VG Hannover

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Zitieren als:
VG Hannover, Urteil vom 08.03.2006 - 6 A 8615/05 - asyl.net: M8127
https://www.asyl.net/rsdb/M8127
Leitsatz:
Schlagwörter: Niederlassungserlaubnis, Widerruf, Asylberechtigung, Flüchtlingsanerkennung, Klage, Suspensiveffekt, Ausländerbehörde, Anerkennungsbescheid, Bindungswirkung
Normen: AufenthG § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; AsylVfG § 73; AsylVfG § 75; AufenthG § 84; AsylVfG § 73 Abs. 2a; AsylVfG § 4
Auszüge:

Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid (Widerruf der Niederlassungserlaubnisse) ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG waren (zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung) nicht erfüllt. Danach kann der Aufenthaltstitel des Ausländers nur widerrufen werden, wenn seine Anerkennung als Asylberechtigter oder seine Rechtsstellung als Flüchtling erlischt oder unwirksam wird. Dies ist nicht der Fall.

Die Asylanerkennungen der Kläger bzw. deren Rechtsstellungen als Flüchtlinge sind nicht erloschen. Ein Erlöschenstatbestand des § 72 AsylVfG ist nicht erfüllt. Derartiges wird auch von der Beklagten nicht behauptet.

Die Asylanerkennungen bzw. Rechtsstellungen als Flüchtlinge sind bislang auch nicht unwirksam geworden. Zwar hat das Bundesamt für Migration die entsprechenden Anerkennungen gem. § 73 AsylVfG widerrufen. Dies führt jedoch bislang nicht zur Unwirksamkeit der Asylanerkennungen der Kläger bzw. deren Rechtsstellungen als Flüchtlinge, da die Kläger gegen diese Widerrufsbescheide fristgerecht Klage erhoben haben und dieser Klage gemäß § 75 AsylVfG ausdrücklich aufschiebende Wirkung zukommt.

Die Beklagte kann sich nicht auf § 84 AufenthG berufen. Danach lassen Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet unberührt. § 84 AufenthG regelt die Wirkungen von Widerspruch und Klage abweichend von § 80 VwGO für Widersprüche und Klagen gegen Entscheidungen nach dem AufenthG. Die Widerrufsentscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge beruht jedoch nicht auf einer Norm des AufenthG, sondern auf § 73 AsylVfG und fällt somit nicht unter den Anwendungsbereich des § 84 AufenthG. Im Übrigen ist ein Widerruf der Asylanerkennung kein Verwaltungsakt, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet.

Eine dem § 84 AufenthG entsprechende Norm fehlt im AsylVfG ebenso wie eine Norm, die § 84 AufenthG für anwendbar erklärt.

Aus den Regelungen des AsylVfG ergibt sich vielmehr das Gegenteil. § 73 Abs. 2a AsylVfG regelt nur, dass bis zur Bestandskraft des Widerrufs nach § 73 AsylVfG für Einbürgerungsverfahren die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag entfällt. Aus dem Umkehrschluss folgt, dass es für alle übrigen Fälle bei der vollen aufschiebenden Wirkung der Klage gem. § 75 AsylVfG bleibt, und somit die Ausländerbehörde weiterhin gem. § 4 AsylVfG an die wirksamen, für die Kläger positiven Entscheidungen gebunden ist. Dies steht auch im Einklang mit §§ 73 Abs. 6, 72 Abs. 2 AsylVfG, wonach der Ausländer seinen Anerkennungsbescheid und seinen Reiseausweis erst unverzüglich nach der Unanfechtbarkeit der asylrechtlichen Widerrufsentscheidung abzugeben hat.