LG Detmold

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Zitieren als:
LG Detmold, Beschluss vom 09.07.2021 - 03 T 255/19 - asyl.net: M29843
https://www.asyl.net/rsdb/m29843
Leitsatz:

Keine Begründung der Haftlänge mit allgemein zu erwartender Höchstdauer:

Der Angabe zur notwendigen Haftdauer im Haftantrag, dass "ein erneuter Flugtermin innerhalb der beantragten sechs Wochen auf jeden Fall möglich" sei, liegt ein falscher Beurteilungsmaßstab zugrunde, da von der allgemein zu erwartenden Höchstdauer ausgegangen wird und es an der Auseinandersetzung mit der kürzest möglichen Haft im konkreten Fall fehlt.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Italien, Abschiebungshaft, Überstellungshaft, Haftdauer, Erforderlichkeit, Haftantrag, Begründung, Freiheitsentziehung,
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 S. 1,
Auszüge:

[...]

Es liegt kein zulässiger Haftantrag vor. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10). Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden . Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen , zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10).

1. Diesen Anforderungen genügt der Antrag des Antragstellers vom 29. Juli 2019 nicht. Er wird der Voraussetzung einer Darlegung der erforderlichen Dauer der Haftanordnung nicht gerecht, weil keine nachvollziehbare Begründung dafür angegeben wird, weshalb eine Haft von kürzerer Dauer nicht ausreichte.

Die Behörde hätte darlegen müssen, welchen zeitlichen Rahmen die erforderlichen Verfahrensschritte (Abschiebungsersuchen an das zuständige Landeskriminalamt, Flugbuchung, Organisation der Zuführung der Betroffenen zum Flughafen) für die Vorbereitung einer Zurückschiebung erfahrungsgemäß beanspruchen, um plausibel zu begründen, warum der beantragte Zeitraum im konkreten Fall der kürzest möglichen Haftdauer entspricht (BGH Beschl. v. 22.11.2018 - V ZB 54/18, BeckRS 2018, 34134 Rn . 8, beck-online).

Dies ist vorliegend nicht plausibel erfolgt. Bereits die Einleitung zur Begründung der notwendigen Haftdauer lässt darauf schließen , dass die Behörde nicht von dem richtigen Beurteilungsmaßstab ausgeht. Soweit sie nämlich ausführt, dass "ein erneuter Flugtermin innerhalb der beantragten sechs Wochen auf jeden Fall möglich" sein werde, übersieht sie, dass dies nur die allgemein zu erwartende Höchstdauer für eine Flugabschiebung nach Italien beschreibt. Die Angabe einer Höchstdauer kann aber die Erforderlichkeit der Haftdauer für den konkreten Antrag nicht begründen und rechtfertigt nicht die - vorsorgliche - Haftanordnung bis zu diesem Zeitpunkt (BGH Beschl. v. 22.11.2018 - V ZB 54/18). Der Zusatz, dass in Haftfällen auch geschaut werde, "dass ein möglichst zeitnaher Termin gefunden werden" könne , bestätigt, dass es sich auch aus Sicht der Behörde bei der beantragten Haftdauer gerade nicht um die kürzestmögliche Haft handelt.

Die Haftdauer von sechs Wochen ist auch nicht so kurz, dass sich ihre Notwendigkeit von selbst versteht, zumal der Pass des Betroffenen vorlag und die Flugabschiebung in ein europäisches Land erfolgen sollte. [...]