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OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.02.2006 - 18 B 1534/05 - asyl.net: M7928
https://www.asyl.net/rsdb/M7928
Leitsatz:

Minderheitenangehörigen aus dem Kosovo ist die freiwillige Ausreise möglich, so dass keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt werden kann; die Ausländerbehörde ist bei der Prüfung von § 25 Abs. 5 AufenthG an einen Ablehnungsbescheid des Bundesamtes im Asylverfahren gebunden.

 

Schlagwörter: D (A), Ausreisehindernis, Aufenthaltserlaubnis, Serbien und Montenegro, Kosovo, Verhältnismäßigkeit, Integration, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Bindungswirkung, abgelehnte Asylbewerber, Bundesamt, Ausländerbehörde, UNMIK, freiwillige Ausreise
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5; Art. 8 EMRK; AsylVfG § 42 S. 1
Auszüge:

Minderheitenangehörigen aus dem Kosovo ist die freiwillige Ausreise möglich, so dass keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt werden kann; die Ausländerbehörde ist bei der Prüfung von § 25 Abs. 5 AufenthG an einen Ablehnungsbescheid des Bundesamtes im Asylverfahren gebunden.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Dem Beschwerdevorbringen sind keine Umstände zu entnehmen, aus denen die Kläger einen Anspruch aus § 25 Abs. 5 AufenthG auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis haben könnten.

Zur inhaltlichen Bestimmung der hier nur in Betracht kommenden rechtlichen Unmöglichkeit, die schon wegen der gleichlautenden Formulierungen in den §§ 25 Abs. 5 und 60a Abs. 2 AufenthG in gleicher Weise sowohl für die freiwillige Ausreise als auch für die zwangsweise Rückführung zu erfolgen hat, kann prinzipiell auf die Rechtsprechung zum AuslG 1990 zurückgegriffen werden, weil diesem gegenüber das AufenthG insoweit keine grundlegende konzeptionelle Änderung gebracht hat. Das Kriterium der Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen (oder tatsächlichen) Gründen als Voraussetzung für die Erteilung einer Duldung findet sich in § 60 a Abs. 2 AufenthG ebenso wie zuvor in § 55 Abs. 2 AuslG. Auch die Systematik der Rechtsgrundlagen im Aufenthaltsgesetz für die Erteilung von Aufenthaltstiteln in derartigen Fällen entspricht insoweit der Systematik des Ausländergesetzes 1990. Die bislang in § 30 Abs. 3 AuslG geregelten Fälle einer Aufenthaltsgewährung, die ebenfalls auf die freiwillige Ausreisemöglichkeit abstellten, sind zusammen mit denjenigen des § 30 Abs. 4 AuslG nunmehr in § 25 Abs. 5 AufenthG geregelt (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 1. Juni 2006 - 18 B 677/05 -).

Danach kann sich die rechtliche Unmöglichkeit insbesondere aus Abschiebungsverboten und vorrangigem Recht, namentlich Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 2, 6 GG (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 19. November 1996 - 1 C 6.95 -, InfAuslR 1997, 193, vom 4. Juni 1997 - 1 C 9.95 -, InfAuslR 1997, 355, und vom 9. Dezember 1997 - 1 C 19.96 -, InfAuslR 1998, 213 -), dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Art. 8 EMRK ergeben. Dabei ist das Recht auf Achtung des Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK weit zu verstehen und umfasst seinem Schutzbereich nach unter anderem das Recht auf Entwicklung der Person und das Recht darauf, Beziehungen zu anderen Personen und der Außenwelt anzuknüpfen und zu entwickeln (vgl. EGMR (Große Kammer), Urteil vom 13. Februar 2003 - 42326/98 -, NJW 2003, 2145; OVG NRW, Beschluss vom 21. Juli 2005 - 19 B 939/05 -) und damit auch die Gesamtheit der im Land des Aufenthalts gewachsenen Bindungen (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Januar 2006 - 18 B 44/06 -).

Die Vorschrift des Art. 8 Abs. 1 EMRK darf allerdings nicht so ausgelegt werden, als verbiete sie allgemein die Abschiebung eines fremden Staatsangehörigen nur deswegen, weil er sich eine bestimmte Zeit im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates aufgehalten hat (vgl. EGMR (III. Sektion), Entscheidung vom 16. September 2004 - 11103/03 -, NVwZ 2005, 1046).

Entscheidend ist vielmehr, ob der Betroffene im Aufenthaltsstaat über intensive persönliche und familiäre Bindungen verfügt (EGMR, Urteil vom 16. Juni 2005 - 60654/00 -, InfAuslR 2005, 349).

Davon ausgehend lassen sich die von den Klägern vorgetragenen zielstaatsbezogenen Umstände zwar grundsätzlich dem § 25 Abs. 5 AufenthG zuordnen, weil dieser seinem Wortlaut nach ebenso wie vormals § 30 Abs. 3 und 4 AuslG 1990 nicht zwischen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten und inlandsbezogenen Vollstreckungshindernissen unterscheidet. Vorliegend ist es jedoch - ungeachtet sonstiger rechtlicher Bedenken - dem Beklagten bereits wegen fehlender Passivlegitimation verwehrt, die rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise unter den von den Klägern geltend gemachten Aspekten zu überprüfen, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) in den Asylverfahren aller Familienmitglieder mit bindender Wirkung für den Beklagten das Vorliegen des hier allein in Betracht kommenden Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verneint hat. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass in derartigen Fällen wegen der sich aus § 42 Satz 1 AsylVfG für die Ausländerbehörde ergebenden Bindungswirkung allein aus demselben Sachverhalt auch kein Ausreisehindernis im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG abgeleitet werden kann (vgl. Senatsbeschlüsse 14. März 2005 - 18 E 195/05 -, InfAuslR 2005, 263, und vom 15. Februar 2005 - 18 A 4080/03 - zur insofern vergleichbaren Regelung in § 30 Abs. 3 und 4 AuslG).

Im Übrigen verkennen die Kläger, dass die Unmöglichkeit, sie in den Kosovo abzuschieben, bereits vom Ansatz her nicht auf eine rechtliche Unmöglichkeit ihrer freiwilligen Ausreise führt. Zwar ist jene gegeben, wenn der Ausreise dieselben rechtlichen Gründe entgegen stehen, die bereits zur Aussetzung der Abschiebung geführt haben. So ist es hier jedoch nicht. Die Abschiebung der Kläger ist angesichts des von ihnen reklamierten Verhaltens der UNMIK, die eine freiwillige Einreise in den Kosovo ohne weiteres hinnimmt, lediglich aus tatsächlichen Gründen nicht möglich. Sie scheitert - wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - ausschließlich an deren Haltung, nämlich an der fehlenden Bereitschaft, Volkszugehörige der Roma im Rahmen von Abschiebungen in den Kosovo einreisen zu lassen.