VG Lüneburg

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Zitieren als:
VG Lüneburg, Beschluss vom 31.08.2006 - 4 B 40/06 - asyl.net: M8805
https://www.asyl.net/rsdb/M8805
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Schulbesuch, Schulpflicht, gewöhnlicher Aufenthalt, Aufenthaltsgestattung, Schulrecht, räumliche Beschränkung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: NSchG § 54 Abs. 1 S. 1; NSchG § 64 Abs. 1; NSchG § 63 Abs. 1 S. 1; NSchG § 63 Abs. 3 S. 1; AufenthG § 12 Abs. 3; AsylVfG § 55; AsylVfG § 56
Auszüge:

Der Antragsteller kann auf der Grundlage des § 54 Abs. 1 Satz 1 NSchG verlangen, von der Antragsgegnerin beschult zu werden.

Der Antragsteller ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin in Niedersachsen schulpflichtig. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 NSchG ist nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften zum Schulbesuch verpflichtet, wer in Niedersachsen seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Ausbildungs- oder Arbeitsstätte hat. Das ist bei dem Antragsteller der Fall. Er lebt seit dem 1. April 2006 zusammen mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in Lüneburg, in einer von seiner Mutter angemieteten Wohnung. Dabei kann dahinstehen, ob er dort im Sinne der §§ 7 - 11 BGB seinen Wohnsitz begründet hat. Jedenfalls hat der Antragsteller in Lüneburg seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Mutter des Antragstellers Inhaberin einer auf das Gebiet des Landkreises Demmin (Mecklenburg-Vorpommern) beschränkten Aufenthaltsgestattung nach §§ 55, 56 AsylVfG ist und dass sie ausweislich der dem Gericht zum Verfahren 4 A 179/06 vorliegenden Ausländerakte mit Bescheid der Stadt Lüneburg vom 8. Mai 2005 aufgefordert wurde, sich zusammen mit dem Antragsteller und seinen Geschwistern wieder in den Landkreis Demmin zu begeben.

Ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des NSchG wird dort begründet, wo der Betroffene nicht nur vorübergehend verweilt (Seyderhelm/Nagel/Brockmann, NSchG, § 63 Anm. 2.2), wobei es für die Beurteilung dieser Frage auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt (NdsOVG, Beschl. v. 20.6.2006 - 13 ME 108106 -; Beschl. v. 4.2.2004 - 13 LA 220/03 -; Seyderhelm/Nagel/Brockmann, NSchG, § 63 Anm. 2.2; vgl. auch die Ergänzenden Bestimmungen zur Schulpflicht und zum Rechtsverhältnis der Schule - Erg. Best.-, Erl. d. MK v. 29.8.1995, SVBl. S. 223, i.d.F. v. 1.3.2006, SVBl. S. 109, zu § 63 Anm. 3.1.2.). Im Regelfall wird dabei eine räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung gemäß §§ 55, 56 AsylVfG dazu führen, dass der betroffene Ausländer in anderen Gebieten des Bundesgebietes einen gewöhnlichen Aufenthalt auch im Sinne des NSchG nicht begründen kann, weil regelmäßig die Prognose gerechtfertigt sein wird, dass sein Aufenthalt in einem Gebiet außerhalb des Geltungsbereiches seiner Aufenthaltsgestattung lediglich ein vorübergehender ist. Der Betroffene ist nämlich nach § 12 Abs. 3 AufenthG verpflichtet, dieses Gebiet unverzüglich zu verlassen. Diese Verpflichtung wird durch die zuständige Behörde in der Regel auch zwangsweise durchgesetzt.

Hier liegt es ausnahmsweise anders. Es ist nicht absehbar, dass der Antragsteller kurzfristig in den Landkreis Demmin zurückkehren wird. Vielmehr ist offen, ob und ggf. wann dies der Fall sein wird. Die Mutter des Antragstellers beruft sich auf ein Aufenthaltsrecht in Lüneburg, weil der Bruder des Antragstellers, ..., Sohn eines in Lüneburg lebenden deutschen Staatsangehörigen sei. Wie dem Gericht aus dem Verfahren 4 A 179/06 bekannt ist, ist zur Entscheidung über die für den Bruder des Antragstellers im Geburtenbuch des Standesamts vorzunehmenden Eintragungen gegenwärtig ein Verfahren vor dem Amtsgericht Neubrandenburg anhängig. Dabei hat die Stadt Lüneburg erklärt, sie beabsichtige nicht, eine Verbringung des Antragstellers, seiner Mutter sowie seiner Geschwister in den Landkreis Demmin zu veranlassen, solange die Frage der Abstammung des Bruders des Antragstellers und daran anknüpfend seiner Staatsangehörigkeit und seiner Freizügigkeitsberechtigung in dem personenstandsgerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Neubrandenburg nicht hinreichend geklärt ist. Gegenwärtig ist nicht ersichtlich, dass diese Klärung mittlerweile erfolgt ist.