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Landesbehörden, Entscheidung vom 27.10.2017 - 21-802-50 - asyl.net: M26573
https://www.asyl.net/rsdb/M26573
Leitsatz:

Innenministerium Brandenburg zur Duldung nach § 60a AufenthG, insbesondere zur Ausbildungsduldung:

1. Bei einer Anspruchsduldung gem. § 60a Abs. 2 S. 1 und 2 AufenthG liegt ein Fall der tatsächlichen Unmöglichkeit auch dann vor, wenn zwar kein offizieller Abschiebungsstopp i.S.d. § 60a Abs. 1 AufenthG erlassen wurde, aber die oberste Landesbehörde oder das BMI trotzdem Abschiebungen in ein bestimmtes Land für einen begrenzten Zeitraum aussetzt.

2. Um bei einer Ausbildungsduldung den Zirkelschluss zu vermeiden, dass die Ausbildungsbetriebe erst dann einen verbindlichen Ausbildungsvertrag unterzeichnen, wenn die betroffene Person eine Ausbildungsduldung vorweisen kann, soll zwischen Ausländerbehörden und Ausbildungsbetrieben ein spezielles "Zug-um-Zug" Verfahren etabliert werden. 

3. Die Verletzung der Passbeschaffungspflicht stellt nur dann einen Ausschlussgrund für die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis nach § 60a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG dar, wenn eben deshalb aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Fehlt es an der Kausalität, weil z.B. noch andere Gründe der Abschiebung entgegenstehen, tritt kein Beschäftigungsverbot ein. 

4. Zwar ist die Beschäftigungserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen der Ausbildungsduldung regelmäßig zu erteilen, allerdings können in die Ermessensentscheidung auch Gesichtspunkte wie die Legalität der Einreise, das Herkunftsland oder z.B. auch die Abwehr von Fällen des Gesetzesmissbrauchs durch den Ausbildungsbetrieb einfließen und eine Ablehnung rechtfertigen. Die Versagung einer Beschäftigungserlaubnis kommt auch in Betracht, wenn eine Ausbildungsduldung erst während eines Härtefallverfahrens beantragt wird. 

5. Die Ausbildungsduldung darf erteilt werden, wenn die tatsächliche Aufnahme der Tätigkeit sechs Wochen nach Beantragung der Duldung beabsichtigt ist. Bei einem späteren Beginn kommt nur die Erteilung einer Ermessensduldung gem. § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG in Betracht.

6. Die Ausbildungsduldung wird für den gesamten Zeitraum der Ausbildung erteilt. Es besteht kein Ermessen der Ausländerbehörde dahingehend, die Duldung für einen kürzeren Zeitraum, etwa bis zum Ablauf der Probezeit, zu erteilen. 

(Zusammenfassung der Redaktion)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, Erlass, Duldung, Mitwirkungspflicht, Arbeitserlaubnis, Ausländerbehörde, Härtefall, Härtefallkommission, Ermessen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen, Abschiebungsstopp,
Normen: AufenthG § 60a, AufenthG § 60a Abs. 2 S. 3, AufenthG § 23a, GG Art. 6, EMRK Art. 8, AufenthG § 60a Absatz 2 S. 1, AufenthG § 60a Absatz 2 S. 2, AufenthG § 60a Absatz 2 S. 4, AufenthG § 4 Absatz 2 S. 3, HFKV § 4 Abs. 4, § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 2,
Auszüge:

[...]

Das Bundesministerium des Innern hat am 30. Mai 2017 allgemeine Anwendungshinweise zur Duldungserteilung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes herausgegeben.

Diese Hinweise werden, einschließlich der Ergänzungen des Ministeriums des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg (durch rote Schriftfarbe gekennzeichnet), mit dem vorliegenden Erlass verbindlich in Kraft gesetzt. [...]

Die Duldung nach § 60a AufenthG bewirkt lediglich eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers, [...].

Die Ausländerbehörden sollten daher Duldungen nur für den voraussichtlichen Zeitraum der konkret bestehenden Unmöglichkeit der Abschiebung bzw. des Erfordernisses der Anwesenheit im Bundesgebiet erteilen. Die Gründe für die Duldungserteilung sind regelmäßig, spätestens alle drei Monate, auch mit Blick auf das Primat der Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht zu überprüfen. Nur in begründeten Einzelfällen, wenn z.B. der Wegfall der Unmöglichkeit in dieser Frist ausgeschlossen erscheint, kann die Duldung ausnahmsweise für einen längeren Zeitraum erteilt werden und sollte mit einer auflösenden Bedingung verbunden werden.

MIK Brandenburg:

Die Verwendung einer solchen auflösenden Bedingung ist nicht auf den oben beschriebenen Fall begrenzt. Der Wortlaut der Bedingung kann folgendermaßen lauten:

"Die Duldung erlischt mit der formlosen Bekanntgabe des Abschiebungstermins."

Gemäß der Rechtsprechung sind solche auflösenden Bedingungen jedoch dann rechtswidrig, wenn eine Aufenthaltsbeendigung in dem Geltungszeitraum der Duldung ohnehin nicht beabsichtigt ist, bzw. wenn ein längerfristiges Abschiebungshindernis vorliegt und es prognostisch gesehen als unwahrscheinlich oder ausgeschlossen erscheint, dass die Aufenthaltsbeendigung innerhalb des Geltungszeitraums der Duldung möglich sein wird (VGH Mannheim Urt. v. 24.2.2016 – 11 S 1626/15, BeckRS 2016, 43698, VG Oldenburg Beschl. v. 23.1.2013 – 11 A 4635/12, BeckRS 2013, 46005). [...]

Teil III Individuelle Aussetzung der Abschiebung - Duldung im Einzelfall

1.) Anspruchsduldung (§ 60a Absatz 2 Satz 1 und 2 AufenthG)

Eine Duldung ist zu erteilen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird (§ 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG). Bei der Auslegung des Begriffs "unmöglich" ist darauf abzustellen, ob die Abschiebung alsbald realisiert werden kann oder zeitweilig aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse ausgeschlossen ist.

a) Tatsächliche Unmöglichkeit:

Eine Abschiebung ist tatsächlich unmöglich, wenn sie auf praktische Schwierigkeiten stößt, die nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand zu beheben sind. [...]

Von einer tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung ist insbesondere in folgenden Fällen auszugehen: [...]

MIK Brandenburg:

Tatsächliche Unmöglichkeit liegt darüber hinaus auch vor, wenn kein offizieller Abschiebungsstopp i.S.d. § 60a Abs. 1 AufenthG erlassen wurde, die oberste Landesbehörde oder das Bundesministerium des Innern aber trotzdem für einen begrenzten Zeitraum Abschiebungen in ein bestimmtes Land aussetzt, weil beispielsweise die Sicherheitslage erneut überprüft wird oder die Behörden vor Ort nicht arbeitsfähig sind. [...]

b) Rechtliche Unmöglichkeit

Rechtliche Gründe stehen der Abschiebung entgegen, wenn sich aus dem nationalen oder europäischen Recht, Verfassungsrecht oder Völkergewohnheitsrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt. Eine rechtliche Unmöglichkeit liegt insbesondere in folgenden Fallkonstellationen vor: [...]

MIK Brandenburg:

Bei der Abschiebung von Familien sind die Vorgaben des höherrangigen Rechts (Art. 6 GG und Art. 8 EMRK) zu beachten und es ist eine Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen.

Wann eine unzumutbare Beeinträchtigung des Familienlebens anzunehmen ist, muss am Einzelfall entschieden werden.

Bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen sind die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten zu berücksichtigen, und entsprechend ihrem Gewicht zur Geltung zu bringen. Hierbei spielen die Dauer der zu erwartenden Trennung, die Möglichkeit der gemeinsamen Lebensführung in dem Heimatstaat und, bei der Trennung von in Deutschland lebenden Kindern, deren Alter und die Dauer der Trennung eine Rolle (BVerfG Beschluss vom 9. 1. 2009 - 2 BvR 1064/08; VG Trier, Beschluss vom 04.07.2012 - 1 L 671/12.TR).

Ein der Duldungserteilung entgegenstehender öffentlicher Belang kann etwa die Straffälligkeit eines Ausländers sein (BVerfG Beschluss vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05; VGH Mannheim Beschluss vom 13. April 2006 – 1 S 734/06).

Stellen Ehepartner in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag und über einen Antrag wird früher als über den anderen entschieden, so ist dem ausreisepflichtigen Ehepartner das Abwarten des Asylverfahrens im Heimatstaat grundsätzlich zumutbar (BVerwG, Beschluss vom 13-08-1990 - 9 B 100/90).

Besteht zwischen den betroffenen Familienangehörigen eine Beistandsgemeinschaft, so liegt ein rechtliches Abschiebungshindernis vor, wenn ein Familienmitglied auf die tatsächlich erbrachte Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und sich diese Hilfe nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt. Es kommt nicht darauf an, ob die tatsächliche erbrachte Hilfe auch von einer anderen Person erbracht werden kann. (VGH Mannheim Beschluss vom 5.7.1999 - 13 S 1101–99).

Die Trennung eines Elternteils von seinem in Deutschland lebenden minderjährigen Kind ist dann zulässig, wenn zwischen dem Elternteil und seinem Kind keine familiären Bindungen bestehen. Auf § 60a Abs. 2 b AufenthG wird hingewiesen.

Auch bei familiären Bindungen begründet die Trennung eines Elternteils von dem Rest der Familie nicht per se einen Duldungsgrund i.S.d. § 60a Abs.2 S. 1 2. Alt. AufenthG.

Voraussetzung ist, dass die Personen, zu denen familiäre Bindungen bestehen, sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten. Ist dies nicht der Fall, so kann nicht grundsätzlich von einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Ehe- und Familienlebens ausgegangen werden, da die Gefahr einer dauerhaften Familientrennung nicht besteht. (VG München Beschluss vom 5.5.2014 – M 11 S 14.50165; OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.12.2006 - 11 ME 393/06). [...]

Von einem rechtlichen Hindernis i.S. des § 60a Absatz 2 Satz 1 ist im Regelfall allein aufgrund folgender Fallkonstellationen nicht auszugehen:

- "Kirchenasyl".

- Befassung der Härtefallkommission nach § 23a AufenthG oder von politischen Mandatsträgern im konkreten Einzelfall.

MIK Brandenburg:

Gem. § 4 Abs. 4 der Härtefallkommissionsverordnung (HFKV) ordnet in Brandenburg die oberste Landesbehörde an, dass, außer bei einem feststehenden Rückführungstermin, durch die zuständige Ausländerbehörde für die Dauer der Befassung der Härtefallkommission von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abgesehen wird.

Die Ausländerbehörde erteilt dem betroffenen Ausländer eine Duldung gem. § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG, diese kann mit der auflösenden Bedingung versehen werden, dass die Duldung mit Beendigung des Härtefallverfahrens erlischt.

- Einlegen einer Petition nach Artikel 17 GG.

- Prüfung des Vorliegens von Duldungsgründen.

MIK Brandenburg:

Beruft sich ein Ausländer auf das Vorliegen von Duldungsgründen, so prüft die zuständige Ausländerbehörde den Sachverhalt, sie kann für die Dauer der Prüfung eine Duldung gem. § 60a Abs. 2 S.1 Alt. 2. AufenthG erteilen. Ist die Geltendmachung von Duldungsgründen aber von vorneherein offensichtlich unbegründet, so wird keine Duldung aus rechtlichen Gründen erteilt. Für den Zeitraum der Organisation der Rückführung erteilt die Ausländerbehörde eine Duldung gem. § 60a Abs. 2 S. 1 Alt. 1 AufenthG (sofern keine GÜB ausgestellt wird). [...]

Teil IV Sonderfall: Ausbildungsduldunq (§ 60a Absatz 2 Satz 4 ff. AufenthG) [...]

Zwingende Voraussetzung ist nach § 60a Absatz 2 Satz 4 AufenthG, dass der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat. [...]

Staatlich anerkannte oder vergleichbar geregelte Ausbildungsberufe sind alle anerkannten Aus- und Fortbildungsabschlüsse nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Handwerksordnung (HwO) sowie vergleichbare bundes- oder landesrechtlich geregelte Berufsabschlüsse oder diesen Berufsabschlüssen entsprechende Qualifikationen.

MIK Brandenburg:

Ein Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe wird jährlich von dem Bundesinstitut für Berufsbildung veröffentlicht. Die aktuelle Version ist unter dem folgenden Internetlink abrufbar:

https://www.bibb.de/dokumente/pdf/verzeichnis_anerk_berufe_2017_bibb.pdf

Bitte beachten Sie jedoch, dass nicht alle aufgeführten Ausbildungsberufe die gesetzlichen Mindestanforderungen des § 6 Abs. 1 S. 2 BeschV erfüllen.

Für landesrechtlich geregelte Ausbildungsberufe sind auch die Listen der Kultusministerkonferenz (KMK-Listen) über landesrechtlich geregelte Berufsabschlüsse an Berufsfachschulen und Fachschulen zu berücksichtigen.

Die aktuellen Listen sind abrufbar unter:

www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2017/2017_02_03-Berufsabschluesse-an-Berufsfachschulen.pdf und

https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2017/2017_02_03-Berufsabschluesse-an-Fachschulen.pdf [...]

Bei Berufsausbildungen an Berufsfachschulen oder Fachschulen ist die Bestätigung der Ausbildung durch die staatliche oder staatlich anerkannte Schule vorzulegen.

MIK Brandenburg:

Häufig wird es vorkommen, dass die Ausbildungsbetriebe einen verbindlichen Ausbildungsvertrag erst dann aushändigen oder unterzeichnen, wenn der Ausländer eine Ausbildungsduldung vorweisen kann. Um diesen Zirkelschluss zu vermeiden, soll zwischen der Ausländerbehörde und dem Ausbildungsbetrieb ein Zug-um-Zug Verfahren etabliert werden.

Dieses kann beispielsweise folgendermaßen ablaufen:

- Der Ausbildungsbetrieb gibt gegenüber der Ausländerbehörde eine schriftliche Erklärung ab, dass er die Ausbildung des Ausländers beabsichtigt und übersendet einen Entwurf des Ausbildungsvertrages.

- Die Ausländerbehörde prüft, ob es sich um eine qualifizierte Berufsausbildung handelt und ob Versagungsgründe vorliegen.

- Liegen alle Voraussetzungen für die Ausbildungsduldung vor (ausgenommen des Ausbildungsvertrages), erteilt die Ausländerbehörde dem Ausbildungsbetrieb eine schriftliche Zusicherung zur Duldungserteilung mit der Maßgabe, dass ein von der zuständigen Stelle geprüfter Ausbildungsvertrag vorgelegt wird und sich die entscheidungserhebliche Sachlage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht zu Ungunsten des Ausländers verändert hat. Die Zusicherung kann mit dem Hinweis auf die Mitteilungspflicht nach § 60a Abs. 2 Satz 7 AufenthG verbunden werden.

- Der Ausbildungsbetrieb oder der Auszubildende legt den Ausbildungsvertrag im Original mit dem "Geprüft-Stempel" der zuständigen Stelle oder den Eintrag in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse vor.

- Die Ausländerbehörde prüft abschließend, ob sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht zu Ungunsten des Ausländers verändert hat und erteilt anschließend die Duldung und die Beschäftigungserlaubnis. [...]

Ein Antrag auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Absatz 2 Satz 4 ff. AufenthG ist zugleich auch als Antrag auf die Erteilung der erforderlichen Beschäftigungserlaubnis nach § 4 Absatz 2 Satz 3 AufenthG auszulegen. [...]

Die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis steht nach § 4 Absatz 2 Satz 3 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörden. Wenn die Voraussetzungen von § 60a Absatz 2 Satz 4 ff. AufenthG vorliegen, ist das Ermessen in Bezug auf die Beschäftigungserlaubnis in der Regel zugunsten des Ausländers weitgehend reduziert, um den Anspruch des Ausländers auf Duldungserteilung nach § 60a Absatz 2 Satz 4 AufenthG nicht zu konterkarieren.

Gleichwohl ist das Ermessen auch in diesem Fall nicht automatisch auf Null reduziert, im Einzelfall können beispielsweise folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden: [...]

MIK Brandenburg:

Dies ist für Brandenburg nur mit folgender Maßgabe anzuwenden: Zwar unterliegen auch Ausländer, die eine Ausbildungsduldung beantragen, zu jedem Zeitpunkt der Passpflicht nach § 3 AufenthG. Die Verletzung der Pflicht zur Passbeschaffung stellt aber nur dann einen Ausschlussgrund für die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG dar, wenn deshalb aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Das Beschäftigungsverbot nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG setzt nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm voraus, dass vom Ausländer selbst zu vertretende Umstände vorliegen, die kausal dafür sind, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Fehlt es an dieser Kausalität, weil z.B. noch andere Gründe der Abschiebung entgegenstehen, so tritt kein Beschäftigungsverbot ein.

- In Fällen, in denen Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten ihren Asylantrag nachweislich nach dem 31.08.2015 gestellt haben, diesen jedoch vor Ablehnung durch das Bundesamt zurücknehmen, kann dies ein Indiz dafür sein, dass die Rücknahme auch mit dem Ziel erfolgte, den Versagungsgrund nach § 60a Absatz 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG nicht zu erfüllen. Ein solcher Sachverhalt kann als Umgehung der vorgesehenen Verfahren zur Erlangung einer Duldung zu Ausbildungszwecken berücksichtigt werden.

Gleiches gilt für Ausländer, die bewusst keinen Asylantrag stellen, um nicht unter das Erwerbstätigkeitsverbot nach § 60a Absatz 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu fallen oder als unbegleitete Minderjährige nach Ablehnung eines Asylantrags zurückgeführt zu werden.

MIK Brandenburg:

Laut Rechtsprechung kann zwar aus dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 60a Abs. 2 S. 4 ff. AufenthG geschlossen werden, dass die Beschäftigungserlaubnis regelmäßig zu erteilen ist, allerdings können in die Ermessensentscheidung auch Gesichtspunkte wie die Legalität der Einreise, das Herkunftsland oder z.B. auch die Abwehr von Fällen des Gesetzesmissbrauchs durch den Ausbildungsbetrieb einfließen und die Ablehnung der Erteilung der Beschäftigungserlaubnis rechtfertigen (VGH Kassel, Beschluss vom 21.4.2017 – 3 B 826/17, 3 D 828/17).

Bei der Entscheidung der Ausländerbehörde für oder gegen die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis an Personen, die keinen Asylantrag gestellt haben oder diesen zurückgenommen haben, können ermessenslenkend für die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis eine Aufenthaltsdauer in Deutschland von drei Jahren oder länger, gute Deutschkenntnisse und die erfolgreiche Teilnahme an berufsvorbereitenden Maßnahmen sprechen. Gegen die Erteilung sprechen bspw. eine relativ kurze Aufenthaltsdauer in Deutschland, schlechte Deutschkenntnisse und begangene Straftaten.

MIK Brandenburg:

Die Versagung der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis kommt auch in der folgenden Fallkonstellation in Betracht:

Befindet sich ein Ausländer im Härtefallverfahren, so ordnet die oberste Landesbehörde gem. § 4 Abs. 4 der HFKV an, dass, außer bei einem feststehenden Rückführungstermin, durch die zuständige Ausländerbehörde für die Dauer der Befassung der Härtefallkommission von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abgesehen wird.

Beantragt der Ausländer erst während des laufenden Härtefallverfahrens die Erteilung einer Ausbildungsduldung, so sollte in dem Zeitraum, in dem über das Härtefallersuchen entschieden wird, keine Beschäftigungserlaubnis und somit auch keine Ausbildungsduldung erteilt werden.

Die Aufenthaltsgewährung in Härtefällen gem. § 23 a AufenthG zielt darauf ab, einen Einzelfall zu lösen, der bei der Anwendung der allgemeinen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes ansonsten nicht sachgerecht hätte behandelt werden können. (AufenthG-VwV des BMI Nr. 23a.0.1.)

Die Regelung des § 23a AufenthG ist subsidiär gegenüber anderen Bestimmungen des AufenthG. (BeckOK AuslR/Maaßen/Kluth, 13. Ed. 1.2.2017, AufenthG § 23a Rn. 1) Schon dies lässt darauf schließen, dass eine Antragstellung nach § 23 a AufenthG und eine gleichzeitige Antragstellung gem. § 60a Abs. 2 S. 4 ff. AufenthG nicht miteinander einhergehen können. [...]

Die Gesetzesbegründung führt aus, dass der Ausländer die Berufsausbildung aufnimmt, indem er zu dem Zweck der im Berufsausbildungsvertrag bezeichneten Ausbildung die Tätigkeit bei der Ausbildungsstätte beginnt (BT-Drs. 18/9090, S. 26). Die Erteilung der Ausbildungsduldung darf daher nur in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der geplanten Aufnahme der Berufsausbildung erfolgen. Die zeitliche Nähe des Antrags auf Erteilung der Ausbildungsduldung zum tatsächlichen Ausbildungsbeginn kann i.d.R. angenommen werden, wenn die tatsächliche Aufnahme der Berufsausbildung in wenigen Wochen erfolgen wird.

MIK Brandenburg:

Eine Aufnahme in wenigen Wochen erfolgt, wenn der tatsächliche Beginn der Ausbildung sechs Wochen nach Beantragung der Duldung beabsichtigt ist. Bei einem darüber hinaus gehenden Zeitraum kommt die Erteilung einer Duldung gem. § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG in Betracht.

Im Hinblick auf den häufig mehrmonatigen Vorlauf zwischen dem Abschluss des Ausbildungsvertrages und dem tatsächlichen Ausbildungsbeginn kann eine Duldung auf Basis des § 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG nach Ermessen der Ausländerbehörden gerechtfertigt sein, soweit zu diesem Zeitpunkt konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung noch nicht eingeleitet wurden, der Eintrag des Ausbildungsvertrages in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse bzw. "Geprüft-Stempel" vorliegt und keine Gründe für die Versagung der Beschäftigungserlaubnis bestehen. In diesen Fällen ist das auszuübende Ermessen bereits dadurch reduziert, dass in zeitlicher Nähe zum Ausbildungsbeginn ein Anspruch auf Erteilung der Ausbildungsduldung besteht.

MIK Brandenburg:

Die Ermessensduldung soll erteilt werden, wenn die Aufnahme der Ausbildung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ab Beantragung der Ausbildungsduldung erfolgen soll. [...]

Den Konflikt zwischen Erteilung einer Ausbildungsduldung und der Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hat der Gesetzgeber zugunsten der Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen entschieden, wenn konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung im Zeitpunkt der Antragstellung bereits bevorstehen. [...]

MIK Brandenburg:

Es wird darauf hingewiesen, dass die ablehnende Entscheidung des BAMF keine aufenthaltsbeendende Maßnahme i.S.d. § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG darstellt. Anders ist dies beim sogenannten Dublin-Verfahren zu beurteilen. Ausführungen dazu finden sich im letzten Absatz dieser Ziffer. [...]

5. Dauer der Ausbildungsduldung

Die Ausbildungsduldung wird für die im Ausbildungsvertrag bestimmte Dauer der Berufsausbildung erteilt (§ 60a Absatz 2 Satz 5 AufenthG).

MIK Brandenburg:

Die Ausbildungsduldung wird für den gesamten Zeitraum der Ausbildung erteilt. Ein Ermessen der Ausländerbehörde, die Duldung für einen kürzeren Zeitraum zu erteilen (bspw. bis zum Ablauf der Probezeit), besteht nicht. [...]

Hat der Ausländer einen Asylantrag gestellt, ist für die Ausbildungsduldung erst Raum, wenn die Aufenthaltsgestattung erloschen ist.

Während eines laufenden Asylverfahrens eröffnet § 61 AsylG regelmäßig nach drei Monaten die Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung. Die Erteilung der dafür erforderlichen Beschäftigungserlaubnis liegt im Ermessen der Ausländerbehörde, soweit der Ausländer keinem Beschäftigungsverbot unterliegt (vgl. § 61 Absatz 2 Satz 1 AsylG). [...]

MIK Brandenburg:

Im Rahmen der Entscheidung, ob eine Beschäftigungserlaubnis erteilt wird, sind die privaten Belange des Ausländers und das öffentliche Interesse - unter Berücksichtigung einwanderungspolitischer Ziele - zu prüfen (VG München, Urteil vom 05.04.2017 - Aktenzeichen M 9 K 17.254).

Für die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis sprechen unter anderem:

- Erfüllung der Mitwirkungspflichten aus § 15 AsylG

- gute deutsche Sprachkenntnisse

- die voraussichtliche Dauer des Asylverfahrens und eine verhältnismäßig lange Aufenthaltsdauer in Deutschland ohne erstinstanzliche behördliche Entscheidung. Als Richtwert kann der Zeitraum von neun Monaten herangezogen werden, nach welchem gem. Art. 15 Abs. 2 S.1 der der Richtlinie 2013/33 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Aufnahme-Richtlinie) Asylbewerber Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten sollen. Je näher die bisherige Aufenthaltsdauer an den Zeitraum von neun Monaten heranrückt, desto gewichtiger wird diese Ermessenserwägung.

- im Einzelfall gute Bleibeperspektiven. Die monatliche Gesamtstatistik des BAMF über die Anerkennungsquoten nach Herkunftsländern ist hierbei nicht als geeignetes Kriterium anzusehen (VG München, Urteil vom 05.04.2017 - Aktenzeichen M 9 K 17.254).

Gegen die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis sprechen:

- wiederholte Verstöße gegen die Mitwirkungspflichten aus § 15 AsylG

- geringe deutsche Sprachkenntnisse

- wiederholt vorsätzlich begangene Straftaten

- im Einzelfall geringe Bleibeperspektiven (VG Würzburg, Beschluss vom 24.07.2017 – W 1 E 17.32820)

Wird einem Asylbewerber eine Beschäftigungserlaubnis erteilt, so sollte in den Fällen, in denen die Identität des Ausländers ungeklärt ist, dieser sowie der Ausbildungsbetrieb darauf hingewiesen werden, dass im Falle einer Ablehnung des Asylantrages nach Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht die Berufsausbildung abgebrochen werden müsste, wenn der Ausländer bei seiner Identitätsklärung nicht mitwirken sollte.

MIK Brandenburg:

Dieser Hinweis ist folgendermaßen zu ergänzen: "… nicht mitwirken sollte und deshalb aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können."

In diesem Fall greift das absolute Erwerbstätigkeitsverbot nach § 60a Absatz 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, das der Ausländerbehörde kein Ermessen einräumt. Damit soll bei den Betroffenen frühzeitig Rechtsklarheit darüber geschaffen werden, dass die Fortführung der Ausbildung ohne die hinreichende Mitwirkung an der Aufklärung seiner Identität - nach bestandskräftigem Abschluss des Asylverfahrens - keine Perspektive hat.

MIK Brandenburg:

Das BAMF macht seit September 2017 in dem den ablehnenden Asylbescheiden beigefügten Hinweisblatt auch darauf aufmerksam, dass eine während des Asylverfahrens begonnene Ausbildung nicht zwangsweise bei Erhalt eines ablehnenden Bescheids abgebrochen werden muss. Dieser Hinweis soll dazu dienen, Irritationen bei den Auszubildenden und Ausbildungsbetrieben vorzubeugen. [...]