OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.01.2017 - 7 B 11589/16; 7 D 11595/16 - asyl.net: M25076
https://www.asyl.net/rsdb/M25076
Leitsatz:

1. Zum Ausschluss einer Duldung zu Ausbildungszwecken: Für den Ausschluss einer Duldung zu Ausbil­dungszwecken kommt es nicht darauf an, dass der Betroffene Kenntnis von den konkret bevorstehenden Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung hat.

2. Der Anspruch auf Duldung bei Aufnahme einer qualifizierten Ausbildung ist nicht dazu bestimmt, bei konkret bevorstehenden Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung eine Bleibeperspektive für die Dauer der Ausbildung (erst) zu begründen.

3. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird bereits die Beantragung von Pass(ersatz)papieren als konkrete Vorbereitung zur Aufenthaltsbeendigung qualifiziert (unter Verweis auf BT Drucks. 18/9090, S. 26).

4. Zur regelmäßigen Unzulässigkeit einer Antragsänderung im Beschwerdeverfahren gegen Beschlüsse im einstweiligen Rechtsschutz.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, aufenthaltsbeendende Maßnahmen, Passbeschaffung, Mitwirkungspflicht, Passersatz,
Normen: AufenthG § 60a
Auszüge:

[...]

Für den Ausschluss einer Duldung zu Ausbildungszwecken kommt es nicht darauf an, dass der Betroffene Kenntnis von den konkret bevorstehenden Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung hat. Der Anspruch auf Duldung bei Aufnahme einer qualifizierten Ausbildung dient dazu, Geduldeten und ausbildenden Betrieben für die Zeit der Ausbildung und für einen begrenzten Zeitraum danach mehr Rechtssicherheit zu verschaffen und das diesbezügliche aufenthaltsrechtliche Verfahren zu vereinfachen (vgl. BT-Drucks. 18/8615, S. 48). Gleichzeitig ist jedoch insbesondere auch die Bleibeperspektive zu berücksichtigen, so dass die integrationsfördernden Maßnahmen in erster Linie denjenigen mit "guter Bleibeperspektive" zugutekommen (vgl. BTDrucks. 18/8615, S. 1, 2, 4, 5, 22, 23, 25, 31, 36 und 39), während auf Maßnahmen mit dem Ziel der Integra - tion verzichtet werden soll, wenn individuell eine geringe Bleibewahrscheinlichkeit besteht (vgl. vgl. BTDrucks. 18/8615, S. 22, dort zu sicheren Herkunftsstaaten). Der Gesetzgeber verfolgt ausweislich der Gesetzesbegründung mit dem Ausschlusstatbestand in § 60a Abs. 2 Satz 4 letzter Halbsatz AufenthG das Ziel, in den Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung absehbar ist, der Durchsetzung der Ausreisepflicht den Vorrang einzuräumen (vgl. BT-Drucks. 18/9090, S. 26). Mithin wird deutlich, dass der Anspruch auf Duldung bei Aufnahme einer qualifizierten Ausbildung nicht dazu bestimmt ist, bei konkret bevorstehenden Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung eine Bleibeperspektive für die Dauer der Ausbildung (erst) zu begründen. Geht es also im Wesentlichen darum, bei einer absehbaren Aufenthaltsbeendigung und damit einer objektiv fehlenden Bleibeperspektive der Ausreisepflicht den Vorrang einzuräumen, kommt es nicht auf die Kenntnis des Betroffenen und/oder den Vorwurf einer etwaig missbräuchlichen Aufnahme einer Ausbildung zur Vermeidung einer Aufenthaltsbeendigung an. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird bereits die Beantragung von Pass(ersatz)papieren als konkrete Vorbereitung zur Aufenthaltsbeendigung qualifiziert (vgl. BT-Drucks. 18/9090, S. 26). [...]

Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass der Antragsgegner für den seit Anfang Juni 2016 ausreisepflichtigen Antragsteller bereits zu diesem Zeitpunkt die Beschaffung von Ersatzpapieren konkret zur Durchführung der Aufenthaltsbeendigung betrieben hat und jedenfalls zu einem nicht weiter konkretisierten Datum vor dem 3. August 2016 die Ausstellung von Passersatzpapieren beantragt worden sein muss. Dass bereits die Bemühungen um die Beschaffung von Passersatzpapieren und die Aufforderung zur Mitwirkung daran in konkretem Zusammenhang mit der vorgesehenen Aufenthaltsbeendigung standen, bestätigen auch die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten im Verfahren der Familie des Antragstellers vom 17. Mai 2016, in der eine direkte Verbindung zwischen dem Hinweis auf die Mitwirkungspflichten bei der Passersatzbeschaffung und der Androhung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen hergestellt wird (vgl. Bl. 90 ff. GA). Einem Anspruch auf Duldung zur Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung stand deshalb jedenfalls zum Zeitpunkt des ersten konkreten Antrags auf Duldung zu Ausbildungszwecken unter Mitteilung der Ausbildungsstelle § 60a Abs. 2 Satz 4 letzter Halbsatz AufenthG entgegen. Es ist – entgegen dem Vorbringen des Antragstellers – für die Annahme einer konkret bevorstehenden Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung nicht erforderlich, dass ein Ausreisetermin bereits besteht. [...]