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Zitieren als:
BVerfG, Beschluss vom 10.03.2006 - 2 BvR 434/06 - asyl.net: M8007
https://www.asyl.net/rsdb/M8007
Leitsatz:

Auskunftsverlangen der Meldebehörden an ehemaligen türkischen Staatsangehörigen, ob sie die türkische Staatsangehörigkeit wiedererlangt haben, ist nicht verfassungswidrig.

 

Schlagwörter: Verfassungsbeschwerde, Türken, Einbürgerung, Wiedereinbürgerung, Auskünfte, Meldegesetz, Gleichheitsgrundsatz
Normen: GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 3; MeldeG Art. 19
Auszüge:

Auskunftsverlangen der Meldebehörden an ehemaligen türkischen Staatsangehörigen, ob sie die türkische Staatsangehörigkeit wiedererlangt haben, ist nicht verfassungswidrig.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.

1. Eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) liegt nicht vor. Dieses Recht schützt die Befugnis des Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten grundsätzlich selbst zu bestimmen (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 78, 77 <84>; 80, 367 <373> sowie zuletzt Urteil des Zweiten Senats vom 2. März 2006 - 2 BvR 2099/04, Urteilsabdruck S. 34). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Einschränkungen bedürfen allerdings einer gesetzlichen Grundlage und müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen; vor allem dürfen sie nicht über das zum Schutz öffentlicher Interessen Unerlässliche hinausgehen (vgl. BVerfGE 65, 1 <44>; 78, 77 <85>). Diesen Anforderungen ist hier genügt.

Nach Art. 19 MeldeG hat der Meldepflichtige der Meldebehörde auf Verlangen die zur ordnungsgemäßen Führung des Melderegisters erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm macht die Verfassungsbeschwerde nicht geltend; sie sind auch nicht ersichtlich. Auch die Anwendung der Vorschrift im konkreten Fall, d.h. ihre Heranziehung als Grundlage für ein Auskunftsverlangen über einen Wiedererwerb der früheren türkischen Staatsangehörigkeit seitens der Adressaten, ist nach den dargestellten Grundsätzen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Darlegungen in den angegriffenen Entscheidungen, wonach die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen und insbesondere auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt ist (vgl. ebenso OVG NRW, Beschluss vom 29. April 2005 8 B 721/05, NJW 2005, S. 2940 f.), berücksichtigen die grundrechtlichen Belange des Beschwerdeführers in angemessener Weise und sind daher frei von verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Einwand des Beschwerdeführers, eine negative Antwort sei nicht im Sinne von Art. 19 MeldeG zur ordnungsgemäßen Führung des Melderegisters erforderlich, da die staatsangehörigkeitsbezogenen Eintragungen in diesem Fall weiterhin zuträfen, geht fehl. Denn nur durch die Verpflichtung auch zur Fehlanzeige werden die Behörden in die Lage versetzt, die Personen, die nach ihrer Einbürgerung in den deutschen Staatsverband die türkische Staatsangehörigkeit nicht wiedererworben haben, von denjenigen zu unterscheiden, die aus welchen Gründen auch immer trotz Wiedererwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit eine Erklärung nicht abgegeben haben.

2. Die Rüge, Art. 3 Abs. 3 GG sei verletzt, weil derartige Auskunftsverlangen nur an eingebürgerte deutsche Staatsbürger türkischer Herkunft gerichtet worden seien, greift ebenfalls nicht durch. Vor dem Hintergrund beschränkter Verwaltungskapazitäten und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist es nicht zu beanstanden, dass die Behörden ihre Anfragen auf eine Gruppe beschränkt haben, von der aus der Presse und aus Angaben türkischer Stellen bekannt war, dass eine beachtliche Anzahl der Gruppenangehörigen nach ihrer Einbürgerung auf Antrag ihre frühere Staatsangehörigkeit wieder angenommen hatten.