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Zitieren als:
Landesbehörden, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 26.03.2020 - MI – 63.97 – 12238 – 8.4.1a - asyl.net: M28285
https://www.asyl.net/rsdb/M28285
Leitsatz:

Niedersächsisches Innenministerium:

Keine Leistungskürzung bei tatsächlicher Unmöglichkeit der Ausreise:

1. Bei tatsächlicher Unmöglichkeit der freiwilligen Ausreise (hier: aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie) ist eine Leistungskürzung wegen fehlender Ausreise nach § 1a Abs. 1 AsylG von Rechts wegen aufzuheben.

2. Eine Anspruchseinschränkung wegen selbst zu vertretender Abschiebungshindernisse nach § 1a Abs. 3 AsylG ist nur dann gerechtfertigt, wenn die von der leistungsberechtigten Person gesetzte Ursache alleiniger Grund für den Nichtvollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist. Können aufenthaltsbeendende Maßnahmen (auch) aus tatsächlichen Gründen nicht vollzogen werden, die außerhalb des Verantwortungsbereiches der leistungsberichtigten Person liegen - wie z.B. aufgrund der temporären Aussetzung von Rückführungen in bestimmte Zielstaaten (hier: aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie), ist die Anspruchseinschränkung von Rechts wegen aufzuheben.

3. Diese Grundsätze gelten auch für Leistungskürzungen nach § 1a Abs. 4 S. 2 und 3 AsylbLG bei Personen, denen in anderen europäischen Staaten bereits Schutz zugesprochen wurde, sowie nach § 1a Abs. 7 AsylG bei Dublin-Bescheiden. 

(Zusammenfassung der Redaktion; siehe Weisung für Schleswig-Holstein in gleicher Sache - asyl.net:M28287)

Schlagwörter: Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungskürzung, Anspruchseinschränkung, Pandemie, Unmöglichkeit der Ausreise, Weisung, Corona, SARS-CoV-2-Pandemie, Corona-Virus,
Normen: AsylbLG § 1 Abs. 1 Nr. 4, AsylbLG § 1 Abs. 1 Nr. 5, AsylbLG § 1a Abs. 1, AsylbLG § 1a Abs. 3, AsylbLG § 1a Abs. 4 S. 2, AsylbLG § 1a Abs. 4 S. 3, AsylbLG § 1a Abs. 7
Auszüge:

[...]

I. § 1a Abs. 1 AsylbLG

Besteht für die leistungsberechtigte Personen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG aktuell keine tatsächliche Möglichkeit, in ihr Herkunftsland bzw. einen aufnahmebereiten Drittstaat (freiwillig) auszureisen, entfällt damit zugleich die Ausreisemöglichkeit i.S.d. Satz 1. Die Anspruchseinschränkung ist dann von Rechtswegen aufzuheben, soweit die Möglichkeit einer (freiwilligen) Ausreise nicht gegeben ist.

II. § 1a Abs. 3 AsylbLG

Voraussetzung für eine Anspruchseinschränkung nach Satz 1 ist, dass bei Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Können jedoch aufenthaltsbeendete Maßnahmen (auch) aus tatsächlichen Gründen nicht vollzogen werden, die außerhalb des Verantwortungsbereiches der leistungsberechtigten Person liegen – wie z.B. aufgrund der temporären Aussetzung von Rückführungen in bestimmte Zielstaaten – ist die Anspruchseinschränkung von Rechtswegen aufzuheben. Dies gilt auch dann, wenn das Fehlverhalten der leistungsberechtigten Person – beispielsweise die Verweigerung bei der Mitwirkung der Passersatzpapierbeschaffung – noch andauert, jedoch auf Grund der Einschränkungen bei Rückführungen und Rücküberstellungen im Rahmen der Dublin-III-VO nicht monokausal ist. Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG ist somit nur dann gerechtfertigt, wenn die vom Leistungsberechtigten gesetzte Ursache alleiniger Grund für den Nichtvollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist (vgl. Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 1a AsylbLG [Stand: 09.03.2020] Rn. 86).

III. § 1a Abs. 4 Satz 2 und 3 AsylbLG

Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG kann nicht erlassen werden bzw. hat zu entfallen, wenn eine freiwillige Ausreise in denjenigen Mitgliedstaat der Europäischen Union (oder in einen am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat), in dem der leistungsberechtigten Personen internationaler Schutz oder aus anderen Gründen ein fortbestehendes Aufenthaltsrecht gewährt worden ist, derzeit nicht möglich ist.

Dies gilt gleichermaßen für § 1a Abs. 4 Satz 3 AsylbLG, wenn eine freiwillige Ausreise in denjenigen Staat nicht möglich ist, der der leistungsberechtigten Person aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt hat.

IV. § 1a Abs. 7 AsylbLG

Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG kann nicht erlassen werden bzw. hat zu entfallen, da aufgrund der SARS-CoV-2 Pandemie Rücküberstellungen im Rahmen der Dublin-III-VO in die betreffenden Zielstaaten vorübergehend ausgesetzt sind. In Fällen, in denen bereits eine Leistungskürzung auf Grundlage des § 1a Abs. 7 AsylbLG besteht, ist diese unter Einbeziehung der derzeitigen Gesamtlage aufzuheben.

V. Weitergehende Hinweise

Sofern eine freiwillige Ausreise bzw. aufenthaltsbeendende Maßnahmen zukünftig wieder möglich werden, sind die Anspruchseinschränkungen im vorgegebenen gesetzlichen Rahmen erneut zu überprüfen und gegebenenfalls erneut zu erlassen. [...]