OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.01.2006 - 18 B 44/06 - asyl.net: M7952
https://www.asyl.net/rsdb/M7952
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Ausreisehindernis, Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Privatleben, Integration, Verhältnismäßigkeit
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 60a Abs. 2; EMRK Art. 8
Auszüge:

Die Antragsteller berufen sich mit der Beschwerde lediglich darauf (und erläutern dies näher), den Antragstellern zu 3. bis 5. sei ein Aufenthaltsrecht gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG zu gewähren, weil sie in Deutschland integriert seien; in der Folge könnten auch ihre Eltern, die Antragsteller zu 1. und 2., ein Aufenthaltsrecht beanspruchen, weil sie die Antragsteller zu 3. bis 5. betreuen müssten. Dabei versteht der Senat die Beschwerdebegründung - wenn sie auch vordergründig allein darauf abstellt, den Antragstellern stehe ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu, der hier unmittelbar nicht streitgegenständlich ist - dahin, dass mit ihr implizit - auch - geltend gemacht werden soll, die Voraussetzungen für die Abschiebung lägen wegen rechtlicher Unmöglichkeit im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG nicht vor.

Auch bei diesem Verständnis verhilft das Vorbringen der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg. Insoweit führt der Senat in der Kürze der für die Entscheidung zur Verfügung stehenden Zeit nur Folgendes aus: Die Abschiebung ist wegen der geltend gemachten Integration der Antragsteller zu 3. bis 5. nicht, wie § 60a Abs. 2 AufenthG voraussetzt, aus tatsächlichen oder - was mit der Beschwerde allein geltend gemacht wird - rechtlichen Gründen unmöglich. Ansatzpunkte für eine daraus folgende rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung könnten allein Art. 8 EMRK - Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens - oder der aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, abzuleitende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bieten. Dabei ist das Recht auf Achtung des Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK weit zu verstehen und umfasst seinem Schutzbereich nach unter anderem das Recht auf Entwicklung der Person und das Recht darauf, Beziehungen zu anderen Personen und der Außenwelt anzuknüpfen und zu entwickeln (vgl. EGMR (Große Kammer), Urteil vom 13. Februar 2003 - 42326/98 -, NJW 2003, 2145; OVG NRW, Beschluss vom 21. Juli 2005 - 19 B 939/05 -) und damit auch die Gesamtheit der im Land des Aufenthalts gewachsenen Bindungen. In dieses Recht kann nach Art. 8 Abs. 2 EMRK eingegriffen werden. Die danach (wiederum) gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. hierzu und zu den nach der Rechtsprechung des EGMR beachtlichen Kriterien BVerfG, Beschluss vom 1. März 2004 - 2 BvR 1570/03 -, EuGRZ 2004, 317, 319 f. = InfAuslR 2004, 280, 282 f.; BVerwG, Urteil vom 29. September 1998 - 1 C 8.96 -, InfAuslR 1999, 54) ergibt jedoch nicht, dass die Abschiebung der Antragsteller unverhältnismäßig ist. Dabei ist namentlich zu berücksichtigen, dass die Antragsteller zu 3. bis 5. erst fünf bis zwölf Jahre alt sind. Jedenfalls für Kinder in diesem Alter kann die rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung nicht allein aus ihrem langjährigen Aufenthalt in Deutschland und ihrer Integration in die hiesigen Verhältnisse abgeleitet werden. Ihr rechtliches und tatsächliches Schicksal ist rechtlich weitgehend an das ihrer Eltern und deren Entscheidungen angebunden: Ihre Eltern sind für minderjährige Kinder sorgeberechtigt und haben auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht inne. Kinder im Alter unter 16 Jahren sind gemäß § 80 Abs. 1 AufenthG auch ausländerrechtlich noch nicht handlungsfähig, und ihnen kann noch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht gemäß § 35 AufenthG gewährt werden (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 1. Juni 2005 - 18 B 677/05 - und vom 14. Juni 2005 - 18 B 963/05 -, jeweils mit weiteren Nachweisen; VG Lüneburg, Urteil vom 5. Oktober 2005 - 4 A 131/04 -, juris).

Abgesehen davon kann aufgrund ihres geringen Lebensalters auch ihre Verwurzelung im bisherigen Aufenthaltsland nicht so tiefgehend sein wie bei jungen (erwachsenen) Menschen, die ihre gesamte Sozialisation dort verbracht haben (vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil vom 19. Dezember 2005 - 6 K 5/04 -, juris).