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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 04.11.2005 - 1 B 58.05 - asyl.net: M8235
https://www.asyl.net/rsdb/M8235
Leitsatz:
Schlagwörter: Widerruf, Asylanerkennung, Flüchtlingsanerkennung, Unverzüglichkeit, Jahresfrist, Anhörung
Normen: VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1; AsylVfG § 73 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1; VwVfG § 48 Abs. 4 S. 1; VwVfG § 49 Abs. 2 S. 2
Auszüge:

Die ausschließlich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Soweit die Beschwerde mit diesem Vortrag einen erneuten rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf zur Auslegung des Merkmals "unverzüglich" in § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG geltend macht, ist sie nicht begründet. Sie geht zutreffend davon aus, dass in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt ist, dass die Pflicht zum unverzüglichen Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter und als politischer Flüchtling nach § 73 Abs. 1 AsylVfG allein dem öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Beendigung der dem Ausländer nicht (mehr) zustehenden Rechtsposition dient (Beschluss vom 27. Juni 1997 - BVerwG 9 B 280.97 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 2 = NVwZ-RR 1997, 741). Deshalb kann ein als asylberechtigt Anerkannter nicht dadurch in seinen Rechten verletzt werden, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (früher: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) einen - ansonsten berechtigten - Widerruf nicht unverzüglich ausspricht (Beschluss vom 12. Februar 1998 - BVerwG 9 B 654.97 - <juris> und Beschluss vom 25. Mai 1999 - BVerwG 9 B 288.99 - <juris>). Der hiergegen von der Beschwerde erhobene Einwand, diese Rechtsprechung berücksichtige nicht, dass der Kläger auch als Adressat eines nur objektiv rechtswidrigen - nämlich nicht unverzüglichen - Widerrufs zumindest in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verletzt sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Insbesondere kann sich die Beschwerde insoweit nicht auf die von ihr angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfGE 9, 83 88>; 42, 20 27> und DVBl 1995, 192) und einen daraus angeblich abzuleitenden "Anspruch auf objektive Fehlerfreiheit des Hoheitsaktes" mit der Rechtsfolge berufen, dass jeder an irgendeinem objektiven Rechtsfehler leidende belastende Verwaltungsakt die allgemeine Handlungsfreiheit in verfassungswidriger Weise beschränke. Die zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts befassen sich nicht mit der Frage, welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn ein belastender Verwaltungsakt, der in die allgemeine Handlungsfreiheit des Adressaten eingreift, gegen Bestimmungen verstößt, die ausschließlich zur Wahrung öffentlicher Interessen erlassen worden und nicht zumindest auch dem individuellen Interesse des Adressaten zu dienen bestimmt sind. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erkennt vielmehr ausdrücklich an, dass eine Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann Erfolg haben kann, wenn der belastende Verwaltungsakt objektiv rechtswidrig und der Kläger dadurch in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt wird (BVerfGE 97, 49 61>).

Soweit die Beschwerde ferner meint, der Widerruf scheitere "jedenfalls - unabhängig von den Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - an der zeitlichen Begrenzung der Befugnis zum Widerruf eines rechtmäßig begünstigenden Verwaltungsakts nach § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG", wird auch damit eine rechtsgrundsätzliche Frage nicht aufgezeigt. Das Oberverwaltungsgericht hat nämlich, wie die Beschwerde selbst einräumt - ausdrücklich ausgeführt, dass es auf die Frage der Anwendbarkeit der Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG nicht ankommt, weil diese frühestens zu laufen beginne, wenn die Behörde vollständige Kenntnis von dem für die Entscheidung über den Widerruf erheblichen Sachverhalt hat, zu dessen Ermittlung die nach § 73 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG zwingend vorgesehene Anhörung gehört. Von dem Zeitpunkt der Anhörung an sei aber im vorliegenden Fall die Jahresfrist erkennbar gewahrt (BA S. 9).