VG Frankfurt/Oder

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Zitieren als:
VG Frankfurt/Oder, vom 14.12.2018 - 6 L 1232/18.A - asyl.net: M26978
https://www.asyl.net/rsdb/M26978
Leitsatz:

Absehen von der Anhörung bei minderjährigen Asysuchenden:

"Ist im Fall des § 24 Abs. 1 Satz 6 AsylG von der Anhörung abzusehen, besteht keine Pflicht des minderjährigen Ausländers oder eines seiner gesetzlichen Vertreter, einer dennoch angeordneten Anhörung nachzukommen mit der Folge, dass die hierauf gestützte Einstellung des Asylverfahrens nach § 33 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG nebst der auf § 34 Abs. 1 und § 38 Abs. 2 AsylG gestützten Abschiebungsandrohung rechtswidrig sind."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Anhörung, minderjährig, Einstellung, Asylverfahren, Abschiebungsandrohung, Mitwirkungspflicht,
Normen: AsylG § 24 Abs. 1 S. 6, AsylG § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, AsylG § 33, AsylG § 25,
Auszüge:

[...]

3 Nach Maßgabe des § 33 AsylG gilt der Asylantrag als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Das Nichtbetreiben wird nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG gesetzlich vermutet, wenn der Ausländer einer Aufforderung zur Anhörung nach § 25 AsylG nicht nachgekommen ist. Dieser Fall dürfte entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nach summarischer Prüfung tatbestandlich nicht erfüllt sein. Dabei kann offen bleiben, ob die grundsätzliche Pflicht zur persönlichen Anhörung nach § 25 AsylG sich auf die gesetzlichen Vertreter der minderjährigen Antragstellerin erstreckt und diese insofern säumig im Sinne des § 33 Abs. 2 AsylG werden können. Jedenfalls setzt die gesetzliche Vermutung des Nichtbetreibens des Verfahrens in § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG voraus, dass eine Mitwirkungspflicht des Ausländers besteht, der Aufforderung zur Anhörung nachzukommen, weil ihm anderenfalls die Versäumung einer vom Bundesamt angeordneten Anhörung nicht vorgeworfen werden kann. An einer solchen Mitwirkungspflicht dürfte es im Fall der Antragstellerin nach § 24 Abs. 1 Satz 6 AsylG allerdings fehlen, weil das Bundesamt demgemäß die Anhörung der Antragstellerin nach Aktenlage rechtswidrig angeordnet hatte. Nach § 24 Abs. 1 Satz 6 AsylG ist von der Anhörung abzusehen, wenn der Asylantrag wie im Fall der Antragstellerin für ein im Bundesgebiet geborenes Kind unter sechs Jahren gestellt und außerdem der Sachverhalt auf Grund des Inhalts der Verfahrensakte der Eltern oder eines Elternteils ausreichend geklärt ist. Auch die letztgenannte tatbestandliche Voraussetzung ist nach Aktenlage gegeben. Denn es ist davon auszugehen, dass der Sachverhalt ausreichend geklärt war. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hat bereits im Verwaltungsverfahren gegenüber dem Bundesamt mit Schriftsatz vom 1. November 2018 mit Posteingang am 5. November 2018 hinsichtlich der Ladung zur Anhörung am 5. November 2018 insbesondere darauf hingewiesen, dass die in Deutschland geborene Antragstellerin keine eigenen Asylgründe habe und der Sachverhalt aufgrund der erfolgten Anhörung ihrer Eltern in deren Asylverfahren im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 6 AsylG geklärt sei. [...] Vor diesem Hintergrund ist unklar, welcher Sachverhalt aus Sicht des Bundesamtes bezüglich der Antragstellerin aufklärungsbedürftig ist. Hierzu hat auch das Bundesamt weder im Bescheid noch im gerichtlichen Verfahren Ausführungen gemacht. [...]