Bundesministerium des Innern

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Zitieren als:
Bundesministerium des Innern, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 28.04.2021 - - asyl.net: M29615
https://www.asyl.net/rsdb/m29615
Leitsatz:

Bericht des BMI und BMAS an die Länderarbeitsgemeinschaft für Migration und Flüchtlingsfragen (ArgeFlü) zur Leistungseinschränkung von Personen mit Schutzstatus in Griechenland:

1. Nach § 1a Abs. 4 S. 2 AsylbLG werden nur abgesenkte Leistungen nach § 1a Abs. 1 AsylbLG gewährt, wenn den Leistungsberechtigten durch einen anderen EU-Mitgliedstaat oder einen an dem Dublin-Mechanismus teilnehmenden Drittstaat bereits Schutz gewährt wurde. In der sozialrechtlichen Rechtsprechung wird häufig vorausgesetzt, dass den Betroffenen die Rückkehr in das Schutz gewährende Land auch möglich und zumutbar ist. Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn den Betroffenen aufgrund der Aufnahmebedingungen im Falle einer Rückkehr eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. In der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung wird dies für viele Personen angenommen, denen ein Schutzstatus in Griechenland gewährt wurde.

2. Das BAMF prüft im Einzelfall, ob den betroffenen Personen eine Rückkehr möglich und zumutbar ist. Eine eigene Prüfung der Leistungsbehörden soll nicht erfolgen. Vielmehr ist bei Personen mit Schutzstatus in einem anderen Mitgliedstaat so lange von einer Einschränkung der Leistungen abzusehen, bis das BAMF die Prüfung abgeschlossen hat. Kommt das BAMF zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehr möglich und zumutbar ist, so ist die Leistung einzuschränken, da § 1a Abs. 4 S. 2 AsylbLG den Leistungsbehörden kein eigenes Ermessen einräumt.

(Zusammenfassung der Redaktion)

Schlagwörter: Sozialrecht, Asylbewerberleistungsgesetz, Griechenland, internationaler Schutz in EU-Staat, Innenministerium, Bundesarbeitsministerium, Leistungskürzung,
Normen: AsylbLG § 1a Abs. 4 S. 2, AsylbLG § 1a Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Das BAMF hat in Absprache mit dem BMI gegenwärtig die Entscheidung von Asylanträgen von Personen, denen bereits in GRC internationaler Schutz zuerkannt wurde, rückpriorisiert. Hintergrund ist, dass Antragsstellerinnen und Antragssteller, die bereits über europäische Aufenthaltstitel und Schutzstatus verfügen, aus aufenthaltsrechtlicher Sicht privilegiert sind. Dies betrifft zurzeit die Verfahren von über 12.100 Personen (Stand 18. April 2021). [...]

In der Sozialgerichtsbarkeit zeigen sich Tendenzen, als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG vorauszusetzen, dass dem Betroffenen die Rückkehr in das schutzgewährende Land aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen möglich und zumutbar sein muss. Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG wäre danach rechtswidrig, wenn Betroffenen aufgrund der systemischen Mängel der Aufnahmebedingungen in dem schutzgewährenden Land im Falle ihrer Rückkehr eine unmenschliche oder entwürdigende Behandlung (Art. 4 GRC/Art. 3 EMRK) droht. (so LSG Nds.-Bremen 19.11.2019 - L 8 AY 26/19 B ER). In diese Richtung auch LSG NRW 27.03.2020 - L 20 AY 20/20 B ER; SchlHLSG 15.06.2020 - L 9 AY 78/20 B ER und SG Karlsruhe 23.10.2020 - S 12 AY 3018/20 ER. [...]

Ob bei einem Leistungsberechtigten internationaler Schutz oder ein Aufenthaltsrecht i.S.d. § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG fortbesteht und die Rückkehr in das schutzgewährende Land (hier GRC) aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen möglich und zumutbar ist, wird im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände vom BAMF geprüft. Eine erneute Prüfung der Einhaltung der Mindeststandards in anderen Mitgliedstaaten durch die jeweils für die Durchführung des AsylbLG zuständigen Leistungsbehörden ist nicht erforderlich und in Hinblick auf die Einheitlichkeit des Verwaltungshandelns nicht zielführend. Bis zum Abschluss dieser Prüfung durch das BAMF ist von der Verhängung einer Leistungsminderung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG abzusehen. Sofern das BAMF indes einen fortbestehenden Schutz sowie die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Ausreise im jeweiligen Einzelfall feststellt, gibt § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG der Leistungsbehörde hinsichtlich der Leistungseinschränkung kein Ermessen. [...]