VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 20.06.2005 - 20 L 1113/05.A - asyl.net: M6875
https://www.asyl.net/rsdb/M6875
Leitsatz:

§ 14 a Abs. 2 AsylVfG ist nicht auf Kinder anwendbar, die vor dem 1.1.2005 eingereist oder in Deutschland geboren worden sind.

 

Schlagwörter: Asylantrag, Antragsfiktion, Kinder, in Deutschland geborene Kinder, Gesetzesänderung, Zuwanderungsgesetz, Entscheidungszeitpunkt, Anzeigepflicht, Übergangsregelung, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Altfälle
Normen: AsylVfG § 36 Abs. 4 S. 1; AsylVfG § 13; AsylVfG § 14a Abs. 2; AsylVfG § 14a Abs. 1
Auszüge:

§ 14 a Abs. 2 AsylVfG ist nicht auf Kinder anwendbar, die vor dem 1.1.2005 eingereist oder in Deutschland geboren worden sind.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 31. Mai 2005 begründen sich daraus, dass bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage weder ein rechtswirksam gestellter (§ 13 AsylVfG) noch ein als gestellt geltender (§14a AsylVfG) Asylantrag vorliegt und der dennoch erlassene Bescheid daher jedenfalls rechtswidrig ist (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 27.02.1985 -1 OE 50/01, NVwZ 1985,498; s. hierzu auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage, § 44 Rnr 221).

Gemäss § 14a Abs. 1 AsylVfG gilt mit der Antragstellung nach § 14 ein Asylantrag auch für jedes Kind des Ausländers als gestellt, das ledig ist, das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und sich zu diesem Zeitpunkt im Bundesgebiet aufhält, ohne im Besitz eines Aufenthaltstitels zu sein, wenn es zuvor noch keinen Asylantrag gestellt hatte. Ein Asylverfahren ihrer Eltern, in das die am 18. September 2002 im Bundesgebiet geborene Antragstellerin danach einbezogen werden könnte, existiert aber nicht.

Aber auch die Anwendung des § 14a Abs. 2 AsylVfG scheidet nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage aus.

Diese durch Art. 3 Nr. 10, Art. 15 Abs. 3 1. Halbs. des Zuwanderungsgesetzes vom 20.07.2004 (BGBl. I, 1950) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 in das Asylverfahrensgesetz eingefügte Regelung ist auf den vorliegenden Fall eines vor Inkrafttreten dieser Vorschrift eingereisten Kindes nicht anwendbar. Eine Übergangsregelung zu § 14a AsylVfG hat der Gesetzgeber nicht getroffen. Bei fehlender Übergangsregelung sind für die Ermittlung des jeweiligen Geltungsbereichs einer Norm die Grundsätze, des intertemporalen Verwaltungsrechts heranzuziehen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. März 2001 -16 A 1909/00 -, FEVS 53, 185; OVG Weimar, Beschluss vom 29. Januar 2004 - 3 ZKO 219/01 -, FEVS 56, 23, OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. März 1997 - 6 A 10700/96 -, juris).

Danach gelten Rechtsänderungen im Regelfall mit sofortiger Wirkung ab deren In-Kraft-Treten und unabhängig davon, wie die Materie bisher geregelt war, für die Zukunft. Dieser Grundsatz der Sofort-Wirkung und Nicht-Rückwirkung wird durch den Grundsatz ergänzt, dass bereits verwirklichte Tatbestände von Rechtsänderungen nicht berührt werden, nach dem also die Beurteilung eines Sachverhalts sich grundsätzlich immer, insbesondere auch für in der Vergangenheit liegende oder eingetretene Tatsachen, nach dem Recht richtet, das im entsprechenden Zeitpunkt in. Geltung war (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O. - m.w.N.; OVG NRW a.a.O.).

Für die Anwendbarkeit dieser Grundsätze auch hier spricht zudem schon der Wortlaut der Vorschrift "Reist ein ... oder wird es hier geboren...". Hätte der Gesetzgeber auch in der Vergangenheit, also vor Inkrafttreten der gesetzlichen Vorschrift liegende Sachverhalte (neu) regeln wollen, hätte er eine andere Formulierung, etwa das Perfekt gewählt (vgl. hierzu auch VG Göttingen, Beschluss vom 17. März 2005 - 3 B 272/05 -, juris).

Sinn und Zweck der Gesetzesänderung erfordern auch keine Auslegung entgegen dem Wortlaut. Es ist nicht ersichtlich, dass der mit der Neuregelung verfolgte Zweck, nämlich zu verhindern, dass durch sukzessive Antragstellung überlange Aufenthaltszeiten ohne aufenthaltsrechtliche Perspektive für die Betroffenen entstehen (vgl. BT-Druckssache 157420, S. 108) diese Regelung nur dann sinnvoll erscheinen lässt, wenn sie auch "Altfälle" erfasst.

Darüber hinaus könnte eine rückwirkende Anwendung der Regelung belastende Folgen im Hinblick auf § 10 Abs. 3 AufentG für Sachverhalte eines Zeitraums haben, in dem die Gesetzesvorschrift noch keine Gültigkeit hatte (vgl. hierzu im Einzelnen, VG Göttingen a.a.O.).

Eine Rückbewirkung von belastenden Rechtsfolgen für Sachverhalte eines Zeitraums, in den das Gesetz noch nicht existent war, ist regelmäßig mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Vertrauensschutz unvereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90, BVerfGE 87, 48).