OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.11.2015 - 18 B 387/15 (= ASYLMAGAZIN 1-2/2016, S. 44 ff.) - asyl.net: M23345
https://www.asyl.net/rsdb/m23345
Leitsatz:

Zur Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines in einem anderen Mitgliedstaat anerkannten Flüchtlings.

Eine Befreiung von der Visumspflicht besteht nur dann, wenn der bei Einreise beabsichtigte Aufenthaltszweck auf einen Kurzaufenthalt im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 EG- VisaVO gerichtet ist.

Schlagwörter: Visumspflicht, Aufenthaltstitel, Aufenthaltserlaubnis, anerkannter Flüchtling, Kurzaufenthalt, Europäisches Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge, Verantwortungsübergang, Übergang der Verantwortung, EATRR,
Normen: SDÜ Art. 20, AufenthG § 4 Abs. 1 S. 1, AufenthV § 15, VO 539/2001 Art. 1 Abs. 2 S. 2, AufenthG § 14 Abs. 1 Nr. 2, SDÜ Art. 21, SGK Art. 5 Abs. 1 Bst. c,
Auszüge:

[...]

Eine Berechtigung zur visumfreien Einreise folgt - ungeachtet der Frage, wie es zu bewerten ist, dass Bulgarien den Schengen-Besitzstand nur teilweise anwendet - zunächst nicht aus Art. 20 SDÜ i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, § 15 AufenthV. Hiernach können sich sichtvermerksfreie Drittausländer in dem Hoheitsgebiet der Vertragsparteien frei bewegen, höchstens jedoch 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen und soweit sie die in Art. 5 Abs. 1 Buchstaben a), c), d) und e) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen. Die Antragstellerin ist jedoch keine sichtvermerksfreie Drittausländerin und erfüllte zudem die Einreisevoraussetzungen nicht. Sichtvermerksfrei ist ein Ausländer, wenn er für das Überschreiten der Außengrenze der EU-Mitgliedstaaten - die Art. 19 ff. SDÜ regeln die Überschreitung der Binnengrenzen und den anschließenden Aufenthalt in den Vertragsstaaten des SDÜ - nach den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 (EG-VisaVO) keines Visums bedarf. Die Antragstellerin ist von der Visumpflicht jedoch nicht nach der vorliegend allein in Betracht kommenden Vorschrift des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 tir. 3 EG-VisaVO befreit. Die Befreiungstatbestände des Art. 1 Abs. 2 EG-VisaVO berechtigen nur dann zur visumfreien Einreise, wenn der bei Einreise beabsichtigte Aufenthaltszweck auf einen Kurzaufenthalt im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 EGVisaVO gerichtet ist. Die Maßgeblichkeit des Aufenthaltszwecks folgt insoweit sowohl aus der Definition des "Visums" im Sinne der EG-VisaVO in der Fassung der Änderungsverordnung (EU) Nr. 610/3013 (ABl. (EU) Nr. L 182 vom 29. Juni 2013 S. 1), bei dem es sich nach deren Art. 2 i.V.m. Art. 2 Nr. 2 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 (Visakodex) um eine Genehmigung im Hinblick auf die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder einen geplanten (Hervorhebung durch den Senat) Aufenthalt in diesem Gebiet von höchstens 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen handelt, als auch aus der Reichweite der Rechtsgrundlage, auf die die EG-VisaVO gestützt ist. Denn Art. 62 Nr. 2 lit. b) Ziffer i) des - zum 1. Dezember 2009 außer Kraft getretenen - Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ermächtigt zu Maßnahmen bezüglich des Überschreitens der Außengrenzen der Mitgliedstaaten, mit denen Vorschriften über Visa für geplante (Hervorhebung durch den Senat) Aufenthalte von höchstens drei Monate festgelegt werden. Daher ist unter dem Aspekt der Aufenthaltsdauer für die Frage, ob eine Befreiung von der Visumpflicht nach Art. 1 Abs. 2 EG-VisaVO besteht, maßgeblich, welche Absichten bzw. Vorstellungen der Ausländer im Zeitpunkt der Einreise hat (vgl. VGH BW, Beschluss vom 14. September 2011 - 11 S 2438/11 -, InfAuslR 2011, 443; Nds. OVG, Beschluss vom 12. Juli 2012 - 8 ME 94/12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 21. Juni 2013 - 10 CS 13.1002 -, juris m.w.N.; Hambg. OVG, Beschluss vom 23. September 2013 - 3 Bs 131/13 -, AuAS 2013, 242; OVG LSA, Beschluss vom 7. Oktober 2014 - 2 L 152/13 -, juris m.w.N.).

Hiervon ausgehend ist die Antragstellerin unerlaubt im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eingereist, weil sie schon bei der Einreise einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet beabsichtigte, jedoch nicht im Besitz des für einen solchen langfristigen Aufenthalt erforderlichen nationalen Visums war. Mit Blick darauf, dass die Antragstellerin, die ausweislich der in ihrem Reiseausweis enthaltenen Stempel frühestens am 31. Dezember 2014 eingereist ist, aber schon am 7. Januar 2015 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum dauerhaften Verbleib im Bundesgebiet beantragt hat, ist unzweifelhaft, dass schon bei Einreise ein Daueraufenthalt geplant war. Dies verdeutlichen im Übrigen nachdrücklich auch die Versuche ihrer Verwandten im Jahre 2014, die Antragstellerin im Wege des NRW-Landesaufnahmeverfahrens nach Deutschland zu holen, die indes an der mangelnden Fähigkeit bzw. Bereitschaft der Verwandten zur Deckung des Lebensunterhaltes der Antragstellerin gescheitert sind. Soweit die Beschwerde zu suggerieren versucht, die Antragstellerin sei nicht in der Lage gewesen, einen dahingehenden Willen zu bilden, sind Anhaltspunkte für eine derartig weite Einschränkung der geistigen Fähigkeiten der Antragstellerin, die noch unmittelbar zuvor von Syrien nach Bulgarien gereist und dort (erfolgreich) ihre Flüchtlingsanerkennung betrieben hat, auch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Dr. I. vom 21. Januar 2015 nicht ansatzweise zu erkennen.

Darüber hinaus liegen auch die weiteren Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 1 SDÜ nicht vor. Diese erfordern, dass der Ausländer die Voraussetzungen des - nach Aufhebung von Art. 5 SDÜ nunmehr gemäß Art 39 Abs. 3 der Verordnung Nr. 562/2006 (Schengener Grenzkodex - SGK) maßgeblichen - Art. 5 Abs. 1 lit. a), c), d) und e) SGK erfüllt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Abgesehen davon, dass Art. 5 Abs. 1 SGK in der Fassung der Änderungsverordnung (EU) Nr. 610/2013 nur für einen geplanten Aufenthalt von bis zu 90 Tagen gilt, verfügte die Antragstellerin entgegen Art. 5 Abs. 1 lit. c) SGK, wie die Beantragung von Sozialleistungen wenige Tage nach der Einreise verdeutlicht, nicht über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthaltes als auch für die Rückreise. Das Vorliegen der Einreisevoraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 SGK ist jedenfalls im Grundsatz auch konstitutiv für die Entstehung des Einreise- und Aufenthaltsrechts nach Art. 20 SDÜ. Dem steht nicht entgegen, dass Art. 1 Abs. 2 EGVisaVO die Erfüllung der Einreisevoraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 SGK nicht verlangt. Dies stellt keine "Ungereimtheit" dar (so aber Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 14 AufenthG (Stand Oktober 2014) Rn. 18; s.a. Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 3. Auflage 2007, S. 215), sondern ist Folge der Systematik dieser Verordnungen. Die EG-VisaVO beantwortet lediglich die Frage, ob ein Drittausländer für die Überschreitung der Außengrenzen der EU-Mitgliedstaaten ein Visum benötigt oder ob er visumfrei einreisen darf. Bedarf er hiernach keines Visums, bedeutet dies jedoch nicht, dass er nunmehr ohne Weiteres über die Außengrenze der Mitgliedstaaten einreisen darf. Vielmehr müssen sowohl diejenigen Drittausländer, die eines Visums bedürfen, als auch diejenigen, denen nach Art. 1 Abs. 2 EG-VisaVO eine visumfreie Einreise gestattet ist, die Einreisevoraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 SGK erfüllen - wobei diejenigen, die der Visumpflicht unterliegen, neben den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 lit. a), c), d) und e) SGK auch die des Art. 5 Abs. 1 lit. b) SGK erfüllen müssen. Für den anschließenden Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten des Schengener Durchführungsübereinkommens (diese sind weitgehend deckungsgleich mit den Staaten, für die die EG-VisaVO und der SGK gelten) bzw. das Überschreiten der Binnengrenzen greifen die Regelungen der Art. 19 f. SDÜ ein und legen durch den Verweis auf die insoweit nicht unmittelbar geltende Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 SGK fest, dass die Voraussetzungen, unter denen ein Drittstaatsangehöriger die Außengrenze überschreiten darf, auch für den gesamten sich anschließenden Aufenthalt in den Vertragsstaaten gelten. Auf die in diesem Zusammenhang stehende - im Wesentlichen für die Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG maßgebliche - Frage, ob eine unerlaubte Einreise im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausnahmsweise dann nicht vorliegt, wenn für den Ausländer nicht erkennbar sein konnte, dass er eine Einreisevoraussetzung nicht (mehr) erfüllt (vgl. hierzu - allerdings nicht zwischen Entstehung und Erlöschen des Einreiserechts differenzierend - Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 3. Auflage 2007, S. 217 ff.), kommt es vorliegend nicht an. Denn abgesehen von der fehlenden Absicht eines Kurzaufenthaltes war für die Antragstellerin erkennbar, dass sie über keine finanziellen Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes verfügte.

Von der Visumpflicht war die Antragstellerin ferner nicht nach Art. 21 SDÜ i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, § 15 AufenthV aufgrund der ihr erteilten bulgarischen card of refugee befreit. Hiernach können sich Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Art. 5 Abs. 1 lit. a), c) und e) SGK aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen. Die Antragstellerin erfüllte jedoch mangels finanzieller Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes schon die Voraussetzung des Art. 5 Abs. 1 lit. c) nicht.

§ 18 AufenthV befreite die Antragstellerin ebenfalls nicht von dem Erfordernis eines Titels für die Einreise und den Aufenthalt. Die Vorschrift findet entgegen ihrem Wortlaut auf Personen mit Flüchtlingsstatus, die - wie die Antragstellerin - Inhaberin eines von einem EU-Mitgliedstaat ausgestellten Reiseausweises sind und ihren Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat haben, keine Anwendung (mehr). Mit den §§ 15 ff. AufenthV, die eine Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels für die Einreise und den anschließenden Kurzaufenthalt regeln, hat die Bundesrepublik von der ihr durch die EG-VisaVO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, Ausnahmen von der Visumpflicht nach Art. 1 Abs. 1 EG-VisaVO und Ausnahmen von der Befreiung von der Visumpflicht nach Art. 1 Abs. 2 EG-VisaVO festzulegen (vgl. auch BR-Drs. 731/04 S. 163).

Seit der Änderung der EG-VisaVO durch die berichtigte Verordnung (EG) Nr. 1932/2006 vom 21. Dezember 2006 (ABl. EU Nr. L 29 vom 3. Februar 2007 S. 10) regelt jedoch die EG-VisaVO für den vorstehenden Personenkreis die Visafreiheit und ermächtigt die Mitgliedstaaten in Art. 4 Abs. 2 lit. b) zu einer nationalen Regelung über die Befreiung von der Visumpflicht nur hinsichtlich derjenigen Flüchtlinge, die ihren Wohnsitz in einem in Anhang II der EG-VisaVO aufgeführten Drittstaat haben und im Besitz eines von diesem Staat ausgestellten Reisedokuments sind. Davon abgesehen erfüllte die Antragstellerin nicht die Voraussetzungen für eine Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels nach den §§ 15, 18 AufenthV i.V.m. der EGVisaVO. Denn wie oben ausgeführt gilt die EG-VisaVO - und dies betrifft auch die in ihr enthaltenen Bestimmungen über die Ermächtigung der Mitgliedstaaten zu nationalen Regelungen - nur für geplante Kurzaufenthalte. Zudem regeln die EG-VisaVO und die §§ 15 ff. AufenthV nur das Erfordernis eines Visums bzw. die Befreiung hiervon, nicht aber eine Befreiung von den Einreisevoraussetzungen des Schengener Grenzkodex bzw. des SDÜ (vgl. auch BR-Drs. 731/04 S. 165).

Die Einreisevoraussetzung des Art. 5 Abs. 1 lit. c) SGK erfüllte die Antragstellerin jedoch nicht.

Die Antragstellerin war bei der Einreise auch nicht nach § 16 AufenthV i.V.m. Art. 1 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens über die Aufhebung des Sichtvermerkszwangs für Flüchtlinge vom 20. April 1959 vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Zwar ist sie Inhaberin eines in Anlage A zur AufenthV genannten Dokuments, nämlich eines Reiseausweises für Flüchtlinge (Nr. 3 der Anlage A zu § 16 AufenthV). § 16 AufenthV befreit jedoch nur vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels, soweit völkerrechtliche Verpflichtungen, die diesem Erfordernis oder der zeitlichen Begrenzung auf einen Kurzaufenthalt entgegen stehen, vor dem 1. September 1993 gegenüber den in Anlage A aufgeführten Staaten eingegangen wurden. In Nr. 3 der Anlage A ist Bulgarien jedoch nicht aufgeführt.

Ein Recht zur visumfreien Einreise und anschließendem titellosen Aufenthalt folgt ferner nicht aus einer etwaigen unmittelbaren Anwendung des Europäischen Übereinkommens über die Aufhebung des Sichtvermerkszwangs für Flüchtlinge. Ungeachtet aller weiteren Fragen findet das Sichtvermerksabkommen nach Art. 1 Abs. 1 nur auf solche Flüchtlinge Anwendung, die rechtmäßig ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien des Übereinkommens haben. Die Antragstellerin dürfte in Bulgarien zwar einen dementsprechenden Aufenthalt gehabt haben. Bulgarien hat das Übereinkommen allerdings weder unterzeichnet noch ratifiziert und ist daher nicht Vertragspartei (vgl. zum Unterschriften- und Ratifikationsstand (Stand 22.10.2015): www.coe.int/de/web/ conventions/full-list/-/conventions/treaty/031/signatures).

Ein rechtmäßiger Aufenthalt folgt schließlich auch nicht aus dem Europäischen Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16. Oktober 1980. Das Übereinkommen findet im Fall der Antragstellerin, deren Reiseausweis für Flüchtlinge von Bulgarien ausgestellt worden ist, keine Anwendung, da Bulgarien auch dieses Übereinkommen weder unterzeichnet noch ratifiziert hat (vgl. zum Unterschriftenund Ratifikationsstand (Stand 28.10.2015): www.coe.int/de/web /conventions/search-onstates/-/conventions /treaty/ 107/signatures?p_auth=ctEgMIFJ).

Ein Verantwortungsübergang nach Art. 2 und 4 des Übereinkommens erfolgt aber nach Art. 1 lit. c und d nur zwischen Vertragsstaaten des Übereinkommens. Denn aufnehmender "Zweitstaat" im Sinne des Übereinkommens ist nach Art. 1 lit. d ein Vertragsstaat des Übereinkommens, in dem ein Flüchtling anwesend ist, der einen von einem Erststaat ausgestellten Reiseausweis besitzt. Ein "Erststaat" ist nach Art. 1 lit. c aber nur ein Vertragsstaat. Abgesehen hiervon wären selbst bei Anwendung des Übereinkommens dessen Voraussetzungen für einen Verantwortungsübergang nicht gegeben.

Mit Blick auf das anhängige Hauptsacheverfahren sei darauf hingewiesen, dass der Frage nachzugehen sein wird, ob im Fall der 85-jährigen Antragstellerin, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann, aufgrund der Lebensverhältnisse in Bulgarien - individuelle oder allgemeine - zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bulgariens vorliegen (vgl. zur Lage anerkannter Flüchtlinge etwa Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23. Juli 2015 an VG Stuttgart, Dr. Illareva, Auskunft vom 27. August 2015 an VGH BW und Pro Asyl, Auskunft vom 17. Juni 2015 an VG Köln, hierzu ferner VGH BW, Urteil vom 18. März 2015 - A 11 S 2042/14 -, juris) und, sofern es sich hierbei ausschließlich um allgemeine Gefahren im Sinne des Satzes 2 handeln sollte, ob die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Soweit die Antragstellerin geltend macht, aufgrund ihres Gesundheitszustandes u.a. bei behördlichen Angelegenheiten einer Betreuung zu bedürfen, bedarf es allerdings mit Rücksicht darauf, dass unter Zugrundelegung der Ausführungen des Gutachters Dr. I. vom 21. Januar 2015 nichts dafür ersichtlich ist, dass sich der Gesundheitszustand der Antragstellerin zwischen diesem Zeitpunkt und dem der Einreise nach Bulgarien Ende September/Anfang Oktober 2014 verschlechtert haben könnte, die Antragstellerin aber gleichwohl in der Lage war, u.a. die behördliche Feststellung ihrer Flüchtlingseigenschaft zu erlangen, einer substantiierten Darlegung der Umstände ihres Aufenthaltes in Bulgarien. Sollte ein Abschiebungsverbot zu bejahen sein, kommt es für die Erteilung der insoweit in erster Linie in Betracht zu ziehenden Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 -, InfAuslR 2007, 4) entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auf die Frage der Lebensunterhaltssicherung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht an; bei § 25 Abs. 5 AufenthG bedarf es im Übrigen grundsätzlich einer Ermessensentscheidung über ein Absehen von dieser Regelerteilungsvoraussetzung (§ 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). [...]