VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Beschluss vom 06.11.2020 - 1 B 190/20 - asyl.net: M29120
https://www.asyl.net/rsdb/m29120
Leitsatz:

Ermessensreduzierung auf Null für Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG trotz nicht gesichertem Lebensunterhalt wegen Pflege des schwerbehinderten Vaters.

(Leitsätze der Redaktion))

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, Sicherung des Lebensunterhalts, Erwerbstätigkeit, Pflege, pflegebedürftig, familiäre Beistandsgemeinschaft, Unmöglichkeit der Ausreise, rechtliche Unmöglichkeit, Ermessensreduzierung auf Null,
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5, AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1, AufenthG § 60a Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Ferner steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht das Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen entgegen.

Zwar sichert die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt aktuell nicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), jedoch kann der Antragsgegner, wenn die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG - wie hier - erfüllt sind, die begehrten Aufenthaltserlaubnisse erteilen und dabei gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von der Anwendung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen der Absätze 1 und 2 der Vorschrift absehen.

Das ihm insoweit eröffnete Ermessen ist in Anbetracht der besonderen Umstände des vorliegenden Falles "auf Null" reduziert, weil die Versagung der Aufenthaltserlaubnis mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen nicht vereinbar wäre. Dazu gehört insbesondere der grundrechtlich gebotene Schutz von Ehe und Familie (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.03.1999 - 1 B 28.99 -, NVwZ-RR 1999, 610; Nds. OVG, Beschluss vom 02.11.2006 - 11 ME 197/06 -‚ juris, Rn. 16), der im Verhältnis zu dem pflegebedürftigen Vater unmittelbar wirkt und etwa gegenläufige einwanderungspolitische und fiskalische Gesichtspunkte angesichts des überragenden Gewichts, das gemäß Art. 6 Abs. 1 GG dem Wunsch nach Bewahrung der Familieneinheit im Falle des Angewiesenseins des aufenthaltsberechtigten Ausländers auf die Lebenshilfe der Angehörigen beizumessen ist, verdrängt (vgl. so auch Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2008, a.a.O., Rn. 36). Im vorliegenden Einzelfall kommt hinzu, dass die vollständige Sicherung des Lebensunterhaltes durch die Antragstellerin nicht möglich erscheint, da sie neben der Pflege ihres Vaters und ihrer Tochter nur eine Teilzeitbeschäftigung wird ausüben können (s.o.). Der mit ihr im Haushalt lebende Ehegatte der Antragstellerin (Kläger im Verfahren 1 A 222/20) kann zur Bedarfsgemeinschaft derzeit auch nicht beitragen, da er über keinen eine Erwerbstätigkeit erlaubenden ausländerrechtlichen Status verfügt. [...]