VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 08.08.2018 - 6 L 1675/18.F - asyl.net: M26738
https://www.asyl.net/rsdb/M26738
Leitsatz:

Keine Ausbildungsduldung bei illegal aufgenommener Ausbildung:

1. Nach dem Normzweck kommt eine Ausbildungsduldung nur für Personen in Betracht, bei denen schon vor der Aufnahme der Ausbildung jemals Duldungsgründe vorlagen (i.E. aber offen gelassen).

2. Einem Anspruch auf eine Ausbildungsduldung steht es jedenfalls entgegen, wenn eine bereits aufgenommene Ausbildung illegal ist - also ohne entsprechende Beschäftigungserlaubnis aufgenommen wurde; es genügt nicht, dass die Beschäftigung durch Erteilung der Ausbildungsduldung i.V.m. der Beschäftigungserlaubnis legal würde.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, Abschiebungshindernis, Beschäftigungserlaubnis, Arbeitsgenehmigung, Duldung, vollziehbar ausreisepflichtig,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2 S. 4, BeschV § 32 Abs. 2 Nr. 2, AufenthG § 4 Abs. 3 S. 1, BeschV § 32,
Auszüge:

[...]

Die Ausbildungsduldung wird in Teilen der Literatur als völlig eigenständiger Duldungstatbestand gesehen (Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Stand Oktober 2017, II - § 60a Rn. 288.2). Sie könnte deswegen dahingehend verstanden werden, dass sie nicht voraussetzt, dass vor Aufnahme der Ausbildung jemals Duldungsgründe vorgelegen haben. Systematisch ist sie als Unterfall des Satzes 3 einzuordnen, dessen tatbestandliche Voraussetzungen unabhängig vom Vorliegen tatsächlicher oder rechtlicher Duldungsgründe eintreten können.

Allerdings würde ein derartiges Verständnis der Norm einen starken Anreiz für illegale Einreisen jüngerer Ausländer schaffen, da es nur vom rechtzeitigen Finden eines Ausbildungsplatzes abhängen würde, ob sich ein von Vielen erstrebter Daueraufenthalt in der Bundesrepublik realisieren lassen würde. Die vom Gesetzgeber angestrebte Steuerung der Zuwanderung würde erheblich erschwert. Andere Stimmen in der Literatur interpretieren folglich die Regelung so, dass sie solche Personen von Integrationsmaßnahmen wie dem Zugang zu einer Berufsausbildung ausschließt, die von vornherein keine Aussicht auf eine internationale Schutzberechtigung oder ein humanitäres Bleiberecht besitzen und deshalb auf reguläre im Aufenthaltsgesetz vorgesehene Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt und der beruflichen Ausbildung zu verweisen sind (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Oktober 2016, A 1, § 60a Rn. 102).

Dementsprechend geht aus der Gesetzesbegründung hervor, dass der Gesetzgeber bei der Konzipierung der Regelung bereits Geduldete im Auge hatte. [...]

Dass der Gesetzgeber nicht jeden ausbildungswilligen Ausreisepflichtigen privilegieren wollte, sondern nur diejenigen, bei denen eine rasche Abschiebung ohnehin nicht zu erwarten ist, zeigt sich an dem Grundsatz "Rückführung geht vor Ausbildung", der in der Tatbestandsvoraussetzung verkörpert ist, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung für die Ausbildungsduldung noch keine konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen dürfen. Hinzu tritt die gesetzgeberische Wertung, dass eine Ausbildung oder Beschäftigung nur ermöglicht werden soll, wenn eine Abschiebung an Gründen scheitert, die der Ausländer nicht zu vertreten hat (§ 60a Abs. 2 Satz 4, Abs. 6 Nr. 2 AufenthG), was ebenfalls auf einen Vorrang der Abschiebung in Fällen schließen lässt, in denen diesbezüglich keine rechtlich beachtlichen Hindernisse bestehen.

Indes kann dahinstehen, welcher Auslegung der Vorzug zu geben ist, und es bedarf auch keiner Entscheidung, ob konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, welche die Erteilung einer Ausbildungsduldung hindern, schon dann vorliegen, wenn die Ausländerbehörde darlegen kann, dass derartige Maßnahmen vorgesehen sind, ohne dass sie bereits organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen haben muss (so Hailbronner, a.a.O., Rn. 101), was hier der Fall wäre, oder ob, was der Wortlaut nahe legt, vor Eingang des Duldungsantrags bereits Vorbereitungsmaßnahmen für die Durchführung der Abschiebung ergriffen worden sein müssen (so Funke-Kaiser, a.a.O., Rn. 288.2 ff.), woran es hier fehlen würde.

Jedenfalls scheitert ein Anspruch auf die begehrte Ausbildungsduldung daran, dass die vom Antragsteller bereits am 15. Februar 2018 - nach Ablehnung seiner Anträge auf Verlängerung seiner längst abgelaufenen Aufenthaltserlaubnis und Erteilung einer Ausbildungsduldung - ohne Zustimmung der Ausländerbehörde aufgenommene Ausbildung illegal ist. [...]

Es versteht sich von selbst, dass die vorliegende Verletzung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung zur Folge haben kann. Für den Fall, dass eine Ausbildung bereits vor Antragstellung aufgenommen wurde, kann eine Duldung zu ihrer Fortführung nur erteilt werden, wenn diese Ausbildung rechtmäßig ist, d.h. damals insbesondere mit Zustimmung der Ausländerbehörde begonnen worden war (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl., § 60a AufenthG, Rn. 37; vgl. auch VG Neustadt, Beschluss vom 12.12.2016, 2 L 993/16.NW, juris Rn. 6, 8). Es genügt nicht, wenn die Beschäftigung erst durch die Erteilung der beantragten Ausbildungsduldung und die damit verbundene Beschäftigungserlaubnis legal würde. [...]