OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.10.2018 - 11 B 1482/15.A - asyl.net: M26732
https://www.asyl.net/rsdb/M26732
Leitsatz:

1. Die Verfahren nach § 80 Abs. 5 und Abs. 7 VwGO sind prozessual selbständig mit unterschiedlichen Verfahrensgegenständen.

2. Im Fall unterschiedlicher Kostengrundentscheidungen in den Verfahren nach § 80 Abs. 5 und Abs. 7 VwGO kann jede Partei aus der für sie günstigen Kostengrundentscheidung Kostenerstattung durch die Gegenseite verlangen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Gebührenrecht, Rechtsanwaltskosten, Kostenrecht, Anwaltsgebühren, Abänderungsantrag, Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung,
Normen: VwGO § 80 Abs. 5, VwGO § 80 Abs. 7, RVG § 15 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

1. Dem Erstattungsanspruch der Antragsteller steht nicht entgegen, dass ihre Prozessbevollmächtigten gemäß § 15 Abs. 2 RVG Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern dürfen. Nach § 16 Nr. 5 RVG sind das Verfahren über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und jedes Verfahren über deren Abänderung oder Aufhebung "dieselbe Angelegenheit". Daraus folgt, dass ein Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und anschließend im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO von seinem Mandanten nur einmal eine Verfahrensgebühr nebst Auslagen verlangen darf. Mehr kann der Mandant und Antragsteller vom Prozessgegner - hier der Antragsgegnerin - auch nicht erstattet verlangen.

Hingegen ergibt sich aus § 16 Nr. 5 RVG nicht, dass der Prozessgegner entgegen einer gerichtlichen Kostengrundentscheidung - hier im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO - von Kostenerstattungsansprüchen freizustellen ist. Die Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und § 80 Abs. 7 VwGO sind prozessual selbstständig mit unterschiedlichen Verfahrensgegenständen. Gegenstand des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO ist eine Neuregelung der Vollziehung für die Zukunft, nicht aber die Überprüfung der auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 VwGO getroffenen Entscheidung. Deshalb bleibt die Kostengrundentscheidung des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO bestehen. In beiden Verfahren können jedoch - wie hier - entgegengesetzte Entscheidungen ergehen. Das kann dazu führen, dass in derselben Angelegenheit der Antragsgegner auf Grund der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO, der Antragsteller hingegen auf Grund der entgegengesetzten Entscheidung nach § 80 Abs. 7 VwGO einen Erstattungsanspruch hat. Ebenso kann es sich umgekehrt verhalten. Jeder kann aus der für ihn günstigen Entscheidung Erstattung seiner Kosten verfangen und dabei seine Verfahrensgebühr bei beiden Kostenfestsetzungen geltend machen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2017 - 11 B 769/15.A -, juris, Rn. 8; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, Kommentar, 23. Auflage 2017, Anhang II, Rn. 91, m.w.N; vgl. im Übrigen auch etwa hierzu ergangene zivilgerichtliche Entscheidungen: OLG Schleswig, Beschluss vom 18. November 1994 - 9 W 167/94 -, AGS 1995, 67 = juris; OLG München, Beschluss vom 4. Februar 1987 - 11 W 3140/86 -, JurBüro 1987, 712, juris (nur Leitsatz); OLG Hamburg, Beschluss vom 1. August 1980 - 8 W 143/80 -, JurBüro 1981, 277, juris (nur Leitsatz)).

Der Rechtsanwalt kann die Gebühren wegen der gebührenrechtlichen Zusammenfassung beider Verfahren in § 16 Nr. 5 RVG als eine Angelegenheit gegenüber seinem Mandanten nach § 15 Abs. 2 RVG zwar nur einmal geltend machen. Dieser Umstand besagt aber nichts darüber, wer diese Gebühren zu erstatten hat. Für die Frage der im Verhältnis der Beteiligten zueinander zu erstattenden Kosten ist vielmehr die in dem jeweiligen Verfahren ergangene gerichtliche Kostengrundentscheidung maßgeblich mit der Folge, dass im Fall unterschiedlicher Kostengrundentscheidungen in den Verfahren nach § 80 Abs. 5 und Abs. 7 VwGO jeder Beteiligte aus der für ihn günstigen Kostengrundentscheidung Kostenerstattung von der Gegenseite verlangen kann (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2017 - 11 B 769/15.A -, juris, Rn, 8; zu den entsprechenden Vorschriften nach der BRAGO: OVG NRW, Beschluss vom 2. August 2002 - 2 E 219/02 -; juris, m.w.N.; und zum RVG: VG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Juli 2015 - A 1 K 13/15 -, InfAuslR 2015, 412, m.w.N. = juris; VG München, Beschluss vom 11. September 2015 - M 17 M 15.50729 -, juris; VG Magdeburg, Beschluss vom 14. August 2017 - 3 E 187/17 -, juris; VG Bremen, Beschluss vom 8. März 2018 - 6 E 2954/17 -, juris; VG Würzburg, Beschluss vom 25. Juni 2018 - W 2 M 18.30718 -, juris; andere Ansicht: OVG NRW, Beschluss vom 13. Juli 2018 -13 B 275/18.A -, juris, Rn. 5 ff., m.w.N., wonach die Verfahrenskosten, die bereits im Ausgangsverfahren angefallen seien, auch bei einer günstigen Kostengrundentscheidung im Abänderungsverfahren nicht erstattet verlangt werden könnten; so auch VG Minden, Beschluss vom 3. Juli 2015 - 6 L 862/14.A -, juris; VG Ansbach, Beschluss vom 19. Mai 2016 - AN 9 M 16.50100 -, juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 12. Februar 2018 - 5 B 19/17.A -, juris; VG Berlin, Beschluss vom 23. August 2018 - 14 KE 39.18 (28 L 129.18 A) -, juris.

II. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch im Lichte der Ausführungen des 13. Senats des beschließenden Gerichts in dem oben zitierten. Beschluss vom 13. Juli 2018 -13 B 275/18.A - fest.

1. Soweit in dem genannten Beschluss die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juli 2007 in Bezug genommen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2003 - 7 KSt 6.03, 7 VR 1.02 - , AGS 2003, 456 (457) = juris, Rn. 3 (noch zu § 40 Abs. 2 BRAGO)), steht diese der Rechtsauffassung des beschließenden Senats nicht entgegen.

a. Das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht betraf die erfolglose Erinnerung der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegner gegen die Entscheidung der Urkundsbeamtin, den Antrag auf Kostenfestsetzung zurückzuweisen. In seinem Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht dazu im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Normzweck der Vorschrift (dort noch § 40 Abs. 2 BRAGO) sei für gesonderte Gebühren, (Hervorhebung durch den Senat) des bereits im Ausgangsverfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes tätig gewordenen Rechtsanwalts im Änderungsverfahren kein Raum. Der Antrag betraf ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem die dortigen Antragsteller ohne Erfolg die Änderung eines die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts und die Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage beantragt hatten; im Rahmen des dem ablehnenden Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vorausgegangenen vorläufigen Rechtsschutzverfahrens beim Verwaltungsgericht nach § 80 Abs. 5 VwGO hatten die Antragsteller demgegenüber überwiegend Erfolg gehabt. [...]