LG Duisburg

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Zitieren als:
LG Duisburg, Beschluss vom 28.07.2008 - 69 Qs 13/08 - asyl.net: M16552
https://www.asyl.net/rsdb/M16552
Leitsatz:

Keine Strafbarkeit wegen Verstoßes gegen räumliche Beschränkung oder unerlaubter Einreise, wenn ein Geduldeter in die Niederlande reist und von dort nach Deutschland zurückgeschoben wird.

Schlagwörter: Ausländerstrafrecht, Duldung, Verstoß gegen räumliche Beschränkung, Ausreise, Ausland, unerlaubte Einreise, Kosten, Einstellung, Verfolgungsverjährung, Verjährung, Zurückschiebung, Niederlande
Normen: AuslG § 56 Abs. 3 S. 1, AuslG § 93 Abs. 3 Nr. 1, AuslG § 56 Abs. 4, AuslG § 92 Abs. 1 Nr. 6, AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 3
Auszüge:

[...]

Eine solche Ordnungswidrigkeit hat der Betroffene, indem er sich am 4.4.2004 in die Niederlande begab, indes nicht begangen.

§§ 56 Abs. 3 Satz 1, 93 Abs. 3 Nr. 1 AuslG betrafen nur Fälle, in denen sich ein geduldeter Ausländer innerhalb des Bundesgebietes bewegte und hierbei der räumlichen Beschränkung seiner Duldung auf ein Bundesland zuwiderhandelte. Nicht erfaßt wurde hingegen der Fall, daß ein geduldeter Ausländer aus dem Bundesgebiet ausreiste und hierdurch – denknotwendig – auch das Gebiet desjenigen Bundeslandes verließ, auf das seine Duldung räumlich beschränkt war. Dies ergibt sich aus der systematischen und teleologischen Auslegung der Regelungen in § 56 AuslG. Zum einen bestimmte § 56 Abs. 4 AuslG, daß die Duldung des Ausländers mit seiner Ausreise erlischt, so daß die Ausreise selbst kaum als Verstoß gegen die Bestimmungen der Duldung gewertet werden kann. Zum anderen – und dies ist das weitaus gewichtigere Argument – blieb gemäß § 56 Abs. 1 AuslG die Ausreisepflicht eines geduldeten Ausländers unberührt. D.h. auch ein geduldeter Ausländer war weiterhin ausreisepflichtig. Sofern er ausreiste, kam er seiner gesetzlichen Verpflichtung aus § 56 Abs. 1 AuslG nach. Der Staat kann die Ausreise nicht auf der einen Seite zum gesetzlich erwünschten Verhalten des geduldeten Ausländers erklären und sie auf der anderen Seite als Verstoß gegen die räumliche Beschränkung der Duldung auf ein Bundesland als Ordnungswidrigkeit sanktionieren.

Der Betroffene ist, als er sich am 4.4.2004 in die Niederlande begab, im Sinne des § 56 Abs. 1 und Abs. 4 AuslG "ausgereist". Dabei ist es unerheblich, auf welchem Wege, zu welchem Zweck und für welche Dauer der Betroffene das Staatsgebiet der Niederlande betreten hat. "Ausreise" im Sinne des Ausländer- und Aufenthaltsrechtes ist das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland durch Überschreiten der Grenze zum Nachbarstaat, unabhängig vom Motiv der Ausreise und der Dauer der Abwesenheit ( BayObLG, NStZ-RR 2005, 20 ). Ebenso ohne Belang ist es, ob der Betroffene nach seinem Aufenthalt in den Niederlanden wieder nach Deutschland zurückkehren wollte, etwa weil er seinen Wohnsitz in X nicht aufgeben wollte. Derartige "Rückkehrpläne" des Ausländers sind schon allein deswegen ohne Belang, weil der Ausländer nach der einmal erfolgten Ausreise aus der Bundesrepublik gar nicht wieder in das Bundesgebiet einreisen darf. Reist ein – ehemals geduldeter – Ausländer, dessen Duldung mit der Ausreise erloschen ist, später wieder in das Bundesgebiet ein, macht er sich nämlich in der Regel wegen unerlaubter Einreise nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG (früher: § 92 Abs. 1 Nr. 6 AuslG) strafbar (BayObLG, aaO.).

bb) Im vorliegenden Falle hat sich der Betroffene durch seine "Rückkehr" nach Deutschland am 4.4.2004 indes – ausnahmsweise – auch nicht wegen unerlaubter Einreise nach § 92 Abs. 1 Nr. 6 AuslG strafbar gemacht. Eine "Einreise" im Sinne der Strafvorschrift liegt dann nicht vor, wenn der Ausländer das Bundesgebiet nicht aufgrund eines eigenen Willensentschlusses betritt, sondern zwangsweise in das Bundesgebiet verbracht wird (BayObLG, aaO.); letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn der Ausländer – wie der Betroffene im vorliegenden Falle – von den Behörden eines Nachbarstaates an die Bundesrepublik Deutschland zur Rückübernahme überstellt oder zurückgeschoben wird (BayObLG, aaO.). [...]