Männer im Alter von 20 bis 45 Jahren vorgesehen und für dessen Nichtantritt eine Gefängnisstrafe von 3 Tagen bis zu 2 Jahren gesetzlich angedroht ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 23. April 2004, S. 18 f.). Aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln sind auch keine Referenzfälle dafür ersichtlich, dass ein junger Mann, der sich beim Verlassen des Landes noch nicht im wehrpflichtigen Alter befunden hat, allein wegen der durch den Auslandsaufenthalt bedingten Abwesenheit wegen des Nichterscheinens zum Militärdienst bestraft worden wäre. Selbst wenn der Kläger von der Gefahr einer Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung betroffen sein sollte, ist hierin - wie das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid vom 28. Juni 2004 zutreffend ausgeführt hat - keine politische Verfolgung im Sinne von Art.16a Abs. 1 GG oder § 60 Abs. 1 AufenthG zu sehen.

Danach stehen einer Abschiebung des Klägers insoweit auch keine Hindernisse im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder § 60 Abs. 7 AufenthG entgegen. Denn es ist keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür erkennbar, dass er bei Rückkehr nach Angola konkret gefährdet wäre, in unmenschlicher Art und Weise zur Rechenschaft gezogen zu werden. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei einer Bestrafung ein Polit-Malus zur Anwendung käme, besteht nicht.

Auch das Vorbringen des Klägers, dass aufgrund seiner längeren Abwesenheit die damit einhergehende Schwächung des Immunschutzes gegen die Malaria zu berücksichtigen sei, begründet keinen Wiederaufgreifensgrund hinsichtlich der Feststellungen über das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG.

Nach den vorgelegten ärztlichen Attesten der orthopädisch-chirurgischen Gemeinschaftspraxis Dres. Schneeganß/Winter/Bäcker vom 15. Juni 2004 und vom 14. Oktober 2004 liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vor. Aus ihnen ergibt sich schon nicht, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers bei einer Rückkehr in sein Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern könnte, weshalb die Gefahr nicht als erheblich zu qualifizieren ist. Nach den Attesten treten bei dem Kläger seit März 2003 lediglich immer wieder Lumboischialgien auf, die indes keine erhebliche Gefahr darstellen.