OVG Bremen

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Zitieren als:
OVG Bremen, Urteil vom 10.11.2004 - 2 A 478/03.A - asyl.net: M6881
https://www.asyl.net/rsdb/M6881
Leitsatz:

Hinreichende Gefährdung bei herausgehobener exilpolitischer Tätigkeit für iranische monarchistische Gruppen.(Leitsatz der Redaktion)

 

Schlagwörter: Iran, Nachfluchtgründe, Antragstellung als Asylgrund, exilpolitische Betätigung, Konstitutionalistische Partei Irans, CPI, Monarchisten, Kongresse, Awaye Pars, Artikel, Konversion, Apostasie
Normen: AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53 Abs. 1
Auszüge:

Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG liegen nicht vor. Auch Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1 AuslG sind nicht gegeben.

Dem Kläger steht auch nicht Abschiebungsschutz wegen seiner politischen Nachfluchtaktivitäten zu.

Zur Beachtlichkeit von Nachfluchtaktivitäten gegen das iranische Regime ist zunächst festzuhalten, dass weder die Asylantragstellung noch der mehrjährige Auslandsaufenthalt eine asylrelevante Verfolgungsgefahr begründen. Das hat der Senat bereits im Urteil vom 01.12.1999 (Az. 2 A 508/98.A) dargelegt und das wird auch durch die neueren Erkenntnisquellen bestätigt (AA, Lagebericht vom 03.03.2004, S. 32; AA, Auskunft an VG Köln vom 12.06.2003; DOI, Auskunft vom 01.07.2003 an VG Köln).

Aus den Nachfluchtaktivitäten des Klägers für die Konstitutionalistische Partei Irans (CPI) ergibt sich ebenfalls keine beachtliche Verfolgungsgefahr.

a)

Der Senat hat im Urteil vom 01.12.1999 (Az. 2 A 508/98.A) für Unterstützer der Volksmudjaheddin (VM) entschieden, dass sie im Falle einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (jedenfalls) dann gefährdet sind, wenn sie nicht lediglich als bloße Mitläufer bei Veranstaltungen dieser Oppositionsgruppe in Erscheinung getreten sind, sondern durch ihr Engagement und die von ihnen entfalteten Aktivitäten für die Volksmudjaheddin aus der Masse oppositioneller Iraner herausgetreten sind, sie sich insoweit also exponiert haben.

Das entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung, wonach eine beachtliche erfolgungsgefahr bei Rückkehr in den Iran für solche Personen gegeben ist, die sich durch ihre Exilaktivitäten exponiert haben und als ernsthafte und gefährliche Regimegegner erscheinen (vgl. dazu OVG Schleswig-Holstein, U. v. 23.05.2003 - 3 LB 9/03 m.w.N.; OVG Saarland, U. v. 23.10.2002 - 9 R 3/00 -; OVG Münster, B. v. 16.04.1999 - 9 A 5338/98.A; OVG Lüneburg, U. v. 25.09.2001 - 5 L 4377/00 -; VGH München, B. v. 11.09.2003 - 14 ZB 03.30986 -; Bundesamt, Iran, 14. Asylverfahren, April 2004, S. 24).

Ob für Mitglieder oder Anhänger monarchistischer Gruppen dieser Maßstab in gleicher Weise gilt, wird nach den Erkenntnisquellen nicht einheitlich beurteilt.

Für den Senat sind die für eine veränderte Gefährdungslage angegebenen Gründe, die auf die neuere Entwicklung im Iran abstellen, nachvollziehbar. Es erscheint ihm hiernach nicht gerechtfertigt, für iranische Monarchisten grundsätzlich eine geringere Gefährdung anzunehmen als für Anhänger anderer iranischer Oppositionsgruppen. Der Senat geht deshalb auch für iranische Monarchisten davon aus, dass sie im Fall einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dann gefährdet sind, wenn sie herausgehobene Aktivitäten für die Exilopposition entfalten, d. h. wenn ihre diesbezüglichen Aktivitäten über den Rahmen massentypischer exilpolitischer Proteste hinausgehen und diese Aktivitäten sie als ernsthafte und gefährliche Regimegegner erscheinen lassen.

b)

Bei Anlegung dieses Maßstabes kann nicht festgestellt werden, dass dem Kläger wegen seiner Aktivitäten für die monarchistische Exilopposition im Iran politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Die vorgetragenen Aktivitäten können weder einzeln betrachtet noch in einer Gesamtschau als "erausgehoben" im erwähnten Sinne angesehen werden. Bei der ausführlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Senat nicht davon überzeugen können, dass er wegen herausgehobener Aktivitäten als ernsthafter und gefährlicher Gegner des iranischen Staates erscheinen könnte. Der Senat hat vielmehr auch aufgrund des Eindrucks aus der mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger zum Kreis derjenigen gehört, die im Exil in nicht exponierter Weise ihren Unmut gegen das iranische Regime zum Ausdruck bringen und denen jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung droht.

Bei der Würdigung der Exilaktivitäten war (im Grundsätzlichen) zu berücksichtigen, dass die iranischen Sicherheitsbehörden deutlich unterscheiden zwischen oppositioneller Betätigung im Iran selbst und im europäischen Ausland. Die Regimekritik, die aus dem europäischen Ausland geäußert wird, wird dem "gottlosen" und "dekadenten" Aufenthaltsstaat zugeschrieben und als eine Handlungsweise bewertet, die zumeist "vergessen" ist und nicht fortgesetzt wird, sobald der Betreffende in den Iran zurückgekehrt ist (vgl. DOI, Auskunft vom 30.04.2001 an VG Berlin; DOI, Auskunft vom 11.12.2003 an VG Wiesbaden; OVG Saarland, U. v. 23.10.2002 - 9 R 3/00 -). Zudem wissen die iranischen Stellen, dass viele iranische Asylbewerber in Deutschland Oppositionsaktivitäten entwickeln, um in ihrem Asylverfahren einen Nachfluchtgrund geltend machen zu können (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 03.03.2004). Das Auswärtige Amt hat in seinen Lageberichten wiederholt mitgeteilt, keiner westlichen Botschaft sei ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte über die Befragung durch iranische Sicherheitsbehörden zu ihrem Auslandsaufenthalt hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Es sei auch kein Fall bekannt geworden, in dem ein Zurückgeführter im Rahmen seiner Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden sei. Über Fragen mit Asylrelevanz und insbesondere Fragen der Abschiebung finde ein regelmäßiger Informationsaustausch mit zehn in Teheran vertretenen westlichen Botschaften statt. Eine Umfrage habe ergeben, dass alle diese Staaten Rückführungen nach Iran vornähmen, allerdings in sehr eingeschränktem Umfang (vgl. z. B. Lageberichte vom 2. Juni 2003 und 3. März 2004). Zum Fall des Klägers hat das Auswärtige Amt auf Anfrage des Senats ausgeführt, ihm sei seit langem kein konkreter Fall der Bestrafung eines zurückgekehrten Mitglieds einer monarchistischen Exilorganisation mit vergleichbaren Aktivitäten bekannt geworden (Auskunft vom 19.03.2004 an den Senat).