LSG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.08.2015 - L 20 AY 50/15 - asyl.net: M23158
https://www.asyl.net/rsdb/M23158
Leitsatz:

Wendet sich ein nach § 3 AsylbLG Leistungsberechtigter gegen die Aufforderung von einer Gemeinschaftsunterkunft in eine andere Gemeinschaftsunterkunft umzuziehen, so ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG eröffnet.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Gemeinschaftsunterkunft, Aufnahmeeinrichtung, Sachleistungen, Umzug, Wechsel der Unterkunft, Zuweisung,
Normen: AsylbLG § 3, SGG § 51 Abs. 1 Nr. 6a, VwGO § 40 Abs. 1 S. 1,
Auszüge:

[...]

Zu Unrecht hat das SG den Sozialrechtsweg für unzulässig erklärt. Der Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten ist nicht nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet, denn es besteht insoweit die abdrängende Sonderzuweisung nach § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG. Danach entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Ob es sich bei der hier zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Streitigkeit (vgl. zur Abgrenzung zu zivilrechtlichen Streitigkeiten die sog. "Sonderrechtstheorie", dazu ausführlich Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 51 Rn. 3c m.w.N.) um eine Angelegenheit der Sozialhilfe und des AsylbLG handelt, entscheidet sich anhand der Rechtsnorm, aus der die von dem Betroffenen begehrte Rechtsfolge abzuleiten ist (vgl. Senat, Beschluss vom 27.01.2012 - L 20 AY 140/11 B m.w.N.).

Die streitentscheidende Frage, ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, den Antragsteller mit sofortiger Wirkung vom Übergangsheim L 148e in das Übergangsheim I Straße umzusetzen, beurteilt sich aber allein nach den Regelungen des AsylbLG. Der Antragsteller ist Leistungsberechtigter nach § 1 Abs. 1 AsylbLG. Von seinem Anspruch auf Grundleistungen wird - da er nicht in einer Aufnahmeeinrichtung im Sinne von § 44 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) untergebracht ist - gem. § 3 Abs. 2 S. 4 AsylbLG u.a. der Bedarf für Unterkunft und Heizung umfasst, der gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht wird. Als Sachleistung soll die Unterbringung von Ausländern, die - wie der Antragsteller - nicht (mehr) verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, nach § 53 Abs. 1 S. 1 AsylVfG in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften erfolgen. Die Antragsgegnerin hat diesen Bedarf bisher durch das Zurverfügungstellen der Unterkunft im Übergangsheim L 148e im Wege der Sachleistung gedeckt. Soll dieser Bedarf zukünftig durch Erbringung einer anderen Sachleistung gem. § 3 Abs. 2 S. 4 AsylbLG - nämlich der Unterbringung im Übergangsheim I - erbracht werden, ist für das zugrundeliegende Eilverfahren im Kern streitentscheidend, in welcher konkreten Weise die Antragsgegnerin die Sachleistung nach § 3 AsylbLG zu erbringen hat. Folglich ist allein die leistungsrechtliche Beziehung zwischen dem Antragsteller als Asylbewerber und der Antragsgegnerin als Leistungsträgerin nach dem AsylbLG betroffen, die durch die Vorschriften des AsylbLG bestimmt wird (vgl. Senat, a.a.O.; VG Aachen, Beschluss vom 28.11.2005 - 6 L 823/05).

Nicht bestimmt wird die maßgebliche Frage hingegen von anderen Normen; insbesondere sind ordnungsbehördliche - speziell § 14 OBG NRW - sowie asylverfahrensrechtliche oder aufenthaltsrechtliche Regelungen nicht streitentscheidend. Sie können zwar möglicherweise Auswirkungen auf die praktische Durchführung der Unterbringung und den leistungsrechtlichen Anspruch auf Übernahme von Unterkunftskosten haben; eine abweichende Bestimmung des Streitgegenstandes folgt hieraus jedoch nicht (vgl. Senat, a.a.O.). Im AsylVfG ist insoweit nur das Prinzip festgeschrieben, dass Asylbewerber nach der Entlassung aus der Aufnahmeeinrichtung in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden sollen (§ 53 AsylVfG). Diese Vorgabe richtet sich damit unmittelbar an die zur Unterbringung verpflichteten Gemeinden, sie regelt hingegen nicht die Beziehung zwischen Leistungsempfänger und Leistungsträger. Die konkrete Einweisung in die als kommunale öffentlich-rechtliche Einrichtung organisierte Unterkunft erfolgt nach den Bestimmungen der maßgeblichen gemeindlichen Satzung der Antragsgegnerin - hier die "Benutzungs- und Gebührensatzung für die Übergangsheime der Stadt E. für ausländische Flüchtlinge vom 11.12.2001 - Übergangsheim-Gebührensatzung ausländische Flüchtlinge" (Amtsblatt für die Stadt E 41/2001, S. 483; abrufbar unter www.e.de/fa/ortsrecht/medien/S50.04_Uebergangsheim-Gebuehrensatzung_ausl._Fluechtlinge.pdf, abgerufen am 26.08.2015) - durch Verwaltungsakt. Diese kommunale Satzung enthält aber unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das AsylbLG allein die Ausgestaltung der Verpflichtung aus § 3 AsylbLG zur Bereitstellung von Unterkünften und die verfahrensmäßige Behandlung der Einweisung von Leistungsberechtigten in die jeweiligen Übergangsheime, nicht hingegen die bei der Zuteilung der Sachleistung "Unterkunft" zu beachtenden inhaltlichen Maßstäbe. Diese beurteilen sich allein anhand von § 3 AsylbLG (vgl. VG Aachen, a.a.O.; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 27.02.2015 - 12 E 159/15).

Für die Rechtsverhältnisse nach dem AsylbLG weist § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG die Zuständigkeit den Sozialgerichten zu. Die angefochtene Entscheidun [...]