VerfGH Berlin

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Zitieren als:
VerfGH Berlin, Beschluss vom 19.06.2013 - 69/13, 69 A/13 - asyl.net: M20990
https://www.asyl.net/rsdb/M20990
Leitsatz:

Die tatrichterliche Würdigung und Subsumtion im Zusammenhang mit der Anordnung von (vorläufiger) Auslieferungshaft ist verfassungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Auslieferungshaft, Auslieferung, vereinfachtes Auslieferungsverfahren, Spezialität, Auslieferungsverfahren, Flucht, Untertauchen, Fluchtgefahr, Uruguay, Recht auf Freiheit der Person, Grundrecht,
Normen: IRG § 22, IRG § 41, IRG § 15, IRG § 16, VvB Art. 8 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen keine Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VvB. In die Freiheit einer Person darf von Verfassungs wegen nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden, wobei der Eingriff nur aus besonders wichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewähr - leistungen erfolgen darf (vgl. Beschluss vom 22. November 2005 - VerfGH 146/05, 146 A/05 - Rn. 31). Gesetzliche Grundlage für den vorliegenden Eingriff ist zum einen § 15 Abs. 1 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG -, wonach gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft angeordnet werden darf, wenn die Gefahr besteht, dass er sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen werde. Zum anderen kann nach § 16 IRG Auslieferungshaft unter diesen Voraussetzungen schon vor dem Eingang des Auslieferungsersuchens angeordnet werden, wenn eine zuständige Stelle des ersuchenden Staates darum ersucht oder ein Ausländer einer Tat, die zu seiner Auslieferung Anlass geben kann, auf Grund bestimmter Tatsachen dringend verdächtig ist.

An der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften, die der Beschwerdeführer nicht in Frage stellt, bestehen keine Zweifel (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 1999 - 2 BvR 898/99 -, juris Rn. 54 m. w. N.). Die auf ihrer Grundlage erfolgte Anordnung von Auslieferungshaft durch das Kammergericht begegnet im Ergebnis ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall sind Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und insoweit der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen. Dies gilt auch für die Prüfung und Feststellung der Voraussetzungen für den Erlass oder die Fortdauer eines Haftbefehls (vgl. Beschluss vom 22. November 2005, a. a. O. Rn. 32 m. w. N.). Verfassungsrecht ist nur verletzt, wenn ein Gericht durch verfahrensrechtliche Maßnahmen Grundrechte eines Beteiligten beeinträchtigt, bei seiner Entscheidung willkürlich gehandelt, bei der Auslegung der Gesetze gegen Grundrechte verstoßen oder grundrechtswidrige Gesetze angewandt hat und die Entscheidung darauf beruht (Beschluss vom 7. Dezember 2004 - VerfGH 197/04, 197 A/04 -; st. Rspr.). Dies ist hier nicht der Fall.

Das Kammergericht hat jedenfalls im Beschluss vom 7. Mai 2013 die Annahme des Haftgrundes der Fluchtgefahr hinreichend und vertretbar begründet. Es hat dabei deutlich gemacht, dass es seine tatrichterliche Würdigung und Subsumtion letztlich nicht allein auf die Erklärungen des Beschwerdeführers zu einer vereinfachten Auslieferung und zu dem Grundsatz der Spezialität, sondern auf die gesamten Umstände - insbesondere die zu erwartende Strafhöhe sowie die Aussicht einer Strafvollstreckung in Uruguay fern von der Ehefrau und den Kindern - gestützt und dabei auch erwogen hat, dass sich der Beschwerdeführer freiwillig gestellt hatte und auch nach seiner ersten Freilassung nicht untergetaucht ist (zu gesteigerten Anforderungen an die Begründungstiefe bei weiteren Haftfortdauerentscheidungen vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12 -, juris Rn. 42 ff. m.w.N.). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hat der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof auch nach Verwerfung seiner Anhörungsrüge nicht gerügt. Ein Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 VvB ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. [...]