OLG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12.05.2005 - 20 W 297/03 - asyl.net: M6734
https://www.asyl.net/rsdb/M6734
Leitsatz:

Ein Verstoß gegen § 13 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG hat auf den Bestand der gesetzlichen Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 AsylVfG keinen Einfluss.

 

Schlagwörter: D (A), Ausländer, unerlaubter Aufenthalt, Illegale Erwerbstätigkeit, Verstoß gegen das Ausländergesetz, Asylantrag, offensichtlich unbegründet, Antragstellung, Unverzüglichkeit, Abschiebungshaft, Abschiebung, Erledigung der Hauptsache, Feststellungsantrag, Haftgründe, Aufenthaltsgestattung
Normen: AsylVfG § 13 Abs. 3 S. 2; AsylVfG § 14 Abs. 4; AsylVfG § 55; AuslG § 57
Auszüge:

Ein Verstoß gegen § 13 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG hat auf den Bestand der gesetzlichen Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 AsylVfG keinen Einfluss.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Der Betroffene macht geltend, ihm sei im Zeitpunkt der Haftanordnung der Aufenthalt nach § 55 Abs. 1 AsylVfG gestattet gewesen und dies stehe der Anordnung von Abschiebungshaft entgegen.

Nach nochmaliger Überprüfung kann der Senat seine Aussage, dass die Aufenthaltsgestattung bei unerlaubter Einreise nur bei unverzüglicher Antragstellung eintritt, nicht aufrechterhalten.

Nach der genannten Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts in der Sache 3Z BR 7/99 (= BayObLGZ 1999, 97 = BayJMBl. 1999, 102 = BayObLGR 1999, 55 = InfAuslR 1999, 5) entfällt der Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG entgegen § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr.4 AsylVfG nicht bei einem unerlaubt eingereisten Ausländer, der sich entgegen § 13 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG nicht unverzüglich bei einer Aufnahmeeinrichtung meldet oder bei der Ausländerbehörde oder der Polizei um Asyl nachsucht (vgl. dazu auch den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgericht vom 19. Februar 2001 in der Sache 3Z BR 58/01 = NVwZ-Beil. 2001, 44; vgl. auch JG Naumburg Beschluss vom 26. Januar 2001 in der Sache 10 Wx 2/01 - dokumentiert bei juris und bei Melchior).

Die Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgericht hat nicht nur Zustimmung, sondern auch Widerspruch erfahren. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschlüsse vom 21. Januar 2000 in der Sache 26 Wx 4/00 = OLGR Düsseldorf = InfAuslR 2000, 236 = NVwZ-Beil. 2000, 47 und 6.4.2004 in der Sache 1-3 Wx 68/04 = FGPrax 2004, 254 = InfAuslR 2004, 305) und das Oberlandesgericht Karlsruhe (Beschluss vom 15. Juni 2000 in der Sache 11 Wx 75/00 = NVwZ-Beil. 2000, 111 = Die Justiz 2001, 76) haben die Auffassung vertreten, dass der Wortlaut des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG eine Auslegung im Sinne der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts nicht zulasse.

Der Bundesgerichtshof hat in zwei auf Vorlagen des Oberlandesgerichts Düsseldorf und des Bayerischen Obersten Landesgerichts ergangenen Entscheidungen (Beschluss vom 10. Februar 2000 in der Sache V ZB 5/00 = FGPrax 2000,130 = NVwZ 2000, 965 und Beschluss vom 28. Februar 2001 in der Sache V ZB 8/01 = BGHR 2001, 341 = NVwZ-Beil. 2001, 61) die Streitfrage ausdrücklich offengelassen. Gleiches gilt für das Thüringer Oberlandesgericht (Beschluss vom 5. Juli 2001 in der Sache 6 Wx 396/01 - dokumentiert bei Melchior) und das Oberlandesgericht Zweibrücken (Beschluss vom 23. April 2002 in der Sache 3 W 66/02 - dokumentiert bei juris).

Die Streitfrage, welche Bedeutung das Gebot unverzüglicher Antragstellung in § 13 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG im Hinblick auf die Monatsfrist des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG für die Frage der Haftfortdauer im Falle der Haft nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG hat (vgl. zu der Streitfrage auch OLG Hamm Beschluss vom 25. Februar 2003 in der Sache 15 W 43/03 = FGPrax 2003, 143 = JMBL. NW 2003, 180), ist hier nicht entscheidungserheblich. Denn - ungeachtet welcher Meinung man folgt - ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass bei einem Verstoß gegen § 13 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG die in § 55 Abs.1 AsylVfG vorgesehene gesetzliche Gestattung des Aufenthalts nicht eintritt oder erlischt.

Der Senat vermag dem Gesetz keine Sanktionen für einen Verstoß gegen § 13 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG im Hinblick auf den Eintritt oder Bestand des gesetzlichen Aufenthaltsrechts in der Form der Aufenthaltsgestattung des § 55 Abs. 1 AsylVfG zu entnehmen. Auswirkungen kann ein Verstoß (über die vom Bayerischen Obersten Landesgericht angenommenen Folgen hinaus) allerdings insoweit haben als ein unbegründeter Asylantrag unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden kann (vgl. dazu auch GK-AsylVfG § 13 Rn. 173 und Hailbronner AuslR § 13 AsylVfG Rn 55). Darüber hinaus werden auch strafrechtliche Sanktionen in Betracht gezogen (vgl. BayObLG Beschluss vom 2.0ktober 1998 in der Sache 4St RR 131/98 = BayObLGSt 1998,172 = AuAS 1998,268 = DÖV 1999, 119).

Der Senat sieht sich in seiner Auffassung auch dadurch bestätigt, dass das Gesetz in § 14 Abs. 4 AsylVfG in den Fällen, in denen der Ausländer aus der Untersuchungshaft, Strafhaft oder Abschiebungshaft heraus einen Asylantrag stellt, die Dauer der Abschiebungshaft beschränkt. Die Abschiebungshaft endet mit Zustellung der Entscheidung des Bundesamts, spätestens jedoch vier Wochen nach Eingang des Asylantrags beim Bundesamt, es sei denn, der Asylantrag wurde (vor Ablauf der Frist - vgl. dazu den Beschluss des OLG Hamm vom 30. August 2004 in der Sache 15 W 269/04 - dokumentiert bei Melchior und den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 17. Februar 2003 in der Sache 3 Wx 39/03 dokumentiert bei Melchior; vgl. auch BayObLG Beschluss vom 2. März 2004 in der Sache 4Z BR 14/04 - dokumentiert bei Melchior = BayVBI. 2004, 539) als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet abgelehnt. Hätte der Betroffene im vorliegenden Fall wenige Stunden später (nach Anordnung der Untersuchungshaft) den Asylantrag gestellt, dann hätte Abschiebungshaft nicht angeordnet werden dürfen, weil das Bundesamt im vorliegenden Fall die Vier-Wochen-Frist nicht eingehalten hat (vgl. dazu auch BayObLG Beschluss vom 13. Januar 2005 in der Sache 4Z BR 81/04 - dokumentiert bei Melchior).